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I. Kapitel

Einleitung

Im Winter 1 5 1 6 zeichnete Hans Holbein der Jüngere
seine Familie - sich selbst, Bruder und Vater - an den
Rand einer Ausgabe von Erasmus' >Lob der Torheit<
(Abb. i).1 Ambrosius, der ältere Bruder, tritt in der
Rolle des Königs auf, der sich vom jugendlichen Nar-
ren, Hans d.J., beraten läßt. Etwas abseits ist Hans
der Ältere zu sehen. In altmodischem Rock, mit wir-
rem Haar und Bart und gerunzelten Brauen ist er als
Kontrastfigur zum Gecken mit modisch knappem
Wams und kniekurzem Mantel angelegt. Die beiden
jungen Leute, der Herrscher und sein närrischer Rat-
geber, scheinen sich über den Alten auszutauschen,
vielleicht zu amüsieren. Die Ironie von Zeichnung
und Text weiß indessen, daß die Verhältnisse in Welt
und Familie zwar so sein mögen wie gezeigt, daß die
Weisheit aber auf Seiten des verlachten Alten liegt.
Ohne die Figuren schon identifiziert zu haben, hat die
Forschung dasselbe Bild von der Malerfamilie Hol-
bein entworfen und gepflegt. Sie hat Vater und Sohn
als Gegensätze beschrieben und in den Biographien
der Holbein reiche Belege dafür gefunden, im künstle-
rischen Familienerbe die Einheit von Leben und Werk
zu entdecken. Hans Holbein d.Ä., sein Bruder Sig-
mund, ebenfalls Maler, Ambrosius und Hans d.J., ein
Großvater Hans und dessen jüngster Enkel Bruno als
weitere, hinzuerfundene Mitglieder der Familie sowie
die in ausreichender Zahl überlieferten Gemälde,
Graphiken und Zeichnungen aller Holbein erlaubten
es, am Beginn der deutschen Kunstgeschichte das neu-
zeitliche Modell vom Künstlerleben verwirklicht zu
sehen. Die zwei (drei) Generationen Holbein waren
der beste Beleg für die Auffassung, daß das Werk
eines Malers vor allem anderen eines sei: Ausdruck
der individuellen Begabung einer einzelnen Persön-

1. Hans Holbein d.J.: Ein Herrscher und seine Ratgeber,
Randzeichnung zu Erasmus, Eneomium Moriae (Basel,
Öffentliche Kunstsammlung, Kupferstichkabinett)

lichkeit. Dies zu beweisen, eignete sich Hans d.J. bes-
ser als die anderen Holbein. So stand er nicht nur im
Mittelpunkt des Interesses, die Kunstgeschichte ent-
wickelte auch eine eigene Teleologie dieser Familie,
die Leben und Werk des Vaters insbesondere als Vor-
bereitung des Sohnes schätzen ließ.

Dies ist längst gesagt und diente bisher allen mono-
graphischen Darstellungen Holbeins d.Ä. zur Recht-

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