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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 12.1891

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Abhandlungen
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Boeheim, Wendelin: Augsburger Waffenschmiede, ihre Werke und ihre Beziehungen zum kaiserlichen und zu anderen Höfen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5903#0236
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Augsburger Waffenschmiede.

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Räthselhaft muss uns ein in Kupfer getriebener Rundschild in der kaiserlichen Waffensammlung
zu Tsarskoe-Selo erscheinen, der sich in der Zeichnung der Reliefs und in der Ausführung ganz an
die Arbeiten des Desiderius anschUesst, ja in seiner Mitte eine Wiederholungeines der Medaillons am
beschriebenen Schilde der Armeria zu Madrid (alte Inventarnummer 557), und zwar die Darstellung
des Friedens bringt. Aber unterhalb dieser lesen wir die Inschrift: »ROMA ■ MDLVI • B • C«.

In Tsarskoe-Selo hält man diesen Schild, vielleicht durch diese Inschrift irregeführt, für ein ita-
lienisches Werk, was er gewiss nicht ist; ungeachtet dieser Ueberzeugung werden wir nicht klüger. Das
angegebene Jahr 1556 kann in die Lebensperiode des Meisters fallen; was sollen aber die Chiffren B-C?

Dass Desiderius mit den Italienern leidenschaftlich rivalisirt, dass er den Stil ihrer Werke, ihre
Technik nachzuahmen versucht, dafür haben wir die vollsten Beweise erbracht; dass er aber ein Werk
wirklich aus Rom datirt haben sollte, das ist kaum glaubwürdig und, dass er bei seinem wahrnehm-
baren selbstbewussten Streben nach Ruhm durch Veränderung seiner Namenschiffren den Beschauer
irregeführt haben sollte, das scheint uns aus inneren Gründen nicht annehmbar.

Eine spätere Literaturquelle, die in der kunsthistorischen Forschung für ansehnlich gilt, darf hier
nicht übergangen werden; es ist die »Kunstgewerb- und Handwerksgeschichte der Reichsstadt Augs-
burg 1779«, deren Autor, Paul von Stetten der Jüngere, den Meister in Beziehung zu einem Kunst-
werke bringt, das kaum mehr unter seine Werke zu zählen sein dürfte. Derselbe bezeichnet (p. 490)
unseren Meister mit voller Richtigkeit als Desiderius Kolmann Helmschmied, lässt ihn 1470 ge-
boren werden, was auf einer Verwechslung mit Koloman beruht, fährt aber dann wörtlich fort:

»Zu Dresden, im königlichen Zwingergarten, war eine Rüstung von Stahl gearbeitet und an
vielen Orten vergoldet für Mann und Pferd, worauf man die Thaten des Herkules erhaben vorgestellet
sähe. Diese wurde unter Churfürst Christian I. in Augsburg, vermuthlich durch Kolmann Helmschmied
gemacht und mit 14000 Thalern bezahlt.« Der Autor citirt hier »Keysslers Reisen« (Hannover 1740,
p. 1082); wir finden in diesem Werke den Harnisch zwar erwähnt aber, ohne dass irgend eine Bemer-
kung über einen Meister angefügt wäre. Die Priorität für die Zuschreibung des Werkes an Desiderius
muss also auf Paul von Stetten lasten bleiben.

Diese Vermuthung Stetten's hat sich zwar in späteren Werken zur Behauptung verdichtet, blieb
aber in anderen, wie in F. A. Frenzel's Führer durch das historische Museum zu Dresden 1850, nicht
unangefochten; ja dort wird der Schild geradezu für ein italienisches Werk gehalten. Stetten's Ver-
muthung hätte nach unseren Forschungsergebnissen nur dann eine Berechtigung, hier mitzuzählen,
wenn wir Desiderius frühestens 1513 geboren sein Hessen; 1543 verzeichnen wir seine früheste uns
bekannte Arbeit; der Meister müsste somit bei Fertigung des obigen Harnisches hoch in den Siebzigern
gestanden sein. Ein seltener Fall der Rüstigkeit, doch ein immerhin möglicher.

Bedeutend weiter spannt sich des Meisters Leben, wenn wir in dem im Schreiben des Anchise
vom März 1520 als »buon maestro« bezeichneten Sohn unseren Desiderius erblicken, der dann wohl
spätestens um 1500 das Licht der Welt erblickt haben müsste. Nun haben aber spätere Untersuchungen
im königlichen Museum zu Dresden dargethan, dass der oberwähnte Harnisch um 1600 entstanden
und im September 1606 durch den Kurfürsten Christian II. von dem bekannten Kunsthändler Hein-
rich Knopf aus Nürnberg zu Schleusingen um 8800 Gulden angekauft wurde. Diese Entdeckung, die
schon in Hettner und Büttner's grossem Photographiewerke1 kurzen Ausdruck findet, wird in dem
neuesten Werke über das historische Museum von dem Director der königlichen Sammlungen im
Museum Johanneum, Dr. Albert Erbstein,2 näher ins Auge gefasst und weitere Vermuthungen über
den Meister daran geknüpft, mit denen wir uns zwar später beschäftigen müssen, die uns aber hier
wenig berühren.

Es ist genug, dass damit die Entstehung des Werkes in eine so späte Zeit gerückt wird, dass wir die
Annahme ausschliessen müssen, Desiderius habe dasselbe in seinem 87., beziehungsweise 100. Lebens-

1 Hettner und Büttner, Photographien von Gegenständen aus dem königl. histor. Museum zu Dresden, DJ. 7

2 Erbstein Albert Dr., Beschreibung des königl. histor. Museums etc. zu Dresden 1889.

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