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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Mittenzwey, Kuno: Stanislaus Stückgold, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0361

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STANISLAUS
STÜCKGOLD.
» UNGARISCHER
GARTENc

STANISLAUS STÜCKGOLD-MÜNCHEN.

Die Kunst Stanislaus Stückgolds ist im In-
nersten ethisch abgestellt. Immer wird es
als die höchste Aufgabe der Kunst ergriffen,
die Dinge in ihrem wesenhaften Sein zu zeigen,
und stets ist die Überzeugung lebendig, daß dies
höchster Menschheitsdienst sei. Der Glaube
an den Willen ist unbedingt, der Zufälligkeit
bleibt nichts überlassen.

Sieht man zu, mit welchen Mitteln die Lösung
dieser Aufgabe unternommen wird, so findet
sich ein bemerkenswertes Vermögen, elemen-
tare Mittel mit wirklicher Naivität zu hand-
haben. Auf jede Konzession an den Eindruck,
an die Raumillusion wird bewußt verzichtet.
Die Dinge, die Stückgold malt, führen von vorn-
herein ihren Raum mit sich, jene dem Zufälligen
entrückte Ebene des Seins, in der sich wesen-
hafte Ereignisse abspielen. Wo Tiefe gebraucht
wird, wird sie mit einem Minimum primitiver Per-
spektive hergestellt. Dem Illusionären, Schein-
haften wird niemals nachgegangen, für Halb-
töne , Übergänge, alles Transitorische ist kein
Platz. Damit das Sein einfach werde, wird der
farbige Aufbau mit naiven, elementaren Farben,
unter starker Steigerung durch den Kontrast,
hergestellt. Auf dem „Elisabeth" betitelten
Bilde z. B. ist das Gewand in einem grasigen
Grün gegeben, das gegen einen Hintergrund
von leuchtendstem Orange steht, aus dem die
Ringe rot herauswachsen. Durch diese Ele-

mentarität der farbigen Behandlung bekommen
Stückgolds Bilder — nicht etwa etwas Plakat-
haftes, wie vielleicht der Leser von heute den-
ken wird. Davor bewahrt sie der wohltuende
Mangel an allem Journalistischen, an jeglicher
„Schmissigkeit" und schnellfertigen Gekonnt-
heit. Sondern etwas von der Art der alten
Glasbilder, die jetzt wieder so gesucht werden.
Man beachte z. B. wie Stückgold ein Gesicht
malt: in einen Fleischton, der ganz flächig
und simpel gehalten ist, werden die Konturen
mit inbrünstiger Werbung um Beseeltheit des
Ausdrucks eingezeichnet.

Und dies ist es, was den Werken Stückgolds
das ganz Persönliche, Unvergleichliche gibt: die
stets vorhandene Hochspannung des geistigen
Pathos, das beinah Prophetische, mitunter aus-
gesprochen Theosophische der Aufgabe, und da-
bei das Naive, die beinah rührende Einfalt des
Vortrages. — In den charakterisierten Quali-
täten ist die Sonderstellung Stückgolds unter
den verwandten Bemühungen um eine geistige
Malerei gegeben. Alle die malerischen Dinge,
die wir eingangs mit Worten andeuteten, wer-
den ja heute so vielfach kultiviert, daß sie fast
für jeden Vertreter neoidealistischer Malweise
zuzutreffen scheinen, und mancher könnte viel-
leicht dem Gesagten entnehmen wollen, Stück-
gold wäre einfach ein expressionistischer Mit-
läufer. Bei der Schnelligkeit, mit der heute

XX. September 1917. 3
 
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