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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Königfeld, Peter [Bearb.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das holzsichtige Kunstwerk: zur Restaurierung des Münstermann-Altarretabels in Rodenkirchen/Wesermarsch — Hameln: Niemeyer, Heft 26.2002

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Ludwig Münstermann und das Rodenkirchener Altarretabel

der Abendmahlsdarstellung weist Säulen mit compositen Kapitel-
len auf, das Obergeschoß mit der Kreuzigung Hermenpilaster mit
ionischen Kapitellen. Münstermann verwendet die Säulenordnun-
gen nicht nach der klassischen Abfolge der nachvitruvianischen
Säulenordnungen (Tuscana-Dorica-Ionica-Corinthica-Composita),78
sondern verwendet sie als Bedeutungsträger. Die höhere Ordnung
steht neben der wichtigeren Darstellung. Die inhaltliche Betonung
der Austeilung des Abendmahls gegenüber der Heilserwerbung
findet in den ausgewählten Architekturformen die Bestätigung.
Der Altar ist in vielen Bereichen durchbrochen gearbeitet, die
Hintergründe der Szenen in den beiden Hauptgeschossen sind
ebenso geöffnet wie die Bogennischen hinter den (ehemals) vier
Standfiguren, die die Hauptszenen flankier(t)en: Paulus und Mat-
thäus neben dem Abendmahl, Mose und der Täufer (ehemals)
neben der Kreuzigung. Dem Licht, das durch diese Art der Archi-
tekturauflösung ganz gezielt zur Betonung bestimmter Inhalte
eingesetzt wurde, kommt auch im Sinne eines Bedeutungsträgers
ein hoher Stellenwert zu: „Ich bin das Licht der Welt" (Joh 3,19
und 8,12). Licht als Gottesmetapher ist ein bestimmender Gestal-

tungsfaktor besonders für die Altäre Münstermanns geworden.
Der Einfluß seiner theologischen Auftraggeber wird auch darin
deutlich.79 „Licht verleiht dem Materiellen erst Form und Gestalt.
Seit der Ära der neuplatonischen Philosophie wird es verstanden
als ein Ausfluß des Göttlichen zur Welt hin ohne Verringerung
des Ursprungs (Emanation). Dinge besitzen es, weil sie an Gott
teilhaben, der das ewige und reinste Licht ist".80 Auch die Kirchen-
lieder dieser Zeit zu Epiphanias belegen diese Deutung.81
Im Zusammenhang mit der Restaurierung des Altares wurde
1997/1998 auch das östliche Chorfenster in einen Zustand zu-
rückversetzt, der der Zeit der Aufstellung des Altares 1629 ent-
spricht.82 Dieses Ostfenster war für die Lichtinszenierung des Alta-
res von einem gotischen Fenster, dessen spitzbogige Blendnische
außen und innen im Mauerwerk noch deutlich zu erkennen ist,
in ein zeitgemäßes vierbahniges Renaissancefenster umgestaltet
worden. Die Rahmung aus Sandstein war ebenso erhalten wie die
drei Sandsteinpfosten. Im 19. Jahrhundert war jedoch die Vergla-
sung durch eine außen vorgeblendete ersetzt worden. Die Spuren
für die horizontalen Eisen waren jedoch erhalten, auch für die Art


6 Rodenkirchen, Altar, 1629: Das »Licht« als Gestaltungmittel wirkt wie ein Goldgrund. Die Aufnahme zeigt den Altar
vor der jüngsten Restaurierung in einer freien Neufassung von 1960, die an der Vorstellung von zeitgenössischen Edel-
steinaltären orientiert ist (Aufnahme 1993).

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