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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Königfeld, Peter [Bearb.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das holzsichtige Kunstwerk: zur Restaurierung des Münstermann-Altarretabels in Rodenkirchen/Wesermarsch — Hameln: Niemeyer, Heft 26.2002

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Ludwig JVlünstermann und das Rodenkirchener Altarretabel

sie Teil des Programms: Sie stehen paarweise auf der rechten Seite
in den Nischen des Kanzelkorbes, ergänzt um den Salvator in der
Mitte der fünf Nischen und gleichermaßen paarweise angeordnet
vier Propheten auf der linken Seite. Wie die Propheten und Evange-
listen sind auch die Reliefs in der Brustzone auf das Programm
nach den Vorgaben von Gesetz und Gnade abgestimmt, das im
Kanzelträger besonders deutlich wird. In der Brustzone sind der
Gesetzesseite die Reliefs des Sündenfalls und der Errichtung der
ehernen Schlange zugeordnet, der Gnadenseite Reliefs der Kreu-
zigung und der Auferstehung. Die vertikale Mittelachse zwischen
Adam im Kanzelträger und dem Salvator wird in der Brustzone
von einer Darstellung des Geschehens am Ölberg eingenommen.
Dem gläubigen Betrachter zeigt der knieend ins Gebet vertiefte
Christus das richtige Verhalten, um die Erlösung zu erlangen: er
kann diese von der durch Adam erworbenen und durch Mose be-
wußt gemachten Sünde nicht durch eigenes Handeln erlangen,
sondern „allein durch Glauben und durch die Gnade Gottes".
Den Kanzeltäger bildet eine „Cranachgruppe" mit Moses mit den
Gesetzestafeln als Vertreter des alten Bundes auf der linken und
Johannes dem Täufer mit dem Evangelium als Vertreter des neuen
Bundes auf der rechten Seite. Adam als Vertreter der Menschheit
sitzt zwischen ihnen vor einem Baum, dessen Krone auf der linken
Hälfte entlaubt, auf der rechten Hälfte belaubt ist (vgl. Abb. 5).100
(Zum Programm siehe auch den Beitrag von Rolf Schäfer in diesem
Band). Diese Figurengruppe, die in Rodenkirchen die Kanzel trägt, ist

einzigartig. Die Darstellung geht auf Gemälde Lucas Cranach d.Ä.
(1472-1553) zurück, die dieser in Absprache mit Luther als an-
schauliche Wiedergabe der Hauptglaubensaussage 1529/30 ge-
malt hatte.10' Die gleichzeitigen Kupferstiche Cranachs wurden
überall in Deutschland, häufig vereinfacht, nachgestochen.102 Das
Thema „Gesetz und Gnade" war allen Theologen und auch ei-
nem Großteil der Laien bekannt, so daß der Theologe, der das
Programm für die Rodenkirchener Kanzel entwickelte, nicht unbe-
dingt direkt die Bibel in Stollhamm als Vorbild genutzt haben muß.
Daß diese vereinfachte Variante der Darstellung in einem Stich in
einer Nachbargemeinde von Rodenkirchen zu jener Zeit vorhan-
den war, kann aber als Beleg der Bekanntheit der Thematik ange-
sehen werden.'03
Formal ist der Kanzelkorb horizontal in vier Ebenen unter-
gliedert. Die Brustzone weist Kartuschen mit Knorpelwerkrahmen
auf, die Ecken sind mit geflügelten Puttenköpfen besetzt. Die
sechste dieser Kartuschen direkt unter der Treppe nimmt die
Signatur Münstermanns auf: „Anno 1631 habe ich / Ludewich
Münstermann mit Göttlicher hülfe und meines / Dieners Onnen
dierksen / wie meiner beiden sohns / Johann und Claws diese /
Cantzel verfertiget". Darüber befindet sich ein an den Ecken ver-
knöpftes Profil mit Zahnschnitt, darüberein „Zwischengeschoß",
in dem die Statuetten der Hauptzone bezeichnet werden. Die
Kartuschen sind wiederum mit Knorpelwerk gerahmt. Die Ecken
werden von Konsolen eingenommen, die die darüber befindlichen


9 Varel, Altar, 1614: Detail vom hölzernen Rahmen des Auferstehungsreliefs
mit freigelegter Originalfassung, Fehlstellen mit Kreidegrund ausgebessert
(Aufnahme 1962).



10 Rodenkirchen, Kanzel, 1631 (Aufnahme 1993).

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