Ludwig Münstermann und das Rodenkirchener Altarretabel
liegt eine blaue Schicht (Berlinerblau mit Bleiweiß in Ölbindung),
die mit großzügigen Pinselstrichen in Bleiweiß marmoriert erscheint.
Die Feststellungen von Furmanek/Scholtka an der linken Seiten-
wange (Stockwerk 2 (Wange links)) lassen sich ohne Probleme
auf das gesamte Retabel übertragen: „Es finden sich Vergoldungen
direkt auf dem Blau, mitunter auch auf dem Grau. Die Inkarnate
sind hellgrau belassen, offensichtlich Stein imitierend (Proben
Fm40, Fm52 - Fm53, Fm62). Grau zeigt sich ebenfalls auf dem
Medaillon mit der Büste Luthers (W I Medaillon <Luther>). Hier
findet sich jedoch außer den fleischfarbenen Fassungen von 1877
und 1960 noch eine fleischfarbene Fassung, die zwischenzeitlich
aufgebracht worden sein könnte. Der Hintergrund der Schrifttafel
(W I Tafel) ist schwarz gefaßt (Probe Fm1a), die weißgelblichen
Buchstaben der Inschrift wurden offenbar von der Fassung 1638
übernommen und lediglich gefirnißt (Probe Fm1). Die Kartuschen-
felder unter den Tugenden (W I Volute 1, W I Volute 2) wurden
monochrom hell gefaßt, die Inschriften nicht wieder aufgenom-
men" (Probe Fm42).32
Fassung 3 von 1889
Die Schicht, deren Entstehungsjahr laut Keiser33 anhand einer
Bleistiftbeschriftung an einer Holzfigur verifizierbar ist, modifiziert
Fassung 2. Mohrmann, der mit den Arbeiten beauftragt worden
war, beließ diese, überzog aber Gewänder der Figuren, Rahmen
und einzelne Details der Ornamente, Attribute und Fruchtgehänge
mit Rot (Eisenoxidrot) und Gelb (Ockergelb (z.B. 4Fd9)). Inkarnate
erhielten wieder einen Fleischton (aus Lithopone, Zinkweiß, Zink-
gelb und Eisenoxidrot (z.B. Proben 1Fd4, 1 Fd5, 4Fd2), die Kartu-
schen Inschriften.
Restaurierungsmaßnahmen
Entwicklung der Konzeption
Es ist oben bereits darauf hingewiesen worden, daß die Bestands-
und Zustandsuntersuchung bezogen auf die Einzelkompartimente
des Altarretabels ein sehr unterschiedliches Bild ergeben hat. Unter
diesem Aspekt wurden zwar Rahmenrichtlinien für die notwen-
dige Konservierung und die anzustrebende Restaurierung formu-
liert, das endgültige Ergebnis aber noch offen gelassen, um flexibel
auf die jeweils gegebene aktuelle Befundlage reagieren zu können:
• Unabdingbar waren Maßnahmen zur statischen Sicherung des
gesamten Retabels, das 1960 völlig ungenügend wiederaufge-
baut worden war; mit der Folge von gravierenden Verschiebun-
gen der gesamten Konstruktion, aufklaffenden Gehrungen und
gelösten Teilen. Die akute Gefahr eines Einsturzes war gegeben
und damit auch die Notwendigkeit der Zerlegung in die Einzel-
teile, um die Tragefunktionen sachgerecht wiederherstellen zu
können.34 Klaffende Risse und Spalten wurden dabei mit Kno-
chenleim oder einer Kittmasse aus Holzmehl und Hautleim ge-
schlossen. Die Neubefestigung abgelöster bzw. abgebrochener
Teilstücke erfolgte mit Eichenholzdübeln
• Die Probleme einer sachgerechten Entsalzung konnten bei der
Musterrestaurierung nicht abschließend geklärt werden. Den
Erfahrungen auf salzbelasteten Wandmalereien folgend, ging
man davon aus, daß beim Anquellen des Kreidegrundes von
1959/60 Abozell-Zellulose-Kompressen die Salze in die Ver-
dunstungsfläche der abzunehmenden Schichten transportieren
bzw. zumindest an der Oberfläche halten würden. Der Erfolg
wäre nur durch eine intensive, konservatorisch nicht vertretbare
Beprobung eindeutig meßbar gewesen. Ausgehend von den
starken Schäden der Therschen Malschicht war aber anzu-
nehmen, daß der Kreidegrund über die Jahre den größten
20 Rodenkirchen, St. Matthäus-Kirche, Altarretabel. Befunduntersuchung,
Reste von Fassung 2 (1761).
Teil der Salze aus dem Holzträger aufgenommen hatte, was
durch die materialkundlichen Analysen nachgewiesen werden
konnte.35
• Eine Abnahme der teilweise stark salzbelasteten, insgesamt in
ihrer Haftung mangelhaften Fassung von Ther war nicht zu
vermeiden. Dabei bestätigte sich, daß dieser in zerstörerischer
Weise die historischen Fassungen behandelt hat. Dort wo er
Kreidegründe für Vergoldungen und Versilberungen auftragen
wollte, beseitigte er - insbesondere am gesamten Figurenbe-
stand - alle Farbschichten bis auf den Holzträger; auch an den
großen Säulen fehlen heute ältere Schichten. Es existieren keine
Schichtenzusammenhänge mehr; nur noch größere bzw. klei-
nere Partien mit Resten der Fassungen 1-3. Vor allem die von
1761 und 1889 stammenden reichten für eine Retusche oder
auch flächige Ergänzung nicht aus. Überraschenderweise traten
aber umfangreiche, teilweise quadratmetergroße Flächen des
pigmentierten Leimüberzuges von 1629/30 zutage, beispiels-
weise hinter den großen Säulen (2 I Bogenwand, 2 r Bogen-
wand), die ausschlaggebend für die Entscheidung zur Restau-
rierung der ältesten Fassungen (1a und 1b) waren.
• Auf die anfänglich diskutierte vollständige Abnahme der Reste
der Farbigkeiten des 18. und 19. Jahrhunderts wurde schließlich
verzichtet, sie wurden weitgehend beibehalten und durch Über-
züge in Holztönen überdeckt, u.a. im gesamten architektoni-
schen Hintergrund der Abendmahlsszene (Stockwerk 2-4
(Fassade mitte)). Die Retusche erfolgte mit Gouache und einer
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liegt eine blaue Schicht (Berlinerblau mit Bleiweiß in Ölbindung),
die mit großzügigen Pinselstrichen in Bleiweiß marmoriert erscheint.
Die Feststellungen von Furmanek/Scholtka an der linken Seiten-
wange (Stockwerk 2 (Wange links)) lassen sich ohne Probleme
auf das gesamte Retabel übertragen: „Es finden sich Vergoldungen
direkt auf dem Blau, mitunter auch auf dem Grau. Die Inkarnate
sind hellgrau belassen, offensichtlich Stein imitierend (Proben
Fm40, Fm52 - Fm53, Fm62). Grau zeigt sich ebenfalls auf dem
Medaillon mit der Büste Luthers (W I Medaillon <Luther>). Hier
findet sich jedoch außer den fleischfarbenen Fassungen von 1877
und 1960 noch eine fleischfarbene Fassung, die zwischenzeitlich
aufgebracht worden sein könnte. Der Hintergrund der Schrifttafel
(W I Tafel) ist schwarz gefaßt (Probe Fm1a), die weißgelblichen
Buchstaben der Inschrift wurden offenbar von der Fassung 1638
übernommen und lediglich gefirnißt (Probe Fm1). Die Kartuschen-
felder unter den Tugenden (W I Volute 1, W I Volute 2) wurden
monochrom hell gefaßt, die Inschriften nicht wieder aufgenom-
men" (Probe Fm42).32
Fassung 3 von 1889
Die Schicht, deren Entstehungsjahr laut Keiser33 anhand einer
Bleistiftbeschriftung an einer Holzfigur verifizierbar ist, modifiziert
Fassung 2. Mohrmann, der mit den Arbeiten beauftragt worden
war, beließ diese, überzog aber Gewänder der Figuren, Rahmen
und einzelne Details der Ornamente, Attribute und Fruchtgehänge
mit Rot (Eisenoxidrot) und Gelb (Ockergelb (z.B. 4Fd9)). Inkarnate
erhielten wieder einen Fleischton (aus Lithopone, Zinkweiß, Zink-
gelb und Eisenoxidrot (z.B. Proben 1Fd4, 1 Fd5, 4Fd2), die Kartu-
schen Inschriften.
Restaurierungsmaßnahmen
Entwicklung der Konzeption
Es ist oben bereits darauf hingewiesen worden, daß die Bestands-
und Zustandsuntersuchung bezogen auf die Einzelkompartimente
des Altarretabels ein sehr unterschiedliches Bild ergeben hat. Unter
diesem Aspekt wurden zwar Rahmenrichtlinien für die notwen-
dige Konservierung und die anzustrebende Restaurierung formu-
liert, das endgültige Ergebnis aber noch offen gelassen, um flexibel
auf die jeweils gegebene aktuelle Befundlage reagieren zu können:
• Unabdingbar waren Maßnahmen zur statischen Sicherung des
gesamten Retabels, das 1960 völlig ungenügend wiederaufge-
baut worden war; mit der Folge von gravierenden Verschiebun-
gen der gesamten Konstruktion, aufklaffenden Gehrungen und
gelösten Teilen. Die akute Gefahr eines Einsturzes war gegeben
und damit auch die Notwendigkeit der Zerlegung in die Einzel-
teile, um die Tragefunktionen sachgerecht wiederherstellen zu
können.34 Klaffende Risse und Spalten wurden dabei mit Kno-
chenleim oder einer Kittmasse aus Holzmehl und Hautleim ge-
schlossen. Die Neubefestigung abgelöster bzw. abgebrochener
Teilstücke erfolgte mit Eichenholzdübeln
• Die Probleme einer sachgerechten Entsalzung konnten bei der
Musterrestaurierung nicht abschließend geklärt werden. Den
Erfahrungen auf salzbelasteten Wandmalereien folgend, ging
man davon aus, daß beim Anquellen des Kreidegrundes von
1959/60 Abozell-Zellulose-Kompressen die Salze in die Ver-
dunstungsfläche der abzunehmenden Schichten transportieren
bzw. zumindest an der Oberfläche halten würden. Der Erfolg
wäre nur durch eine intensive, konservatorisch nicht vertretbare
Beprobung eindeutig meßbar gewesen. Ausgehend von den
starken Schäden der Therschen Malschicht war aber anzu-
nehmen, daß der Kreidegrund über die Jahre den größten
20 Rodenkirchen, St. Matthäus-Kirche, Altarretabel. Befunduntersuchung,
Reste von Fassung 2 (1761).
Teil der Salze aus dem Holzträger aufgenommen hatte, was
durch die materialkundlichen Analysen nachgewiesen werden
konnte.35
• Eine Abnahme der teilweise stark salzbelasteten, insgesamt in
ihrer Haftung mangelhaften Fassung von Ther war nicht zu
vermeiden. Dabei bestätigte sich, daß dieser in zerstörerischer
Weise die historischen Fassungen behandelt hat. Dort wo er
Kreidegründe für Vergoldungen und Versilberungen auftragen
wollte, beseitigte er - insbesondere am gesamten Figurenbe-
stand - alle Farbschichten bis auf den Holzträger; auch an den
großen Säulen fehlen heute ältere Schichten. Es existieren keine
Schichtenzusammenhänge mehr; nur noch größere bzw. klei-
nere Partien mit Resten der Fassungen 1-3. Vor allem die von
1761 und 1889 stammenden reichten für eine Retusche oder
auch flächige Ergänzung nicht aus. Überraschenderweise traten
aber umfangreiche, teilweise quadratmetergroße Flächen des
pigmentierten Leimüberzuges von 1629/30 zutage, beispiels-
weise hinter den großen Säulen (2 I Bogenwand, 2 r Bogen-
wand), die ausschlaggebend für die Entscheidung zur Restau-
rierung der ältesten Fassungen (1a und 1b) waren.
• Auf die anfänglich diskutierte vollständige Abnahme der Reste
der Farbigkeiten des 18. und 19. Jahrhunderts wurde schließlich
verzichtet, sie wurden weitgehend beibehalten und durch Über-
züge in Holztönen überdeckt, u.a. im gesamten architektoni-
schen Hintergrund der Abendmahlsszene (Stockwerk 2-4
(Fassade mitte)). Die Retusche erfolgte mit Gouache und einer
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