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in.

Es ist bald 5 Uhr. Seit länger als anderthalb Stunden
schon irrt Assessor Heinrich dnrch das Menschcngewühle des
äußerst belebten Volksgartens, ohne den Gegenstand seiner
Liebe entdecken zu können. Wohl zwanziginal hat er bereits
nach der Zeit gesehen, und immer noch nicht wies der Zeiger
seiner Cylinderuhr auf 5 Uhr. Endlich, endlich schlägt die
heißersehntc Stunde, die ihn an s Ziel seiner Wünsche führen
soll. Aber wo bleibt Bianca? Auf allen Plätzen des Volks-
gartens war Heinrich schon gewesen, bei den Glücksbuden, in
den Panoramen, bei den Musikbanden, am Caroussel, beim
Ringelstechen — kurz überall hatte er Bianca gesucht, aber
nirgends gefunden. Sollte sie wortbrüchig sein? Entsetzlicher
Gedanke! Und auf's Neue wollte Heinrich weiter eilen, nach
der Geliebten zu spähen; aber seine Schritte wurden an diesem
Orte gehemmt durch die drängenden Mcnschenmassen, die sich
so eben an den Sprüngen und Tollheiten des Hanswurstes einer
Ganklcrbande höchlich ergötzten. Nur mit Mühe
und äußerster Anstrengung vermochte sich Heinrich
Bahn zu brechen, als eine sanfte Stimme leise
seinen Namen rief, die er, auf's freudigste über-
rascht, sogleich als die Bianca's erkannte. Er
hatte sich nicht getäuscht. Ja, sie war es, dicht in
einen schwarzen Ueberwurf von Seide gehüllt, >vie
: Heinrich wähnte, aus Vorsicht, daß sie nicht so
I leicht erkannt werde. Mit vor Freude und froher
Hoffnung bebender Stimme lispelte er Bianca gu:

„Nun ist er da, der seligste der Augenblicke. Nun
sprich es aus, daß Tu mein sein willst, Bianca!"

„ „GedenkenSie noch Ihres Schwures, Herr Asses-
sor?"" „Ja, folgen will ich Dir, wohin es sei!"

Da sprach Bianca entschlossen und mit lauter
Stimme: „„Nun wohlan, Herr Assessor! so fol-
gen Sie mir, wohin ich gehe; dann will ich Ihnen
gehören."" Und mit diesen Worten warf sie den
Mantel ab, und — wie eine Feenkönigin stand
sie da, ein herrlich Gebild, als hätte Venus selbst
sich zu den Sterblichen herniedcrgclassen: enger
Tricot umschloß ihre schön geformten Glieder, ein
kurzes, goldgesticktes Kleidchen umspannte ihre
schlanken Hüften, und ein rosarother und blauer
Zephyr umwallte ihren göttergleichen Busen. So
stand sie mit holdseligem Lächeln vor dem schmach-
tenden Assessor, der nicht wußte, ob er wache, oder
ob das Alles blos ein schöner Traum sei. Ta
schmettert die Trompete. Bianca grüßt flüchtig,
und mit dem Rufe: „Folgen Sie mir, Herr Asses-
sor!" eilt sie, dem gegebenen Zeichen Folge lei-

I

stend, leichten Schrittes von dannen, schwingt sich behende
auf das gespannte Seil, klatscht in ihre Händchen, und unter
den Klängen der aufmunternden Musik, unter dem Zujauchzen
und dem Beifallrufen der Menge, schwebt die Sylphide hi-
nauf, höher und immer höher, und sodann in den graziöse-
sten Stellungen und mit der Behendigkeit einer Gazelle wie-
der herab.

Noch hatte sich unser leicht zu entflammender, verliebter
Assessor von seiner Verwirrung und Enttäuschung kaum er-
holt, als die Gauklerin wieder vor ihn trat mit der Frage:
„Nun, Herr Assessor?" Dieser aber seufzte tief, und mit
wehmüthigem Lächeln die Achseln zuckend, sprach er: „Ja,
die Liebe vermag Viel, sie vermag Alles, aber — — seil-
tanzen kann sie doch nicht."

Al. Plusvir.

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21*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Was kann die Liebe ?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Seiltanz
Tänzerin <Motiv>
Karikatur
Publikum <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 10.1849, Nr. 240, S. 187

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