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St. Michaelis in Hildesheim
Einführung, Forschungsstand und Datierung

49

Damit bleibt der Baubeginn im Jahre 1010 bestehen,
unklar ist nur, welcher Bauteil vor 1013 schon soweit
gediehen war, dass er geweiht und den Mönchen für
ihren Gottesdienst zur Verfügung gestellt werden
konnte.45 Bereits zwei Jahre später und fünf Jahre
nach der Grundsteinlegung war die Hallenkrypta mit
Umgang fertig und konnte am 29. September 1015,
dem Tag des hl. Michael, geweiht werden:45
„Im Jahr 1015, [...], am 29. September, wurde die
Krypta des Klosters, nachdem sie mit Gottes Hilfe in
großer Zierde vollendet worden war, von Bischof
Bernward, dem ehrwürdigen Bischof Eggehard von
Schleswig und dem zu verehrenden Bischof Dietrich
von Münster eingeweiht zu Ehren unseres Herrn
Erlösers Jesus Christus, seiner höchst heiligen und
höchst glorreichen Mutter und allzeit Jungfrau Maria
und des heiligen Erzengels Michael, auch der ganzen
himmlischen Heerschar und zugleich der 66 Reliquien,
die von eben diesen verehrungswürdigen Bischöfen
dort unter würdiger Verehrung niedergelegt wur-
den."
„Anno vero incarnati verbi 1015. regni autem domni
Heinrici piissimi iperatoris 14. ordinationis domni
Bernwardi venerabilissimi praesulis 23. indictione 13.
3. Kalend. Octobris, cripta eiusdem monasterii magno
decore Dei gratia consummata, dedicatur a praefato
antistite Bernwardo et honorabili Sleswicense episco-
po Eggehardo atque venerando Mimigardevordensis
aecclesiae pastore Thiderico, in honore salvatoris
domini nosteri lesu Christi, et eins beatisimae et glo-
riosissimae genitricis perpetuaeque virginis Mariae,
sanctique Michahelis archangeli, totius quoque mili-
tiae caelestis, et simul sexaginta sex reliquiarum, ab
eisdem venerabilibus praesulibus ibidem digna vene-
ratione reconditarum."
Etwa gleichlautend ergänzen Hans Jürgen Riecken-
berg und ihm folgend Christine Wulf die in Frag-
menten 1939 bei Renovierungsarbeiten entdeckte
Inschrift unter einem polychromen Ornamentfries auf
der Innenwand des Kryptenumganges47 Die etwa
5,5 cm großen Kapitalis-Buchstaben sind in den Putz
eingeritzt und mit rotbrauner Farbe ausgemalt. „Der
Buchstabenbefund spricht nicht gegen eine Ent-
stehung der Inschrift in bernwardinischer Zeit;" dieses
Urteil von Wulf entspricht der Datierung von Riecken-
berg auf 1015. Rieckenberg hat die Inschrift anhand
der Buchstabenfragmente und unter Verwendung des
Textes in der Vita Bernwardi rekonstruiert:
,,[t Anno dominice incarnation]is MXV / [ordinationis
Be]rnwardi vene[rabilis / presulis Hild(eshemensis)
anno XX]III indic(tione) XIII [III k(alendas) / oct(obris) in
honore d(omi)ni beate genitricis et arc[hangeli /
Michaelis et totius militie C]ele[stis/hec cripta a
Bernwardo ep(iscop)o dedicata est] / [?]."

„Im Jahr der Menschwerdung des Herrn 1015, im 23.
Jahr nach der Ordination des ehrwürdigen Bernward,
Bischof von Hildesheim, in der 13. Indiktion, am drit-
ten Tag vor den Kalenden des Oktober [29. Sept.]
wurde zu Ehren der gesegneten Gottesgebärerin und
des Erzengels Michael und der ganzen himmlischen
Heerschar diese Krypta von Bischof Bernward geweiht
Im Jahre 1022 erwartete Bernward allem Anschein
nach sein Ableben. Durch Vermittlung Kaiser Hein-
richs II. bei dessen Rombesuch vom 1. bis 10. Juli
1022 hat Papst Benedikt VIII. auf Bitten Bernwards die
von Papst Silvester II. der Hildesheimer Kirche verliehe-
ne Immunität bestätigt, precipue vero novam sancti
Michaelis archangeli ecclesiam extra murum civitatis
sitam, quam Deo dilectus episcopus ad communem
totius ecclesiae salutem ex proprio et iuste quesito
construxerat[...]A8 Am 29. September 1022, dem Tag
des hl. Michael, „war die Klosterkirche (monasteri-
um), die für die Nutzung des monastischen Lebens er-
baut war, mit mannigfaltigem Schmuck, wie es heute
erscheint, vollendet und wurde mit Andacht und
Frömmigkeit von dem verehrungswürdigen Bischof
Bernward geweiht," unter Assistenz des Erzbischofs
Unwan von Hamburg, der mit ihm verwandt war, und
der vertriebenen Bischöfe Eggehard von Schleswig
(der seit vor 1001 in Hildesheim im Exil lebte) und
Benno von Oldenburg, die alle keinen weiten Weg
hatten, woraus nicht zuletzt auch auf die Eile ge-
schlossen werden kann.49 Wie weit der Kirchenbau
gediehen war, ist unbekannt, wahrscheinlich bis über
die Mittelschiffarkaden und bis zum Abbruch der
„Ecklisenen" an den Querhausarmen. Wenn diese
Vermutung zutrifft, dann würde es sich allerdings um
eine recht langsame Bauausführung handeln. Der
Bamberger Dom Heinrichs II. war nach 1002 und vor
1007 begonnen und schon 1012 abschließend ge-
weiht worden. Und Adam von Bremen berichtet
1074/76, dass Bischof Bezelin für den 1041 abge-
brannten St. Petersdom in Bremen im Sommer 1042
die Fundamente gelegt hat und „so sah schon dieser
Sommer, in dem er das Werk begonnen hatte und die
Fundamente der Kirche gelegt waren, die Säulen und
ihre Bogen sowie die Seiten in die Höhe gesteckt."50
So ist wohl eher daran zu denken, dass die Bruch-
steinmauern des Obergadens auf eine eilige Fertig-
stellung für die Weihe vor dem von Bernward bald
erwarteten Ableben erstellt worden sind. Die Weihe
einer noch nicht ganz vollendeten Kirche ist häufig
anzunehmen. Die Kirche Saint-Benigne in Dijon wur-
de am 30. Oktober 1016 (oder 1017) „fast fertig"
(basilicam [...] pene expletam) geweiht.51
Anschließend an die Weihe setzt Bernward den prae-
positus von St. Pantaleon in Köln, Goderam, als Abt
 
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