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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 3.1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.1196#0106
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92

Es würde zu weit führen, wenn wir bei Allem verweilen
wollten, was ferner in dieser werthvollen, gewählten Sammlung
Beachtung in Anspruch nimmt. Wir sehen hier auf drei Blät-
tern die drei Sybillen Michael Angelo's, unter denen die
Sibilla tiburtina am entschiedensten des grossen Meisters würdig
scheint, wenn auch die Bothstift-Zeichnung theilweise durch
eine spätere Hand aufgefrischt sein mag; schöne, mit "geübter
Hand leicht und sicher hingeworfene Portraits von Bubens,
die uns berühmte Persönlichkeilen seiner Zeit nahe bringen;
reiche, und zum Theil sehr ausgeführte historische Composi-
tionen desselben Meisters und seiner Schüler; schöne Blätter
von Albert Dürer und dem wackern Lucas Cranach,
der nach der Schlacht bei Mühlberg, seinem Herrn folgend, in
Weimar einheimisch wurde — Blätter, auf denen in vielfach
verschiedenen Gestalten der bedächtige Bürgersmann jener Zeit
eben so charakteristisch erscheint, als namentlich auch der
kecke, heimatlose, sorgen- und gewissensfreie Landsknecht,
der Diener aller Herren und Streiter aller Kriege. In den
Zeichnungen des Nicolas Poussin erkennen wir jenen Sinn
für Reinheit des Styls wieder, der ihn in seiner Zeit sehr be-
merkensWerth macht; in den verlängerten, schmächtigen Formen
eines Cazes und Anderer spiegelt sich jene Periode der höch-
sten Unnatur, die das Schäferspiel neu belebte und in der bil-
denden Kunst eine durchaus convenlionelle. Eleganz und Grazie
zu verkörpern suchte. Audi Wateaux und Greuze finden wir
hier wieder.

Unter den Blättern, die einer noch nahe liegenden Zeit an-
gehören, ist besonders eine Reihe von einigen zwanzig kleinen
' Zeichnungen zum Don Quixote anziehend. Sie sind von dem
einst in Deutschland wenigstens sehr berühmten Chodowiecki
— und man kann nicht leugnen, dass sie den Ruf des Künst-
lers in doppelter Weise-rechtferligcn. Denn theils sind sie an
sich nicht ohne Werth, theils machen sie das Verhältniss des
Künstlers zu seiner Zeit anschaulich und die Bedeutung die er
für sie haben musste. Nicht, dass wir etwa hier ein Verständ-
niss der Feinheit und Tiefe des Cervantes erwarten dürften,
nicht, dass uns hier der edle Hidalgo gezeigt würde, dessen
Erscheinung fast eben so tragisch ist als komisch —: im Ge-
gentheil, wir müssen uns von Hause aus in manches Triviale
der Auffassung und in einige Geschmacklosigkeiten der Aus-
führung ruhig finden. Abgesehen aber von den höheren For-
derungen, denen ja auch neuere Genremaler nicht zu genügen
vermochten, wenn sie sich an den Don Quixote wagten,2) muss
mancher gelungene Zug anerkannt werden. Es waltet im Ganzen
ein gewisser trockener, bürgerlicher Humor, wie er der all-
gemeinen Bildung der mittleren Stände damaliger Zeit entsprach;
wir erkennen, wie Chodowiecki dem Publikum, auf das er zu
wirken angewiesen war, nahe stand, und doch auch um ein
Paar Stufen höher, so dass er immer verständlich, zugänglich
blieb und denn doch seine Zeitgenossen ein Paar Schritte weiter
führen konnte im Verständniss und in ihren Forderungen an die
bildende Kunst. Darin liegt der Grund seiner Popularität und
sein Werth. Freilich, wenn wir seine Blättchen mit Kaul-
bach's Zeichnungen zum Rcinecke Fuchs vergleichen, dann

1) Hier müssen wir uns erlauben, dem geehrten Verfasser zu wider-
sprechen und zwar zu Gunsten des genialen Adolf Schrodter. In einem
Bilde dieses Meisters in der Galerie Wagener in Berlin, dem ersten Dou
Quixote-Bilde des Künstlers, auf weichein wir den Ritter von la Mancha in
seinem Studierzimmer von all' seinem abentheuerlichen Trödel umgeben finden,
ist in der That den höchsten Anforderungen an die bildliche Darstellung jenes
Helden Genüge geleistet. Die Auffassung des Charakters ist grossartig schla-
gend. Man verweilt mit wahrer Tlieilnabme vor dieser echt tragi - komischen
Figur, in der sieh Humor, Ironie und Jammer die Hände reichen.

D. Red.

dürfen wir uns wohl gestehen, dass wir die Zeit her nicht um-
sonst gelebt haben.

Die Kunst der unmittelbaren Gegenwart vertreten dann zu-
letzt in dieser bedeutenden Reihe in würdigster Weise ein Paar
ausserordentlich schöne Landschaften von einem hiesigen Künstler,
dem bekannten, sehr verdienten Prof. Prell er —: nordische
Gegenden, Felsen, Tannenwald und Meeres-Ufer, in ihrem
Ernst und ihrer einfachen Erhabenheit.

Diese Andeutungen mögen genügen, den Erfolg zu be-
zeichnen, den in Weimar auch die einem Theile der Samm-
lungen zugewendete Thätigkeit im Lauf der Jahre gehabt hat.
Die Aufgabe war hier: in |ruhiger, sleter und folgerichtiger
Wirksamkeit den Sinn auch auf das Ernste und Echte zu richten
und nicht allein das Glänzende und Umfangreiche zu erstre-
ben, sondern auch das, was einen wirklichen, werlhvollen Inhalt
hat, — und wenn wir sie über Erwartung gelöst sehen, müssen
wir vor Allem anerkennen, dass es eine Gunst der Umstände
denn doch nur für den Geist giebt, der sie zu ehren und zu
nützen weiss, im redlichen Bemühen die fortwirkende Erinne-
rung an eine vergangene grosse Zeit lebendig und das Leben
selbst in einer Sphäre idealer Reinheit zu erhalten.")

A. Kiss' Statue Friedrich Wilhelms III. in Königsberg.

Wir schuldigen unsern Lesern noch immer eine Beschrei-
bung dieses schon im vorigen Jahre errichteten Denkmals des
Meisters der Amazonengruppe. Eine Aufforderung dieserhalb
an unsern dortigen Herrn Berichterstatter blieb vielleicht des-
halb erfolglos, weil der fleissige Forscher sich wieder auf Rei-
sen befinden wird. Wir machen daher von der Erlaubniss des
Hrn. Prof. A. Hagen Gebrauch, einem Aufsatze aus seiner
Feder in den von ihm herausgegebenen trefflichen „Neuen Preuss.
Provinzial-Blättern" folgende Schilderung zu entnehmen, die
mit der Basis beginnt:

„Das stattliche Eisengitter wird überragt vom Granit-Unter-
satz, über dem das Bronzegebäude grossartig emporsteigt. Die
Architektur ist vom Prof. Strack angeordnet mit den Stufen
und dem Sockel, dessen pilasterähnliche Vorladungen sechs Fi-
guren stützen, die wieder die Stützen des Hauptwerkes bilden.
Am Bronzegebäude erblicken wir, neben den geschmackvollen
Zierborlen an dem Fries und an dem Capitellstreifen, zwischen
sechs an die Masse sich anlehnenden Figuren, sechs Bildfelder.

Die Reliefs, zu eng zur Aufnahme des reichen Stoffes,
machten eine Beschränkung nothwendig. Es wurde der Grund-
satz festgestellt, dass das Ehrenmal nifr dem Andenken Dahin-
geschiedener gewidmet sein sollte, Solcher, die unter dem hoch-
seligen König die Erhebung des Vaterlandes mit erkämpft, die
Glanzperiode Preussens mit bereitet oder als Theilnehmer der-
selben den Ruhm und das Glück unserer Heimat mit befördert
haben. In bildlicher Schrift in Erz soll das Postament die Er-
innerung an die Jahre unmittelbar vor und nach den Freiheits-
kriegen bewahren. Die Vorstellungen an beiden Längenseiten
sind getrennt durch die Schilderung der mit begeisterter Vater-
landsliebe unternommenen Kriegsrüstung an der einen und durch

1) In Wahrheit ist Weimar zu beneiden, das sich durch den eben be-
sprochenen Besitz, so wie durch die herrlichen Zeichnungen des immer noch
nicht genug gerühmten und anerkannten Carstens zu einem wahren Schatz-
hause der zeichnenden Kunst gestaltet hat. Es kann sich einen Wallfahrtsort
nennen für Alle, welche mit ernstem Sinn den Künsten zugeneigt und er-
geben sind; es kann sich glücklich schätzen, dass ein richtiger Blick bei
einzigen, nicht wiederkehrenden Gelegenheiten das zu erfassen wusste, des-
I sen Besitz zur ewigen Zierde, ja zum Ruhme gereichen muss. D. Red.
 
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