Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Albert Haueisen, »Badisches Landstädtchen«. Nach der farbigen Originallithographie aus R. Voigtländers Deutschen Künstler-Steinzeichnungen.

Bei der Einschätzung unserer heutigen Zustände in ihrer Wirkung auf die Kunst tritt immer
die Frage in den Vordergrund, ob wir uns in einer Yerfallzeit befinden oder ob wir einer neuen
Blütezeit, dem großen Stil, entgegen gehen. Die Antwort lautet zumeist sehr pessimistisch.
Namentlich diejenigen, die unsere Zeit an vergangenen Epochen messen, verneinen die Wahr-
scheinlichkeit einer Aufwärtsbewegung durchaus : es sei unmöglich, daß aus dem stillosen Wirr-
warr der heutigen Kultur eine große Kunst erblühe. Das wäre also ein richtiges Todesurteil aus
allgemeinen Betrachtungen heraus. Glücklicherweise fehlen aber jene besonderen Momente nicht,
die den Betrachter zögern lassen, das Todesurteil unbedingt zu unterschreiben. Zu einer Verfall-
zeit gehört wohl ein Zweites, die Erschlaffung innerhalb der Künstlerschaft selbst, das satte
Beharren auf einer glücklich gefundenen Formel. Wenn in den Künstlern der Durst nach eigener
Erfahrung und eigener Gestaltung erlischt, wenn ein großes Vorbild das allein Maßgebende wird,
das nachzuahmen sie sich alle bemühen, dann entsteht allerdings jene Kunst, die in der dumpfen
Luft des Ateliers erstickt. So weit sind wir aber noch nicht. »Sieht man sich unter der jungen
Künstlerschaft um, dann macht man die freudige Erfahrung, daß sie des eigenen »Suchens in der
Xatur noch nicht überdrüssig ist, daß sie sich nicht mit den bequemen Erfolgen der Nachahmung

ALBERT

75
 
Annotationen