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ADOLF ZD RAS ILA.

»Ich bin im Jahre 1868 in Poruba (Österr.
Schlesien) geboren. Mein Vater war Schneider, hat
einige Jahre in Italien geweilt, wo er gerne die Kunst-
werk e betrachtete, er hat uns Kindern immer von all
diesen schönen Dingen in Italien erzählt und er kann
es nur gewesen sein, der in mir die Liebe zur Kunst
geweckt hat, denn ich hatte sonst absolut keine
Gelegenheit dazu in unserem Dorfe. Ganz nahe beim
Hause war ein grüner Froschteich mit einer großen
Linde am Ufer. Dieser Teich war für mich der Inbe-
Nach einem originai-iioizschnitt von Adolf zdrasiia. griff aller Seen, sogar ein Meer stellte ich mir dabei

vor. Die Linde wurde gefällt und der Stamm lag jahre-
lang, von der Rinde entblößt, weiß, am Ufer des Froschteiches. An diesem Stamme lag ich täglich
und zeichnete mit einem Bleistift alles, was ich um mich sah und was ich mir erdacht habe.
Schließlich war der Stamm ganz bedeckt mit meinen Zeichnungen, so daß kein Plätzchen mehr frei
war. Dieser Stamm lag noch an seinem Platze, als ich bereits meine ersten Studien in Wien
begonnen hatte, bis er schließlich auf Bretter zerschnitten wurde. Später kopierte ich Heiligenbilder,
die ich in den Bauernstuben vorfand. Die Farben bereitete ich mir selbst aus verschiedenen
Pflanzen, bis mir der Vater zu meiner großen Freude einen Farbenkasten aus der Stadt (Mährisch-
Ostrau) mitgebracht. Dort war ein Stubenmaler, der auch Heiligenbilder malte, dieser hatte von
mir gehört und nahm mich in die Lehre, was mich anfangs ungemein erfreute, doch fand ich bei
ihm nicht das, wovon ich so viel träumte, aber viel Praktisches habe ich mir dort angeeignet. Als
meine Lehrzeit (4 Jahre) zu Fnde war, reiste ich auf eigene Faust nach Wien, wo ich zuerst eine
Zeichenschule besuchte und später die Akademie bezog.«

Ich habe diese kurzen Angaben, die mir mein Freund Zdrasiia gab, zitiert, weil sie sehr viel
von des Künstlers Wesen sagen. Der schwere stille Mensch hatte und hat recht viel Autoritäts-
glauben, überhaupt viel Glauben und so ergriff er mit seiner ganzen Art das Neue, an das er heran-
trat. Er wurde ein guter, treuer und tüchtiger Schüler von Lichtenfels. Sie zogen hinaus in allerlei
malerische und interessante Gegenden und malten schöne Landschaftsbilder. Daneben arbeitete
der frühere Anstreicherlehrling an seiner allgemeinen Kultur, er las viel und tiefgehend und er
las originell, das Neue organisch aufnehmend. Es hat mich gar nicht gewundert, daß er Homer
sehr liebt, Goethes Lyrik und Gottfried Keller. Das Kosmische in Böcklins Bildern war ihm etwas
Heiliges, Großes. Zdrasiia hat von jeher viel gedacht, so gab ihm denn auch die erste Wiener
Sezessionsausstellung viel Probleme. Ungefähr gleichzeitig bekam er das große Staatsstipendium,
ursprünglich auf zwei Jahre, dann infolge seines Abfalles von der alleinseligmachenden schönen
Sonntagnachmittagslandschaft nur auf ein Jahr. Er kam nach Karlsruhe zu Kalckreuth, Kallmorgen

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