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Familiengluck. 19

Luzinde war schön, liebenswürdig und geistreich. Sie sprach
französisch und englisch geläufig und mit Eleganz; sie hatte
eine glockenreine Stimme und spielte trefflich das Piano. Sie
besaß alle Vorzüge der Natur vereint mit einer, besonders für
ihr Alter, ungewöhnlichen Ausbildung des Geistes. Aber ihr.
fehlte eins — das wahrhaft Kindliche, das Jungfräuliche. Ihr
Verstand war ihrem Herzen zu weit voraus geeilt. Ihr Herz
erschloß sich nicht der Liebe, wie bei anderen Mädchen ihres
Alters, unwillkührlich, unbewußt; nicht wie die Knospe, die
sich dem Lichtstrahle erschließt: Luzinde konnte sich von den
Regungen ihres Herzens genaue Rechenschaft geben. Ihre Ge-
fühle standen im Dienste ihres Verstandes; und sie wollte mehr
fesseln, als gefesselt werden. Luzinde war in die Schule ihrer
Mutter gegangen und da sie mehr Geist und Talent besaß als
diese, so ward schon jetzt die Lehrerin von der Schülerin weit
überflügelt.

II.

Aehnliche Entschlösse

1.

Der Stammbaum des Barons Wildner war einer der äl-
testen in Deutschland; wenigstens behauptete dies der Baron
selbst. Ein Zlveig seiner Familie >var sogar mit einer regie-
renden Fürstenfamilie verzweigt, wie der Baron ebenfalls be-
hauptete. Aber sein edles Blut half ihm nicht gegen die bittere
Krankheit, an der er ewig litt, nämlich gegen seine chronische
Finanznoth. Sein ganzes Dasein bestand nur in einem ewigen
Schweben zwischen Borgen und nicht Bezahlen, in einem ewigen

Suchen, nicht nach Gläubigern (denn diese suchten ihn), sondern
nach solchen, die es an ihm werden wollten. Der Baron konnte
daher die ganze ihm bekannte Menschheit in zwei Klassen theilen,
in eine, der er schuldig war, und in eine, die ihm nicht borgen
wollte.

Mit seinen edlen Verwandten lebte der Baron auf sehr
gespanntem Fuße; denn sie waren seine Mitschuldner und tru-
gen nicht wenig dazu bei, ihm den Kredit zu verderben. In-
dessen ermüdete er nicht in seinem Eifer, und sein Kredit war
weit eher erschöpft als seine Geduld, neue Kreditoren zu erspähen.

Seine Familie hatte seit ihrem fast tausendjährigem Bestehen
ihr Blut von jeder bürgerlichen Mischung rein zu erhalten
gewußt. Der Baron aber ging mit dem stillen Plan um, dieser
Reinheit, die so eng verschwistert mit der Armuth war, ein Ende
zu machen. Von Julia bevorzugt, war es doch stets seine Ab-
sicht, das Herz Luzindens zu gewinnen und so der Schwieger-
sohn eines Millionärs zu werden. Der einzige Schwiegersohn
eines Millionärs! Welche Aussicht für einen Baron, bei dem
die Bezahlung der kleinsten Schneiderrechnung mit den unüber-
windlichsten Schwierigkeiten verbunden war! Seine Phantasie,
sonst eben nicht sehr reich, malte ihm doch seine schwiegersöhnliche
Zukunft mit den reizendsten Farben aus. Er sah sich schon im
Besitz der schönsten Giggs und Phaötons, der herrlichsten Rappen
und Apfelschimmel; und man kann sagen, daß die Luftschlösser,
die der hoffnungsvolle Baron baute, eben so geschmackvoll als
umfangreich waren. —

Es ist aber jammerschade, daß die Phantasie, diese holde
Tochter der Luft, nur fliegen, aber nicht gehen kann; daß sie
gleich stolpert, wenn sie das harte Pflaster des wirklichen Lebens
betreten soll. Der Baron hatte eines Morgens, als das Gold
der jungen Sonne an den Fenstern herunterschmolz, in seinem
Bette so schön und reich als Gatte Luzindens in der Phantasie
gelebt! Als er aber aufstand, lag seine Börse in der Form
eines Fragezeichens auf den Tische. Der Baron betrachtete die
Börse, die er schon seit mehreren Tagen nur des Anstandes
wegen in der Tasche nachtrug, mit düsteren Mienen, die noch
düsterer wurden, als sein Bedienter in's Zimmer trat und Geld
verlangte. Der Baron erfaßte die mit Nichts angeschwellte
Börse und als er hineingriff, passirte ihm etwas, das ihn nicht
im mindesten überraschte, nämlich, daß er auch nicht den Schat-
ten einer Münze darin fand. Er ließ sein Auge lange im
Zimmer Herumschweifen, um zu sehen, was er bis jetzt noch
nicht verkauft hatte: da fiel sein Blick auf das prachtvolle Sopha-
kissen, das ihm vor einigen Wochen von Julia geschenkt wurde.
Er gab es ohne weitere Worte dem Bedienten, in deffen hohlen
Backen der Hunger bis über die Kniee eingesunken war. Dieser
verstand seinen Herrn, wickelte das Kissen in ein verwaschenes
Schnupftuch, vertröstete seinen desparaten Magen auf die nächste
Stunde und ging in einen Stickwaaren-Laden.

(Schluß folgt.)

3
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Familienglück"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Stiefel
Diener <Motiv>
Sessel
Bitte <Motiv>
Bett <Motiv>
Karikatur
Baron
Stiefelknecht
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 14.1851, Nr. 315, S. 19

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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