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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 3.1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.1196#0059
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gutes Gemälde ist von grösserer Wirkung, als eine gute Pre-
digt" durchdrungen fühlen. Dass ihr Schöpfer einer der Be-
rufenen sei, hat er auch in einer grösseren Composition mit über-
lebensgrossen Figuren, einer Grablegung, welche er für die St.
Andreas-Kirche in Brüssel, seiner Vaterstadt, malte, bekundet.

Van Eycken ist erster Professor der Brüsseler Akade-
mie und, wie gross auch die Vorurlheile der Gewohnheit sind,
mit denen er bei seinen Genossen zu kämpfen hat, ein beharr-
licher Apostel des wahrhaft Schönen, in Beispiel und Wort be-
schäftigt, die Berufenen unter seinen Schülern aus dem Schlamme
des Materialismus zu ziehen, sie für das Ideelle zu begeistern,
aus tüchtigen technischen Malern zu eigentlichen Künstlern zu
erheben. Von seinem Berufe durchdrungen verfolgt er beharr-
lich und fest sein Ziel, und, für deutsches Kunststreben hoch-
begeistert schwärmend, ist er der Einzige unter allen belgi-
schen Malern, der ein Vermittler zwischen der deutschen Kunst
und der flämischen Technik werden kann, wie gross auch die
Hemmnisse sein mögen, die zu besiegen sind. Seine jüngsten
Arbeiten zeigen, mit welcher beharrlichen Treue und welchem
Glücke van Eycken selbst nach dem Höchsten in der Kunst
strebt. Er will die Malerei, was sie bisher in Belgien nicht
war, zur monumentalen Kunst erheben und Freskobilder malen.
Die Ausschmückung des Triumphbogens der Kirche Unserer
Lieben Frau zur Kapelle, mit welcher er beauftragt, wird sein
erster Versuch in dieser für das heutige Belgien neuen Maler-
weise sein. Wir sahen den Carton zu dem achtzig Fuss hohen
Bilde und fühlten uns überrascht von der edlen Auffassung, der
seelenvollen, tiefen Empfindung, die sich in demselben aus-
sprach. In Vergleich zu dem, was man von belgischen Malern
zu sehen gewohnt ist, wird man hier durch nichts daran ge-
mahnt, dass jnan das Werk eines belgischen Künstlers vor sich
hat; diese Composition trägt schon den Stempel der höheren
Weihe.

^eber dem Schlüsse des Bogens erhebt sich in grossarlig-
sten Style der Verkünder des Wortes, der Evangelist Johannes,
in voller Verklärung auf zum Himmel schauend. Links sehen
wir die Verkündigung und rechts die Anbetung der Hirten und
Könige, eben so edelgehaltene als schöne Gruppen; die reinste
Jungfräulichkeit, die reizendste Anmuth spricht sich in den Ge-
stalten der Gottesmutter aus. Die Haupt- und Mittelgruppe der
Composition ist die Himmelfahrt Maria. Von Engeln auf Wol-
ken getragen schwebt die h. Jungfrau empor im Glänze ver-
klärter Demuth und wird von dem Vater und dein Sohne em-
pfangen, welche sie krönen als die Königin der Himmel.

Mit der Ausführung dieses Werkes wird van Eycken schon
viele der Vorurtheile, die in der Gewohnheit der Anschauung
und in der Einseitigkeit der flämischen Schule begründet sind,
überwinden, und die Vernünftigen, Gebildeten, deren es leider!
sehr wenige unter den belgischen Künstlern giebt, durch die
That zu der Ueberzeugung bringen, dass eine gewisse, meist
jedoch konventionelle Kraft in der FaVhe nicht allein das Kri-
terium der wahren Kunst ist, dass diese noch ganz andere hö-
here Anforderungen als eine Fertigkeit der handwerkmässigen
Behandlung des Materials an den Künstler stellt. Mit seiner,
aus der innigsten Ueberzeugung entspringenden Beharrlichkeit
wird van Eycken, da er das eigentliche Wesen der Kunst er-
kannt hat, der Malerkunst in Belgien eine neue Aera schaffen;
Mittel und Kraft dazu sind in dem ausgezeichneten Künstler
vereint. Wn,

Kunstliteratur.

Lucas Cranach des jielleren Leben und Werke
Nach urkundlichen Quellen bearbeitet von Christian Sehu-
' chardt, Secreiair bei der Oberaufsicht für Wissenschaft und
Kunst und. Custos grossherzoglicher Kunstsammlungen zu
Weimar. Theil I: 311 S. in 8., nebst einer Monogrammen-
iafel; Theil II: 364 S. in 8. Leipzig, F. A. BrocUaus. 1851.
Von F. Hugler.

In der deutschen Kunstgeschichte giebt es, wie Jedermann
bekannt, noch ungemein viel aufzuräumen, zu klären, zu sich-
ten und zu lichten. Meister Lucas Cranach und seine Gesellen-
zunft, die Werke, die von ihm herrühren und die den Stempel
seiner Richtung tragen, gehören wesentlich hieher. Der ehr-
liche Meister Lucas ist bisher ein wahres Kreuz für den Kunst-
historiker gewesen. Wir — und besonders wir Leute in Nord-
deutschland, wo die Bilder seines Gepräges so häufig verbreitet
sind, meinen ihn ganz wohl zu kennen. Nichts spricht sich
leichter aus, als der allgemeine Charakter dieser Bilder, und
nirgend fast entschwindet uns, wenn wir die persönlich indivi-
duelle Eigenthümlichkeit des Künstlers festhalten wollen, der
Faden leichter, als vor ihnen. Wollen wir aufrichtig sein, so
müssen wir es bekennen, dass bisher für uns der Name Lucas
Cranach zumeist noch die Bezeichnung eines Collectivbegriffes
war. Dies liegt vorerst einfach darin, dass es bisher noch an
einer gründlich kritischen Arbeit über Meister Lucas und die
grosse Zunft, die sich um ihn reiht, fehlte. Aber jenes ver-
wirrende Verhältniss und der seitherige Mangel der erforder-
lichen kritischen Arbeit hat zugleich seinen tieferen Grund darin,
dass die ganze künstlerische Richtung und Wirksamkeit, welche
der Collectivname Cranach bezeichnet, bei all ihren, oft so an-
ziehenden Eigentümlichkeiten eine vorherrschend zunftmässige
ist und dass es somit umfassender Vorbereitungen und sorglich
durchgeführter SpezialStudien bedarf, um allmählig die ganz
selbstthätige Meisterhand von der seiner Mitarbeiter, seiner Ge-
sellen, seiner stereotypen Nachahmer unterscheiden zu lernen.

Mit um so grösserem Danke haben wir das in der Ueber-
schrift genannte Werk aufzunehmen, welches uns hiezu endlich
die Wege bahnt. Der Titel desselben ist freilich nicht ganz
genau; er sagt ein wenig zu viel. Der Verfasser giebt uns
nicht Cranach's Leben, sondern die Materialien zu dessen Schil-
derung; er giebt uns nicht eine Beschreibung seiner Werke
überhaupt, sondern nur derer, welche ihm durch eigne Ansicht
bekannt geworden, also z. B. nichts Näheres über die zum Theil
doch sehr wichtigen Bilder von Cranach's Hand, die sich ausser-
halb Deutschlands befinden. Dies beeinträchtigt indess den Werth
des Werkes an sich in keiner Weise; im Gegentheil bestimmt
sich derselbe von vornherein dadurch, dass uns überall das
strengste kritische Bestreben entgegen tritt und es somit überall
ein möglichst gesicherter Boden ist, den wir an der Hand des
Verfassers betreten.

Wir wenden uns, in näherer Betrachtung des Werkes, zu-
nächst zu der „Lebensbeschreibung Cranach's", welche
den Hauptabschnitt des ersten Theiles ausmacht. Die allgemei-
nen Züge von Cranach's Leben sind uns aus früheren Werken
bekannt; aber diese Darstellungen sind mehr oder weniger ge-
trübt, wie durch unverbürgte Ueberlieferungen, die zum Theil
den deutlichen Stempel späterer Erfindung tragen, so durch un-
genügende, nicht selten auch fehlerhafte Benutzung der vorhan-
denen literarischen Quellen. Hr. Schuchardt ist überall mit ge-
nauester Sorgfalt und Umsicht auf diese Quellen zurückgegangen
und hat von ihnen an den entsprechenden Stellen stets den cha-
rakteristischen Gebrauch zu machen gewusst. Ebenso hat er

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