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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 12.1889

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Lützow, Carl von: Die Kunst in Wien unter der Regierung seiner kaiserlich königlich apostolischen Majestät Franz Joseph I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.3330#0035
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Gemach, ein Schuster oder Schmied bei ihrer schmutzigen, russigen Arbeit, der Blick in ein enges
Gässchen oder auf Ziegeldächer und Schornsteine: man kann sich stofslich nichts Alltäglicheres
denken! Und gerade daraus zieht unser Meister seine entzückendste Poesie, gerade damit weiss er
das empfindende Auge am zartesten zu berühren und zu erquicken. — (Charaktervolle Gruppen
anerkannter Talente hellen sseh ihm zur Seite, wirken auf angrenzenden und ferner liegenden
Gebieten, vorwiegend mit eoloristischer Tendenz. — Hier muss vor Allem Leopold Carl Müller
genannt werden, der geistvolle Zeichner und Charakteristiker, dessen Thätigkeit früher in Bildern
und Illustrationcn dem heimischen Stoffkreise gewidmet war, während er sseh neuerdings ganz
dem farbenhellen Orient, vornehmlich der ägyptischen Welt mit ihrem bunten Völkergewimmel
und ihrer Denkmälerpracht zugewendet hat. Er übt auch als Lehrer eine lehr fruchtbare Wirksam-
keit; P. Jovanowits, Rud. Bacher, Hans Tichy und Johann V. Krämer zählen zu seinen begabtesten
Schülern. — Als geborener Wiener gehört ferner Ludwig Passini, der berühmte Aquarellist, an diese
Stelle, wenngleich er in Stoffen und Stil vollständig zum Italiener geworden ist. Seine Scenen und
Charaktertypen aus der Lagunenstadt, aus Rom, von der Küste des adriatischen Meeres enthüllen
uns eine tiefe Kenntniss der italienischen Volksnatur, ihrer Schwächen und Leidenschaften. Darüber
ist ein farbiger Glanz, ein Schönheitszauber ausgebreitet, welche manchen dieser kostbaren Blätter
ein classisches Gepräge verleiht. — Ein lehr ansprechendes Talent verwandter, aber vorwiegend auf
das Liebliche, Gefällige und Reizende hinzielender Tendenz bekundet Eugen von Blaas in seinen
farbenfrischen, schön gezeichneten venetianischen Genrebildern. — Auch Franz Rüben hat manches
Hübsche, bisweilen mit historischem Hintergrund und Costüm, der gleichen Sphäre abgewonnen. -
Derberen Schlages und auf breiterer Kenntniss der südlichen Länder und ihrer Bewohner erwachsen
sind die farbigen Bilder Alois Schönn's aus dem orientalischen und italienischen Volksleben.
Die Schlachten- und Soldatenmalerei führt uns naturgemäss auf den heimischen Boden zurück.
Hier steht Sigmund 1'AHemand, der Neffe und Schüler seines 1866 verstorbenen Oheims Fritz
FAllemand, als der tüchtigste Vertreter des gegenwärtig allerdings nur schwach besetzten Faches
da. Die nämlichen Eigenschaften, welche ihn als Porträtmaler auszeichnen, der feine Sinn für das
Individuelle und geschichtlich Bedeutsame, verleihen auch seinen Schlachtenbildern und Parade-
seenen ihren bleibenden Werth. In den malerisch gelungensten seiner Werke, vornehmlich in der
1867 vollendeten »Schlacht bei Kollin«, geseilte sich dazu ein feiner eoloristischer Reiz. — Durch
seine flotten, lebensvoll bewegten Kriegsbilder und Zeichnungen hat ferner Joseph Anton Strass-
gschwandtner sich eine grosse Beliebtheit errungen. — Auch Bensa, Berres, Ajdukiewicz, A. v. Maly,
Ottenfeld, Breidwieser, v. Myrbach u. A. traten auf den verschiedenen Gebieten der Soldatenmalerei
mit achtungswerthen Leistungen hervor.
Die friedliche und bürgerliche Hälfte des Gesellschaftslebens beschäftigt untere Künstler selbst-
verständlich in weit intensiverer und mannigfaltigerer Weise. Man wollte (ich lange nicht begnügen
mit der einfachen Schilderung des Xächstliegenden und Natürlichen, wie es die Grundrichtung des
unvergleichlichen Ferdinand Waldmüller (-|- 1865) war. Novellistische oder lyrische Motive sollten
der Darsteilung einen seelischen Reiz, ein tieferes mensehliches Interesfe verleihen. So in den
»Ereilten Flüchtlingen« des allzu früh uns entrissenen Eduard Kurzbauer, der namentlich als
coloristisches Talent die meisten seiner einheimischen Zeitgenossen überragte. Auch ein besonders
feines Eingehen in den Apparat der Umgebung, in Tracht und Geräth, in historische Reminiscenzen
und Moderichtungen musste dazu dienen, die kleine Welt der Genremalerei gefälliger und pikanter
zu gehalten. Die reizenden Bildchen aus der Kinderwclt, aus dem Boudoir, aus dem poesiedurch-
hauchten Minneleben, wie sie Franz Rumpier und die Gebrüder Ed. und H. Charlemont, R. Geyling,
 
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