Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KARL SIMON / HANS DÜRER

Hans Dürer hat vor einigen Jahren die Forschung mehrfach beschäftigt1, und Fr. Winkler
hat sie in einem letzten wertvollen Aufsatz abschließen zu sollen geglaubt. Trotzdem ist aber
doch vielleicht nicht alles völlig klar und läßt sich wohl sogar einiges Neue sagen.

I. Der Heller-Altar

Bezüglich der Flügel des Heller-Altars ist Weizsäcker2 in seiner sorgfältig abwägenden
Weise entschieden für Hans Dürer als mitverantwortlichen Künstler eingetreten, und i. g.
scheint die Forschung sich dieser Anschauung zuzuneigen. Auch Flechsig3 meint, daß Dürer
die beiden Flügel nach seinen Entwürfen hat malen lassen (wohl mit Ausnahme der Bildnisse
des Hellerschen Ehepaares), „und zwar durch seinen Bruder Hans, der dafür von Heller am
Schluß ein Trinkgeld von zwei Gulden bekommt (Herbst 1509)".

Man hat schon früher mit Recht gesagt, das habe auch geschehen können als Dank etwa
für den Transport oder für die Aufstellung u. a. m. Immerhin bleibt bestehen, daß er der
einzige Künstler ist, der neben seinem Bruder als am Altar irgendwie beteiligt genannt wird.
Bedenken gegen seine Mitarbeiterschaft könnte vielleicht seine große Jugend erwecken — war
er doch erst 1490 geboren. Aber seit 1502, dem Todesjahr des Vaters, war er zu seinem Bruder
Albrecht ins Haus gekommen und von ihm in der Malerei unterrichtet worden. In dieser
gewiß guten und strengen Schule war er vielleicht schon so weit gefördert worden, daß im
Sommer 1505, als Albrecht nach Venedig ging, seine Lehrzeit als abgeschlossen gelten konnte.
Gern hätte dieser ihn mit nach der Lagunenstadt genommen — „wär mir und ihm nütz
gewest" — , unterließ es aber auf Wunsch der Mutter, die Besorgnisse um ihren Jungen hatte.
Mehrfach aber bittet er Pirkheimer von Venedig aus, er möge dafür sorgen, daß Hans zu
Wolgemut oder einem anderen Maler komme, damit er dort arbeite und „nit erfawll". Dem-
nach muß er ihn für fähig gehalten haben, einem Maler zur Hand zu gehen. Ob dieser Plan
zur Ausführung gekommen, wissen wir nicht, aber daß Dürer seinen Bruder nach seiner Rück-
kehr wieder in seiner Werkstatt beschäftigte, wäre durchaus naheliegend gewesen. Daß Albrecht
nur das Mittelbild des Heller-Altars eigenhändig vollendet hat, geht aus seinen Briefen an
Heller eindeutig hervor.

Die Darstellungen auf den Flügeln im Ganzen werden auf ihn zurückgehen, aber in Einzel-
heiten scheint er seinem Mitarbeiter — wer immer dies gewesen sein mag — freiere Hand
gelassen haben. Und solche Eigenheiten, die kaum ihm selbst werden zugeschrieben werden
können, finden sich nun tatsächlich auf den Flügeln.

Befremdlich für Albrecht würde z. B. schon sein die gleichzeitige Darstellung von zeitlich
einander folgenden Momenten der Erzählung: auf der einen Tafel wird im Hintergrunde der
Transport der Leiche des Jacobus dargestellt, der im Vordergrunde eben erst das Martyrium
erleidet. Und auf dem anderen Flügel wird entsprechend im Hintergrunde der Leichnam der
hl. Katharina von Engeln zur Ruhe gebettet, die im Vordergrunde soeben erst den tödlichen
Streich empfangen soll. Das ist eine altertümliche Gewohnheit, die auf Albrecht Dürers
Gemälden — und soviel ich sehe, auch in seinem graphischen Werk — nicht mehr begegnet4.

1 Beenken, Hans Dürer. Jahrb. d. Pr. Kunsts. 56.1935. — Fr. Winkler, Hans Dürer. Ein Nachwort. Ebd. 1936.

2 Die Kunstschätze des ehem. Dominikanerklosters in Frankfurt a. M. München 1923. S. 185 f.

3 Albrecht Dürer. I. Berlin 1928. S. 408.

4 Das einzige Mal, daß Dürer mehrere zeitlich auseinanderliegende Szenen auf e i n e m Bilde bringt, begegnet,
soviel ich sehe, auf dem Entwurf für die Fugger-Denkmäler in Augsburg von 1510; im Vordergrunde erscheint
Simson im Kampf mit den Philistern, im Hintergrunde im Kampf mit dem Löwen und weiterhin mit den Toren

16
 
Annotationen