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I. ALLGEMEINER TEIL

1. DAS WESEN DES LANDSCHAFTSGARTENS

DAS FORMPROBLEM

Sobald man es unternimmt, die Stilentwicklung der Gartenkunst mit der-
jenigen der übrigen Künste in Parallele zu setzen, stößt man auf folgende
befremdende Tatsache: Im Barock, der in Architektur, Plastik und Malerei
den malerischen Stil hervorbringt und zu seiner letzten Konsequenz ent-
wickelt, bleibt die Gartenkunst an eine strenge, architektonisch-lineare Ge-
setzlichkeit gebunden. Sie bleibt plastisch faßbar. Im Klassizismus dagegen,
der in den bildenden Künsten immer eindringlicher zum Linearen, zum
plastischen Ideal zurückstrebt, löst sich die Form des Gartens auf. Sie wird
malerisch verschwommen, unfaßbar. Diese Diskrepanz zwischen Gartenstil
und Kunststil besteht eigentümlicherweise während der ganzen zweihundert-
jährigen. Geschichte des Barockstils, überträgt sich in umgekehrter Fassung
auf den Klassizismus und bleibt spürbar bis zum Ende eines einheitlichen
europäischen Stilwillens überhaupt.

Es fragt sich, ob man diesen Widerspruch für scheinbar oder für tatsäch-
lich bestehend zu halten hat. Wölfflin befaßt sich mit diesem Problem im
Frühbarock: „Es mag wunderbar erscheinen, daß der ,malerische' Stil das
am meisten malerische Objekt, die Landschaft, am entschiedensten archi-
tektonischer Gesetzlichkeit unterwirft. Das Wunder ist aber nur scheinbar.
Der Barock stilisierte die Natur, um ihr die große Haltung und gemessene
Würde zugeben, wie sie jenes Zeitalter verlangte1)." Dieser seelische An-
trieb ist bei der Gestaltung barocker Gärten ohne Frage wirksam gewesen,
im Frühbarock ebenso wie im Zeitalter Ludwigs XIV., dessen Geselligkeit
in größerem Troß und in rascherem Tempo das Parkgebiet belebt. In allein

i) H. Wölfflin: Renaissance und Barock, 4. Aufl., München 1926, S. 166.

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