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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0030

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I. Forschungsstand und Fragestellung

Intentionen des Künstlers und den Ergebnissen einer deskriptiven und historisch
kontextualisierenden Analyse seiner Gemälde und Zeichnungen vereinbaren? Der
formalästhetische Ansatz kann sich auf bereits angeführte Äußerungen Hilde-
brands und Fiedlers berufen, die Marees schon vor der Entstehung der ungegen-
ständlichen Kunst als Wegbereiter einer erst erahnten Befreiung der Malerei vom
Gegenstand darstellen.11 Die — jedenfalls scheinbare — Vorwegnahme der ungegen-
ständlichen Kunst in den Schriften Fiedlers hat die Einschätzung von Marees und
seiner Bedeutung für die Kunstgeschichte bis heute entscheidend bestimmt.52 Für
die formalistische Deutung ist Marees letztlich ein gegenständlicher Maler wider
Willen, für den die historische Stunde noch nicht gekommen war.
1.2. Der inhaltsbezogene Ansatz in der jüngeren Literatur
Die Auffassung, dass Marees auf Kosten des Bildgegenstandes eine autonome Kom-
position angestrebt habe, ist erstmals 1960 von Werner Hofmann durch eine motiv-
und ideengeschichtliche Analyse einiger seiner Bildthemen in Frage gestellt wor-
den.53 Richard Hamann und Jost Hermand haben 1965 in ihrer kulturgeschicht-
lichen Darstellung der Gründerzeit einige Stilphänomene der Gemälde Marees’ als
jahr 1987 über Marees und die Moderne in Deutschland versammelt Zeugnisse von Protagonis-
ten der ungegenständlichen Malerei, die sich durch Werke von Marees anregen ließen oder
bestätigt sahen (Bielefeld/Winterthur 1987, S. 222ff.).
51 Hildebrands Aussage, dass Marees »neu und wirklich alleinstehend« gewesen sei, indem er die
»architectonische Tätigkeit von ihren speciellen Formen abgesondert« habe, kann in diesem
Sinne verstanden werden, wie auch die ebenfalls schon angeführte Passage aus Fiedlers Nach-
ruf, in der es heißt: »Indem Marees seinem künstlerischen Ausdrucksbedürfnis eine Form
suchte, die von keinerlei gegenständlichem Inhalt bestimmt war, tat er einen neuen Schritt.
[...] Ob er in diesem Bestreben je Nachfolge finden wird, wer kann das wis-
sen?« (Fiedler 1991 [1889], Bd. I, S. 256 [Hervorhebung G.B.]).
52 Fiedler spricht zwar der bildenden Kunst eine gegenüber anderen Formen der menschlichen
Erkenntnis autonome Bedeutungsdimension zu — sie verdankt sich aber für ihn dennoch einer
Überführung der Wahrnehmung des in der äußeren Welt Sichtbaren in eine Ausdrucksbewe-
gung der künstlerischen Hand. In einer schon angeführten Passage des Nachrufs spricht Fied-
ler denn auch von der Malerei als einem »unzweideutigen Ausdruck sichtbarer Wirklichkeit«
(Fiedler 1991 [1889], Bd. I, S. 256). An anderer Stelle des Nachrufs heißt es: »Er sah, wie der
einzelne [Künstler der Tradition, G.B.], teilnehmend an dem allgemeinen Ausdrucksbedürf-
nis, sich zu der Natur in einem besonderen, nur ihm eigenen Verhältnis befand, wie sich dieses
Verhältnis in seiner bildenden Tätigkeit entwickelte und in einzelnen Leistungen zu seinem
klarsten und höchsten Ausdruck steigerte« (Fiedler 1991 [1889], Bd. I, S. 235). Bei Marees er-
kenne man die Entwicklung »einer Welt der Gestaltung, die der Natur nur durch diese einzige
Individualität abgewonnen werden sollte« (ebd., S. 236). Sowohl im Nachruf auf Marees wie in
seinen theoretischen Hauptschriften — etwa der Studie Uber den Ursprung der künstlerischen
Tätigkeit von ]887 — betont Fiedler den Naturbezug der Kunst. Gleichzeitig löst er sich aller-
dings vom traditionellen Konzept der Mimesis (vgl. zusammenfassend Boehm 1987, S. 148).
Als Beleg sei hier lediglich eine Stelle aus Moderner Naturalismus und künstlerische Wahrheit
(1881) angeführt: »Wenn von alters her zwei Prinzipien, das der Nachahmung und das der

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