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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Aus dem Leben des Vereins
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Von Büchern und Zeitschriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0036
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Zeit in den verschiedensten Fertigkeiten der Ungelernten
ausdrückte und den Nährboden für das Handwerk bildete. Die
Sprache der menschlichen Hand, die aus jahrhundertealten, oft
primitiven Schöpfungen heute noch anziehend zu uns spricht,
gibt dem handgefertigten Stück etwas, was durch keine, noch so
vollkommene Fabrikarbeit ersetzt werden kann. Die Anregung,
es möchten für kirchliche Zwecke nur handgearbeitete Gegenstände
verwendet werden, war sehr beachtenswert. Der Redner vertrat
schließlidi eingehend die Forderung, die Arbeit der Hand neu
zu beleben und zur Anerkennung zu bringen, wobei er nachwies,
wie gleichlaufend zur Vielgestaltigkeit der deutschen Mundarten
auch jeder deutsche Gau das ihm eigentümliche Gepräge der
Handarbeit habe.

Der Herrenabend am 25. März war der Sammlung aller
jener Mitglieder gewidmet, die, sei es als Leiter unserer großen
kunstgewerblichen Unternehmungen oder in anderen Berufen maß»
gebenden Einfluß auf das Wirtschaftsleben ausüben. Der Zweck
war, dieseMitglieder erneut für unsere Bestrebungen zu gewinnen
und zur Mitarbeit aufzufordern. Der zahlreiche Besuch zeigte,
daß diese Absicht nicht vergeblich war. Herr Leipfinger wies in
Vertretung des verreisten Präsidenten darauf hin, wie sehr das
bayerische Kunstgewerbe bei seinem Wiederaufbau an einem
einmütigen Zusammenarbeiten der gesamten Münchener Quali»
tätsgewerbe auch nach außen hin interessiertsei,wieaber auch ander»
seits die hochwerl ige Arbeit aller Betriebsgrößen auf die Erhaltung
eines tüchtigen I landwerkerstandes angewiesen sei. Die schweren
Schädigungen, die das Münchener Kunsthandwerk durch Darbie»
tungen Unberufener in der Nachkriegszeiterlitten hat unddieMiß»
Stimmung, die gewisse politische Vorgänge gegen uns ins Leben
gerufen haben, fordern zu ihrer Behebung gemeinsame und ein-
mütige Arbeit aller der Kreise, die dazu berufen sind, unsere
Heimat draußen zu vertreten und für sie zu werben. Einem Fest»
spiel des Herrn Hofgoldschmied Heiden, das durch Herrn Oster»
meyer und dessen Freunde zur Aufführung gebracht wurde, folg-
ten humoristische Einzelvorträge aller Art.

Am 1. April wurde das 40 jähr. Dienst jubiläum von Frl.
Klara Oberprieler festlich begangen. Es dürfte heutzutage wohl
zu den allergrößten Seltenheiten gehören, daß eine Angestellte
auf eine so lange Zeit treucrfüllter Pflicht zurückblicken kann. Herr
Leipfinger beglückwünschte die Jubilarin und überreichte ihr im
Namen des Vereins einen goldenen Armreif. Im Namen der
Aussteller feierte sie Herr Heiden und übergab die gesammelte
Ehrenspende, ein Täschchen mit guten alten Goldstücken. Herr
Dr. Danzer sprach namens des Personals und gedachte auch der
langjährigen Kollegin der Gefeierten Frl. Le Feubure. Geh. Rat
von Borscht, der im Jahre 1888 als Regierungskommissjr der
Ausstellung im Kunstgewerbeverein arbeitete und von hier aus
seinen Werdegang zum I, Bürgermeister unserer Stadt begonnen
hatte, gedachte mit persönlichen Glückwünschen der Jubilarin, der
auch Herr Rothmüller ehrende Worte der Erinnerung widmete.
Ein von Herrn Heiden angeführter Festzug überbrachte dann die
zahlreichen Blumen» und eßbaren Geschenke. Es folgte die durdi
das Personal inszenierte Aufführung von Thomas „Brautschau"
und poetische Glückwünsche von Herrn Oberinspektor Gierlinger.
Der Abend veranschaulichte das schöne Verhältnis, das zwischen
der Vereinsleitung und den Angestellten herrscht und mit zu den
besten Überlieferungen des Vereins gehört.

Am 6. Mai wurden nach Abschluß der Gesellenprüfung
33 Lehrlinge freigesprochen. Von den Gesellenstücken bringen
wir vier Abbildungen. Auf die ernsten Mahnungen und aneifern»

den Worte, die Herr Geh. Rat Bestelmeyer bei der Freisprechung
an die Gesellen richtete, antwortete Herr Roth im Namen der
letzteren. Daraufhin nahm dessen Vater, Herr Schriftsteller Her»
mann Roth, das Wort und legte in ungemein erfrischenden Wor»
ten dar, warum er den jüngsten seiner drei Söhne von anfang an
bewußt dem Handwerk zuführte, wie vielerlei Bedenken aus ver»
schiedensten Kreisen er dabei zu hören bekam, daß er aber ent»
gegen all diesen Irrtümern im Handwerkertum einen der schönsten
Lebensberufe erkenne. Es waren Ausführungen, die über den
Rahmen des Abends hinausreichten, wie Herr Roth darlegte, daß
das Handwerk in alten Zeiten weitaus größere Leistungen aus
Eigenem vollbracht hat, daß es durch die Teilung von Entwurf
und Ausführung gelitten und jetzt einen Mangel an völlig durch»
gebildeten Kräften aufweise, der wieder eingeholt werden müsse,
Darauf folgten launige Verse von Herrn Hofgoldschmied Heiden
und Herrn Dr. Roth und weitere humorvolle Darbietungen.

Am 27. Mai ab 5 Uhr nachmittags hält der Verein im Hirsch»
garten in Nymphenburg ein Frühlingsfest mit Tanz ab. Das
Fest findet bei jeder Witterung statt. Der Hirschgarten ist mit
Trambahnlinie 1 (Haltestelle Romanplatz) oder mit Vorortver»
kehr (Haltepunkt Laim) erreichbar.

Nach Rückkehr von der Frankfurter Messe fand am
15. April eine wirtschaftliche Besprechung statt, die in
erster Linie der Mitteilung über die Ergebnisse der beiden Messen
diente. Dir. Dr. Danzer teilte außerdem mit, daß im Sommer der
kommissionsweise Verkauf in einzelnen Badeorten, aber nicht
mehr im bayer. Hochlande, wieder aufgenommen werden soll. Es
werden hiefür nur Erzeugnisse jener Aussteller verwendet, die
sich damit ausdrüdelich einverstanden erklärt haben. Von einer
Beschidiung der Jahresschau deutscher Arbeit in Dresden (heuer:
Textilien) wird abgesehen. Beim Einzelverkauf tritt oft Nachfrage
nach Gegenständen ein, die nicht befriedigt werden kann. Es wer-
den nunmehr hierüber Aufzeichnungen geführt und die Mitglieder
können im Sekretariat davon Kenntnis erhalten. Es sind zahl»
zeiche Gegenstände darunter, die sich gut für eine kunstgewerb»
liehe Bearbeitung eignen, an welche aber meist nicht gedacht wird.
Der Verein gibt jetzt schon bekannt, daß er für die Weihnachts-
zeit eine künstlerische Krippe sucht. Auch wurde erneut daran
erinnert, freiwerdende Stellen sowohl kunstgewerblicher, wie kauf-
männischer Art, dem Sekretariat mitzuteilen.

Besuch der Frühjahrsmessen. Der Kunstgewerbe-Verein
besuchte die beiden Frühjahrsmessen in Leipzig und Frankfurt a. M.
Auf der Leipziger Messe stellte der Verein im Grassi»Museum
aus und zwar in einem Saale des Neubaues, der eine wesentlich
größere Ausdehnung und eine günstigere Aufmachung gestattete.
Der Besuch der Leipziger Messe war ein ungeheuerer. Die Kauf-
lust war rege und wenn die einzelnen Aufträge auch verhältnis-
mäßig gering waren, so war ihre Gesamtzahl doch sehr zufrieden-
stellend. Ende März trat dann erneut eine plötzliche Geldknapp-
heit ein, die sich auf der Frankfurter Messe empfindlich fühlbar
machte und dort den Geschäftsgang außerordentlich einsehnüite.
In Frankfurt war der Kunstgewerbe »Verein wie immer im Vor»
räum zur Geschlechterstube des Römers untergebracht. Im An»
Schluß an den Verein stellten erstmals 18 bayerische Firmen in der
Geschlechterstube selbst aus, so daß in den beiden vornehm aus-
gestalteten Räumen eine geschlossene Schau unseres heimischen
Kunstgewerbes gezeigt werden konnte, die sich nicht nur sehr
lebhaften Besuches erfreute, sondern auch allseitige Bewunderung
fand

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