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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Guenther, Alfred: Ein Verfehltes Preis-Ausschreiben
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0063

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EIN VERFEHLTES PREIS-AUSSCHREIBEN.

VON ALFRED GÜNTHER—DRESDEN.

In Dresden hat man jüngst ein gutes Beispiel
für ein schlechtes Preisausschreiben geliefert,
als der Rat Entwürfe zur städtebaulichen Ge-
staltung des Eliasfriedhofes ausschrieb.

Der Eliasfriedhof, der alte „Pestfriedhof vor
dem Ziegelschlage", Ende des 17. Jahrhunderts
angelegt, nach seiner Erweiterung Anfang des
18. Jahrhunderts zum Friedhof der vornehmen
Bürgerschaf t erhoben, liegt schon seit 40 Jahren
in Abgeschlossenheit und Stille. Eine schmuck-
lose halbhohe Mauer mit Bogennischen um-
schließt ihn. Durch eine enge Tür tritt man ein,
ein schmaler Weg führt hindurch. Und zu beiden
Seiten liegen versunken die Gräber, verwildert
in der sommerlichen Fülle des blumigen Rasens,
wilder Rosenbäume, hundertjährigen Efeus,
hoher Zypressen, mächtiger Fliederbüsche. Ver-
wittert die Barock-, Rokoko-, Empire- u. Bieder-
meier-Grabdenkmäler, verrostet die Rokoko-
gitter. Manchen Namen entziffert man aus dem
Sandstein, der noch heute nicht vergessen ist.
Und in seiner Sommerpracht ist dieses melan-
cholische Idyll wie ein stiller, üppiger Park. —
Die Großstadt hat sich bis ganz an die Friedhofs-
mauer herangedrängt. Mietskasernen stehen
daneben, ihre nackten Brandgiebel, ihre Hinter-
häuser umrahmen ihn und die elektrische Bahn
fährt vorüber. Mit einer Seite bildet der Friedhof
eine Ecke des Eliasplatzes, auf dem ein großes
Stadthaus steht, gegenüber die Kgl. Kunst-
gewerbeschule, auf der andern Seite das Kgl.
Amtsgericht. — Es ist klar. Die Frage der Einbe-
ziehung des Eliasfriedhofes in den künstlerischen
Bebauungsplan mußte vor Jahrzehnten schon von
den Stadtbaumeistern gelöst werden, ehe es zu
spät war. Heute läßt sich z.B. um diesen Friedhof
keine Pappel- oder Kastanienallee mehr führen,
um ihn vom Getriebe der Großstadt abzu-
schließen. Man fühlte nun wohl, daß es aller-
höchste Zeit sei, sich mit der Frage zu befassen.
Am Beispiel des alten Annenfriedhofes, der
allerdings im engsten Zentrum der Stadt lag,
hatte man gesehen, wie die Notwendigkeit der
Aufschließung enger alter Straßen dazu führen
mußte, den Friedhof zu beseitigen. Und trotz
allen historischen, poetischen, städtebaulichen
Bedenken, die sich der Zerstörung eines solchen
Friedhofs entgegenstellen, hat man doch auch
hier daran keinen Anstoß genommen: Das
Preisausschreiben regte zur Errichtung einer Ge-
dächtnishalle für Gefallene an. — Ein Monu-
mentalbau auf diesem Platze müßte den Fried-
hof völlig zerstören, darüber konnte niemand

im Unklaren sein. Darüber belehrten denn auch
alle eingegangenen Entwürfe, die sich recht
zahlreich mit dieser Gedächtnishalle befaßten.

Für jeden Weitsichtigen, künstlerisch Emp-
findenden kann es sich natürlich bei einer
städtebaulichen Gestaltung des Eliasfriedhofes
nur um die vollständige Erhaltung handeln.
Mit sehr vorsichtiger Hand muß der Zerstörung,
der der Friedhof durch Verwilderung ausgesetzt
ist, Einhalt geboten werden. Ein paar Wege wä-
ren ringsherum und durchzuführen. Es könnten
bei einer künstlerischen Gestaltung der Einfrie-
dung wohl Nischenbauten eingefügt werden, die
Gedächtnistafeln für Gefallene aufnähmen. Aber
das sind ganz nebenher und leicht zu lösende
Dinge. Für den Städtebaumeister kommt ledig-
lich die Herumführung, der Abschluß unvoll-
ständiger Straßenzüge in Frage. Damit ist für
ihn das Problem umschrieben.

Ein schwerer Fehler wäre es außerdem, wenn
man mitten in diesen flachen Stadtteil zwischen
stillosen Dutzendbauten einen Monumentalbau
errichten wollte. Eine Gedächtnis-, eine Ehren-
halle für die Gefallenen gehört nicht mitten
hinein zwischen Mietshäuser.

Das Preisgericht hat glücklicherweise an
diesem unglücklichen Wettbewerb noch gut
machen können, was noch gut zu machen war.
Es hat keinen ersten Preis verliehen und die
Entwürfe ausgezeichnet, die die Erhaltung des
Friedhofs erstrebten. Darunter sind glückliche
LösuDgen, die Lösung fehlt noch.

Die Sache hat aber noch ein anderes Gesicht.
Man regt zur Schaffung eines Monumentalbaus
an und läßt die Architekten, die sich daran
versuchten, leer ausgehen. Man konnte nicht
von vornherein annehmen, daß kein junger
Künstler sich an das Problem machen würde,
nur weil es städtebaulich höchst unglücklich
formuliert war. Nun haben so viele Zeit und
Arbeit und Kosten völlig vergeblich vertan.
Das hat böses Blut unter den Architekten ge-
macht. Denn davon unberührt bleibt ja die Tat-
sache, daß zwar viele phantastische und mon-
ströseBauwerke geplant worden sind, aber wenig
stilsichere, die sich der Umgebung einfügen.

So hat dieses Preisausschreiben, das aller-
dings in der Zeit erlassen wurde, in der die
Stadt nach Erlweins Tod ohne Stadtbaurät war,
nur Verwirrung gestiftet. Denn geklärt hat es
die Frage der Erhaltung des Eliasfriedhofes
doch nur für die, die von vornherein keine
andre Lösung für möglich hielten. ■--—
 
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