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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 3.1885

DOI Artikel:
Engerth, Eduard von: Über die im kunsthistorischen Museum neu zur Aufstellung gelangenden Gemälde, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5882#0107
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Ueher die im kunsthistorischcn Museum neu zur Aufstellung gelangenden Gemälde.

87

Noch ein Bild mag hier angefügt werden, welches geeignet ist Interesse zu erregen, obwohl es nicht
zu den Werken ersten Ranges gezählt werden kann. Es ist das

Bildniss einer deutschen Frau

von

Bartholomäus de Bruyn.(?)

Es zeigt eine reich und geschmackvoll, etwas matronenhaft gekleidete Frau in mittleren Jahren, an
einem Tische stehend, auf welchen sie die linke Hand auflegt. Sie wendet im Dreiviertelprofil dem Be-
schauer die linke Seite zu und sieht mit müdem Blicke gerade vor sich hin. Das dunkle braune Auge
contrastirt mit dem blassen, nicht eben hübschen, aber sympathischen Gesichte von melancholischem Aus-
drucke, welches fein gezeichnet und modellirt ist. Eine gelbliche Haube, reich mit schwarzer feiner Stickerei
geziert, deckt nicht nur alles Haar und die Ohren, sie fällt auch über die Stirne bis auf die Augenbrauen
nieder. Aus einem violettbraunen Ueberwurf mit breit ausgeschlagenem dunklen Pelz treten gelbe Aermel
hervor, welche am Oberarm weit, am Unterarme knapp, mit zwei schwarzen breiten Streifen unter dem
Ellbogen und an der Hand geziert sind. Ein weisses fein gefälteltes Hemd schliesst hoch am Halse mit
einer mit schwarzem Muster gezierten Krause, durch ein Goldschnürchen zusammengehalten; eine doppelte
feine Goldkette mit einem Schmuckstück liegt über demselben. Die Frau hält mit der rechten Hand, deren
kleiner Finger mit einem Ringe geschmückt ist, den Pelzkragen am Leibe zusammen und trägt auf dem
Vorderarme einen kleinen grünen Papagei, der sich nach einer auf dem Tische liegenden Weintraube um-
sieht; die Linke, auf dem Tische ruhende Hand, mit zwei Ringen am Zeigefinger und einem am Gold-
finger, hält eine Birne. Einer der Ringe enthält ein Wappenschild: zwei blaue Querbalken im goldenen
Felde. Der Hintergrund von mittlerer Tiefe des Tones ist gleichmässig grau.

In der Ecke rechts unten sind mit weisser Farbe die Nummern 78 und 5 hingeschrieben, was auf
den Aufenthalt des Bildes in der Stallburg hinweist, doch kommt es in dem gemalten Inventare des Ferdi-
nand Storffer nicht vor.

Das Bild ist auf Holz gemalt, 85 Ctm. hoch, 66 Ctm. breit, es zeigt die halbe Figur lebensgross.

Die Zeichnung ist correct und fein, mit der Eigenheit, wie sie oft bei Kleinmalern vorkommt, wenn
sie ausnahmsweise lebensgross malen, dass die Grössenverhältnisse nicht recht festgehalten sind. Die Ge-
sichtstheile sind am grössten, die Hände am kleinsten gegeben. Doch ist dieser Fehler keineswegs sehr
auffällig oder störend. Die Farbe ist abgedämpft, aber sehr wahf und harmonisch, die Behandlung pastös
und die Durchbildung sehr ins Detail gehend und sorgfältig. Das Bild zeigt in Allem die Zeit und auch
viel von der Art des Holbein des Jüngeren, mit Ausnahme der Behandlung der Schmucksachen, welche
hier nicht wie bei jenem mit Gold, sondern nur mit Farbe gemalt sind.

Die Frage nach dem Autor dieses fein empfundenen Bildes gibt zugleich ein Räthsel zu lösen. Am
nächsten steht diesem Werke Bartholomäus de Bruyn, aber es ist für diesen Meister fast zu breit gemalt.
Auch die Lebensgrösse ist bei Bruyn befremdlich, wenn auch nicht eben ausgeschlossen.

Auch die Frage nach seiner Herkunft findet keine befriedigende Antwort. In den alten Inventaren
ist es nicht sicher zu stellen, es kommt erst in diesem Jahrhundert im Depot des Belvedere vor, mit der
Zuweisung in Holbeins Schule. Es ist aber ein Meisterwerk voll Selbstständigkeit.

Wir schliessen diesen Bericht über neu einzureihende Gemälde nicht ohne den Vorbehalt, auf den-
selben zurückzukommen, sobald die Neuaufstellung der kaiserlichen Galerie im neuen Museum durch-
geführt sein wird.
 
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