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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 68.1917-1918

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Karlinger, Hans: Töpfer- und Steingutindustrie in Altbayern vor hundert Jahren
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https://doi.org/10.11588/diglit.10300#0038
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Töpfer- und Steingutindustrie in Mbapern
vor hundert Jahren

von Hans Rarlinger

Die geologisch verhältnismäßig günstige Beschaffen-
heit des Bodens in Südbayern, namentlich der
Reichtum an Tonlagern in dem welligen Hügel-
land Niederbayerns und an der Donau brachten
es mit sich, daß das altbayerische Hafnergewerbe
alter Zeit einen guten, nationalökonomisch gedeih-
lichen und kulturgeschichtlich bedeutenden Verlauf
verzeichnen kann, war ja doch das Land vor fünf-
und sechshundert Zähren geradezu typisch gewor-
den in seiner Bauweise als eines der Backstein-
länder. Und keineswegs hatte sich die schon zu
einer richtigen und näheren Untersuchung längst
bedürftigen Industrie entwickelte Ziegelei mit dem
bloßen Herstellen gewöhnlicher Bausteine — dem
„Ziegelschlagen", wie der alte Ausdruck lautet —
begnügt. Im Mittelpunkt der mittelalterlichen
Backsteinerzeugung — Landshut und Umgebung —
hat man schon im (3. Jahrhundert Formsteine mit
Reliefbildern hergestellt, wie einige Reste an Dorf-
kirchen — z. B. die Fabel von Wolf und Kranich
an der Kirche in Niederhummel bei Freising —
beweisen; int und (5. Jahrhundert hat man
Grabplatten mit gemodelten Inschriften, Inschrift-
steine und Formsteine für Gewölbe, wie Rippen
und ganze Fenstermaßwerke in Ton geformt und
gebrannt. So besitzt St. Jodok in Landshut Fenster-
maßwerke in Terrakotta, die Kirche in Berg ob
Landshut ein Epitaph in gebranntem Ton. Und
schließlich dürfen wir wohl auch die bedeutenden
spätgotischen Terrakottafiguren, die in Landshut
und seinem Umkreis um Mitte des (5. Jahrhunderts
auftreten, als ein heimisches Erzeugnis ansehen,
das Hand in Hand mit der kräftig entwickelten In-
dustrie entstand.

Das Hafnergewerbe als solches begegnet uns mit
namhaften Leistungen in Landshut seit dem spä-
teren (5. und besonders im (6. Jahrhundert: mit
den Gfen auf der Trausnitz, die kunstgewerblich zu
dem Besten und in technischer Hinsicht zu dem
Bedeutendsten gehören, was die süddeutsche Haf-
nerei überhaupt geleistet hat. wie weit die tech-
nische Verfeinerung des Betriebes damals durch
Zuzug von außen, etwa Nürnberg, gefördert wurde,
wäre erst noch zu untersuchen*). Sicher ist, daß die

*) Val. David Wassermann, Abhandlung über die
Töpfer und Dsenrnacher von Landshut, München (9(2 (Selbst-
verlag), S. 2g.

in Landshut vereinigte Hafnerzunft in Nieder-
bayern im (6. Jahrhundert nicht nur in ihren Lei-
stungen sondern auch organisatorisch auf der Höhe
stand, wie die Handwerksordnungen beweisen.
Line Mitgliederliste vom Jahre (.645 verzeichnet
Mitglieder von wartenberg, Neumarkt a. Rott,
Dingolfing, Geiselhöring und Erding, umfaßte also
das ganze Gebiet des alten Rentamts Landshut *).
Neben diesem städtischen Gewerbebetrieb, der,
wenn auch nicht auf Landshut beschränkt, so doch
dort seinen Mittelpunkt hatte, und der die kunst-
gewerbliche Seite der Keramik am stärksten pflegte
und förderte, taucht im (6. Jahrhundert in Nieder-
bayern ein Hafnermittelpunkt auf, der rein auf
die industrielle Seite des Betriebes eingestellt war.
Das sind die Hafner am Kröning, einem Hügel-
zug im alten Landgericht Teisbach zwischen Teis-
bach, Frontenhausen, vilsbiburg und Geisen-
hausen^). Das Hafnergewerbe in den Dörfern und
Weilern dieser sehr tonreichen Landschaft ist zwei-
fellos uralt, schon um (560 sagt der bayerische Kar-
tograph Philipp Apian, daß „auf dem Kröning"
die meisten Hafner wohnen, weil sie dort das beste
Material zur Töpferei vorfinden. (6H6 schlossen
sich die Kröninger Hafner zu einer Korporation mit
eigener Zunftordnung zusammen, die namentlich
gegen die Konkurrenz durch den fremden Hausier-
handel scharf Front macht. Ihre Hauptblüte hatte
die Kröninger Hafnerei im späten (8. Jahrhundert,
wo der Absatz im Jahr schätzungsweise bis zu
900000 Stück Geschirr betrug und das Absatzgebiet
sich über Österreich, Tirol und die Schweiz aus-
dehnte. Ein weiter und anscheinend wohl organi-
sierter Export durch Hausierer und fahrende Krämer
leitete neben zwei Iahresmärkten den Vertrieb,
auf den andere, wie die passauer Hafner, gar nicht
gut zu sprechen waren.

was von Kröninger Geschirr erhalten ist oder wohl
auch z. T. als solches angesehen wird, gehört in der
Mehrzahl dem (8. oder frühen (9. Jahrhundert an.
Die ältesten Stücke sind Weihwasserkessel oder Krüge
mit gepreßten Auflagen, die mit dem Model her-
gestellt wurden. Der Stil ist barock: gewundene
Säulen, Palmettenmotive, Perlstäbe umgeben die

x) Ebenda, S. 33.

2) B. Spirkner, Die Kröninger ksasnerei, Niederbaye-
rische Monatsschrift, III (jdassau (9(4), S. ((4 ff.

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