Aus dem Briefsacke des P
richt über Euere deutsche Bewegungen hatte, und doch zuckte
mir, wunderbarer Weise bei dem Brande der Gedanke an
eine „deutsche Republik" durch die Seele.
Willst Du übrigens wissen, was der Amerikaner von den
„deutschen Republikanern" hält, die in ihren deutschen Blät-
tern hier immer von Freiheit und Selbstständigkeit, von deut-
scher Treue und Hochherzigkeit prahlen? — er braucht ihren
Namen als Schimpfwort, und besonders ist das hier in Cin-
cinnati, wo es viele Tausende von ihnen gibt, der Fall. Das
Wort „dutcliman“ was Deutscher heißen soll, obgleich es ur-
sprünglich einen Holländer bezeichnet, dient zum wirklichen
Schimpfwort „you shall call me a dutcliman“ Du sollst
mich einen Deutschen nennen — ist die empörende Versicher-
ung, die ich hier nur zu oft hören mußte Ixe flg-hts like a
dutcliman wird von Einem gesagt, der bei einer Aussicht auf
Kampf die Flucht ergreift, und sich nur schlägt, wenn er in
einer Ecke eingeklemmt ist. Black dutch ist ein Schimpfwort,
das den Deutschen mit der verachtetsten Race, mit dem Reger,
in eine Kategorie wirft. Doch genug davon, wenn ich sehe,
wie meine Landsleute in dem Lande der Freiheit verachtet
sind, verachtet von Republikanern doch —
„wollt' ich sie alle zusammenschmeißen
ich könnt' sie doch nicht — Lügner heißen."
Zürne mir nicht, ivenn meine Worte vielleicht etwas bitter
klingen; mir ists nicht gut gegangen seit ich dies Land be-
treten, und ich habe in mancher Hinsicht Unglück gehabt. Gleich
im Anfang betrog mich ein Amerikaner, der mich anscheinend
ganz freundschaftlich und uneigennützig aufnahm, um Alles, was
ich besaß, indem er mich zum Kauf eines ganz werthlosen
Gutes verleitete, auf das er noch nicht einmal gegründete An-
sprüche hatte; ich fiel einem Advokaten in die Hände und sah
mich nach wenigen Monaten arm wie eine Kirchenmaus in
dem fremden Lande. Der englischen Sprache vollkommen
mächtig, wollte ich mich denn mit literarischen Arbeiten be-
schäftigen. Deutsche wie Amerikanische Zeitungen erwiesen
sich auch gleich bereitwillig, meine Artikel abzudrucken, aber
— an Honorar war nicht zu denken.
Als Advokat aufzutreten, getraute ich mich nicht — bei der
Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens glaubte
ich nicht der Aussprache und Rede so mächtig zu sein, einiger-
maßen mein Glück zu machen — wohl rieth man mir dagegen
nur dreist und geradezu in der Mcdicin zu praktiziren, doch
dazu besaß ich, bei meinen mittelmäßigen Fähigkeiten nicht
Frechheit genug — was blieb mir übrig? — Handarbeit.
Aber auch darin zeigten sich anscheinend unüberwindliche
Schwierigkeiten — die meiste Arbeit, die hier verlangt wird,
ist mit der Axt — mein Arm war darin ungeübt — was
anders sollte ich ergreifen? so wurde ich denn — Du lächelst
sicherlich wenn Du die Zeilen liest — Feuermann oder Heizer
auf einem der Mississippi-Dampfboote.
Erlaß mir die Beschreibung dessen, was ich darauf er-
litten, mit schmutzigen Negern mußte ich fast unmittelbar Mahl
und Lager theilen, der rauhen Behandlung der Ingenieure j
aquetschiffes „Seeschlange." 155
ausgesetzt, auf die Willkür des Capitains angewiesen, der uns
in New Orleans, eine halbe Stunde vorher ehe er abfuhr in
kaum halbwerthigen Banknoten den sauer verdienten Lohn
auszahlte. —
Ich ging allerdings ivieder auf ein anderes Boot, wurde
aber krank und liege nun jetzt hier in Cincinnati in einem
erbärmlichen deutschen Boardinghause. Komm ich wieder zu
Kräften, seh ich mich nach neuer Arbeit um, jedenfalls aber
schreib mir recht bald, mein theuerer Theodor — Du glaubst
nicht, ivie ich mich nach einem Brief aus der theueren Hei- \
mach sehne. Es grüßt und küßt Dich tausendmal Dein
Larl von Hornrck.
I'. 8. Eben wie ich schreibe, entsteht unten ans der Straße !
ein Scandal — die liebe Jugend hatte in tollem Muthwillen
Stroh und Heu mitten in Sycamore Street aufgehäuft und :
angebrannt, so daß aus den entfernteren Theilen der Stadt
schon die Spritzen herbeikamen. Nein, was diese Amerikanische
Jugend für eine Brut ist, davon kann sich, weiß es Gott, ;
kein Ausländer einen Begriff machen.
Zweiter «rief.
Aus dem Staat Wisconsin am 14. August 1848.
Lieber Vetter!
Äls ich Dir vor so und so viel Monaten vom Staat New
Jork aus schrieb, da war mir's recht häßlich und trüb zu Sinn
— Alles ging contrair, Alles war anders wie ich es mir ge-
dacht, Alles anders wie ich es bis dahin gewohnt gewesen,
und die ganze Welt sah mir deshalb schwarz und düster aus.
Es ist auch wirklich gar ein böses Ding uin die lockenden Be-
schreibungen, die uns Alles mit überbunten Farben ausmalen;
die Einbildungskraft thut dann auch noch das ihrige, und fin-
det man nachher nicht wirklich auch jede Kleinigkeit wie man
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richt über Euere deutsche Bewegungen hatte, und doch zuckte
mir, wunderbarer Weise bei dem Brande der Gedanke an
eine „deutsche Republik" durch die Seele.
Willst Du übrigens wissen, was der Amerikaner von den
„deutschen Republikanern" hält, die in ihren deutschen Blät-
tern hier immer von Freiheit und Selbstständigkeit, von deut-
scher Treue und Hochherzigkeit prahlen? — er braucht ihren
Namen als Schimpfwort, und besonders ist das hier in Cin-
cinnati, wo es viele Tausende von ihnen gibt, der Fall. Das
Wort „dutcliman“ was Deutscher heißen soll, obgleich es ur-
sprünglich einen Holländer bezeichnet, dient zum wirklichen
Schimpfwort „you shall call me a dutcliman“ Du sollst
mich einen Deutschen nennen — ist die empörende Versicher-
ung, die ich hier nur zu oft hören mußte Ixe flg-hts like a
dutcliman wird von Einem gesagt, der bei einer Aussicht auf
Kampf die Flucht ergreift, und sich nur schlägt, wenn er in
einer Ecke eingeklemmt ist. Black dutch ist ein Schimpfwort,
das den Deutschen mit der verachtetsten Race, mit dem Reger,
in eine Kategorie wirft. Doch genug davon, wenn ich sehe,
wie meine Landsleute in dem Lande der Freiheit verachtet
sind, verachtet von Republikanern doch —
„wollt' ich sie alle zusammenschmeißen
ich könnt' sie doch nicht — Lügner heißen."
Zürne mir nicht, ivenn meine Worte vielleicht etwas bitter
klingen; mir ists nicht gut gegangen seit ich dies Land be-
treten, und ich habe in mancher Hinsicht Unglück gehabt. Gleich
im Anfang betrog mich ein Amerikaner, der mich anscheinend
ganz freundschaftlich und uneigennützig aufnahm, um Alles, was
ich besaß, indem er mich zum Kauf eines ganz werthlosen
Gutes verleitete, auf das er noch nicht einmal gegründete An-
sprüche hatte; ich fiel einem Advokaten in die Hände und sah
mich nach wenigen Monaten arm wie eine Kirchenmaus in
dem fremden Lande. Der englischen Sprache vollkommen
mächtig, wollte ich mich denn mit literarischen Arbeiten be-
schäftigen. Deutsche wie Amerikanische Zeitungen erwiesen
sich auch gleich bereitwillig, meine Artikel abzudrucken, aber
— an Honorar war nicht zu denken.
Als Advokat aufzutreten, getraute ich mich nicht — bei der
Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens glaubte
ich nicht der Aussprache und Rede so mächtig zu sein, einiger-
maßen mein Glück zu machen — wohl rieth man mir dagegen
nur dreist und geradezu in der Mcdicin zu praktiziren, doch
dazu besaß ich, bei meinen mittelmäßigen Fähigkeiten nicht
Frechheit genug — was blieb mir übrig? — Handarbeit.
Aber auch darin zeigten sich anscheinend unüberwindliche
Schwierigkeiten — die meiste Arbeit, die hier verlangt wird,
ist mit der Axt — mein Arm war darin ungeübt — was
anders sollte ich ergreifen? so wurde ich denn — Du lächelst
sicherlich wenn Du die Zeilen liest — Feuermann oder Heizer
auf einem der Mississippi-Dampfboote.
Erlaß mir die Beschreibung dessen, was ich darauf er-
litten, mit schmutzigen Negern mußte ich fast unmittelbar Mahl
und Lager theilen, der rauhen Behandlung der Ingenieure j
aquetschiffes „Seeschlange." 155
ausgesetzt, auf die Willkür des Capitains angewiesen, der uns
in New Orleans, eine halbe Stunde vorher ehe er abfuhr in
kaum halbwerthigen Banknoten den sauer verdienten Lohn
auszahlte. —
Ich ging allerdings ivieder auf ein anderes Boot, wurde
aber krank und liege nun jetzt hier in Cincinnati in einem
erbärmlichen deutschen Boardinghause. Komm ich wieder zu
Kräften, seh ich mich nach neuer Arbeit um, jedenfalls aber
schreib mir recht bald, mein theuerer Theodor — Du glaubst
nicht, ivie ich mich nach einem Brief aus der theueren Hei- \
mach sehne. Es grüßt und küßt Dich tausendmal Dein
Larl von Hornrck.
I'. 8. Eben wie ich schreibe, entsteht unten ans der Straße !
ein Scandal — die liebe Jugend hatte in tollem Muthwillen
Stroh und Heu mitten in Sycamore Street aufgehäuft und :
angebrannt, so daß aus den entfernteren Theilen der Stadt
schon die Spritzen herbeikamen. Nein, was diese Amerikanische
Jugend für eine Brut ist, davon kann sich, weiß es Gott, ;
kein Ausländer einen Begriff machen.
Zweiter «rief.
Aus dem Staat Wisconsin am 14. August 1848.
Lieber Vetter!
Äls ich Dir vor so und so viel Monaten vom Staat New
Jork aus schrieb, da war mir's recht häßlich und trüb zu Sinn
— Alles ging contrair, Alles war anders wie ich es mir ge-
dacht, Alles anders wie ich es bis dahin gewohnt gewesen,
und die ganze Welt sah mir deshalb schwarz und düster aus.
Es ist auch wirklich gar ein böses Ding uin die lockenden Be-
schreibungen, die uns Alles mit überbunten Farben ausmalen;
die Einbildungskraft thut dann auch noch das ihrige, und fin-
det man nachher nicht wirklich auch jede Kleinigkeit wie man
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Aus dem Briefsacke des Paquetschiffes "Seeschlange""
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 14.1851, Nr. 332, S. 155
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg