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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0081

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II.2. Die Herausbildung einer eigenständigen Bildsprache

Dass Marees in seinem Frühwerk vor allem an die Pastoralen und Idyllen Gior-
giones und des frühen Tizian anknüpft, ist weder mit einer Zuwendung zum
inhaltsindifferenten >Existenzbild« noch durch eine Affinität zum Kolorit der Vene-
zianer noch auch als Ausdruck eines im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts modi-
schen >Giorgionismo< ausreichend erklärt.133 Marees knüpft vielmehr aus thema-
tischen Gründen an diese Vorbilder an. Er gestaltet in seinen giorgionesken Früh-
werken autobiographische Themen, ohne bereits eine eigenständige Bildsprache zu
entwickeln, die sich nicht als Variation von Vorbildern zu erkennen gäbe. Zu dieser
findet er in den folgenden Jahren. Zunächst malt er unter dem Eindruck Courbets
zeitgenössische Sujets. Mit ihnen bereitet sich, ausgehend von autobiographischen
Ursprüngen, ein »eigenes Genre«136 vor: die späteren >Hesperidenbdder«.13‘

11.2. Die Herausbildung einer eigenständigen Bildsprache

Marees hat sich, wie bereits angesprochen, massiv gegen eine Ausstellung der
Römischen Landschaft I gewehrt. Es ist fraglich, ob er explizit autobiographische
Gemälde wie die Schäferszene und Orangen])flächender Reiter und nackte Frau
auch nur seinen Freunden Hildebrand und Fiedler gezeigt hat. Hingegen waren die
beiden im Format nahezu identischen Gemälde Villa Borghese und Römische
Vigna wahrscheinlich für Fiedlers Landgut Crostewitz bei Leipzig bestimmt.138 Sie
wurden demzufolge für eine halböffentliche Präsentation geschaffen, denn Fiedler
zeigte die Kunstwerke, die sich in seinem Haus befanden, nicht nur seinem engeren
Kreis, sondern machte sie auch fremden Besuchern zugänglich.139
Dieser Erweiterung des Adressatenkreises entspricht seit der Villa Borghese
eine verallgemeinernde Ausweitung der Thematik der Bilder. Gibt sich die Anti-
triert, sondern in künstlerischer Selbstbestimmung ihre Themen selbst erfunden hätten. Conti
spricht 1894 von Giorgione als dem »erstefn] moderne[n] Künstler«. Die venezianischen >Pas-
toralen< des frühen Cinquecento galten als Inkunabeln einer von literarischen Vorgaben be-
freiten Genremalerei, die offenbar für Marees die Möglichkeit einer individuellen Themenfin-
dung in klassischer Vollendung vorführten. Vgl. Settis 1982, S. 10: »Erfindungen, die so per-
sönlich waren, daß nicht einmal Vasari sie verstehen konnte, so folgerte man, können nur ei-
nem Künstler gelungen sein, der frei war von den Zwängen einer demütigenden Auftraggeber-
schaft. Daher >Giorgiones Freiheit* (Justi): Giorgione, >der erste moderne Künstler* (Conti).«
138 Das Gemälde (die Villa Borghese) steht in Beziehung zu den im Format ähnlichen Bildern
Römische Vigna und Figurengruppe im römischen Park II. von denen Meier-Graefe an-
nimmt, dass sie für Fiedler bzw. dessen Mutter und Schwester bestimmt waren. Auf das erst-
genannte Gemälde bezieht er die Stelle aus einem Brief vom 25. Februar 1871 von Marees an
Fiedler: »Eine Leinwand für sie habe ich auch etwas unter den Händen gehabt, es sollen klei-
ne Figuren darauf kommen, wie es sich für das Lokal ziemt« (vgl. Meier-Graefe 1909—1910,
Bd. 111, S. 132). Vgl. Lenz in München 1987a, S. 229: »Mit dem >Lokal< ist offenbar ein ganz
bestimmter Raum bei Fiedler gemeint, zu dem das Bild (die Bilder?) passen sollte«.
139 Um den Schlafenden Hirtenknaben seines Freundes Hildebrand bekannt zu machen, hatte
Fiedler die Plastik 1873 in Crostewitz ausgestellt und durch gedruckte Einladungen auf diese
Präsentation aufmerksam gemacht. Vgl. BS, Annalen. S. 13 und 97f.
 
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