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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0135

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IV. Zur Genese der >Hesperidenbilder< (1875-1880)

IV. 1. Definition des Begriffs >Hesperidenbilder<

Die >Hesperidenbilder<, wie Marees seine Gemälde mit wechselnden »Zusammen-
ordnungfen] von meist nackten Figuren in landschaftlichen Situationen«1 nach
Fiedler selbst genannt hat,2 entstanden — mit Ausnahme der wohl noch in Florenz
gemalten Drei Männer — seit 1875 in Rom. Die Bezeichnung >Hesperidenbilder<
meint nicht, dass es sich um Darstellungen des antiken Mythos der Hesperiden
handelt. Dieser berichtet von Nymphen in einem fernen Paradiesgarten, deren
Aufgabe es ist, die Früchte der ewigen Jugend zu behüten. Das Mittelbild des Hes-
peridentriptychons bildet hier eine Ausnahme, denn seine drei Frauenfiguren kön-
nen als die Nymphen (>Hesperiden<) des Mythos gedeutet werden.
Der Obertitel dieser Gemäldeserie, die das spätere Werk von Marees zu einem
großen Teil ausmacht, scheint auf das im Mythos der Hesperiden enthaltene Motiv
der goldenen Früchte anzuspielen, die in den Bildern häufig auftauchen. Auch
dürfte sich die Bezeichnung dieser Werkgruppe auf das im Mythos angelegte The-
ma des sich erneuernden, unsterblichen Lebens beziehen. Andauerndes >Leben<
wollte Marees seinen Bildern verleihen.3 >Hesperien< ist außerdem der antike grie-
chische Name für Italien, das Land, in dem die Gemälde entstanden sind. Auch
wird >Hesperidium< noch in Lexika des 20. Jahrhunderts als ältere Bezeichnung
für Orangen angeführt, die Früchte, die Marees auf seinen >Hesperidenbildern<
zumeist dargestellt hat.4
1 Fiedler 1991 (1889), Bd. I, S. 257.
2 »Ohne auf Marees’ Tätigkeit im einzelnen eingehen zu wollen, so muß doch hier erwähnt wer-
den, daß sich allmählich aus seinen mannigfachen malerischen Versuchen ein bestimmtes Thema
entwickelte, in dessen Bearbeitung er hoffen mochte, seine Beziehung zur Natur in einem reich-
haltigen und umfassenden Ausdruck niederlegen zu können. Er nannte die Bilder, die in diesen
Kreis gehörten, die Hesperidenbilder. In den späteren Jahren seines Lebens beschäftigte er sich
wesentlich damit, die Reihe dieser Gestaltungen zu vermehren« (Fiedler 1991 [1889], Bd. I,
S. 260). Eine Zusammenstellung von Titeln von >Hesperidenbildern<, die auf Marees selbst
zurückgehen, bei Domm 1989, S. 24.
3 Siehe in der vorliegenden Arbeit VI.4.2.1. und VI.4.2.4. Vgl. zum kunsttheoretischen Topos der
>Lebendigkeit<: Fehrenbach 2003.
4 Vgl. Domm ]989, S. 31. Anm. 102. Marees spricht einmal ausdrücklich vom »Hesperidenäpfel
Thema« (an Fiedler, 4. März 1879: Domm 1987b, S. 186). Als Generaltitel für seine Lebens-
arbeit scheint die Bezeichnung >Hesperidenbilder< für Marees auch darum geeignet gewesen zu
sein, weil der Hesperidenmythos von einem Paradiesgarten erzählt, der sich in unerreichbarer
Ferne befindet. Seine eigene innere >Ferne< zu Italien und der diesem >Hesperien< angesonnenen
Harmonie von Natur und Kultur hatte er schon in den Neapler Fresken, insbesondere der Per-
gola thematisiert (vgl. Lenz 1987b und in der vorliegenden Arbeit II.2.). Dass es sich beim
Mittelbild des Hesperidentriptychons in Hildebrands Terminologie um ein »Fernbild« handelt,
arbeitet Imdahl 1963 heraus.

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