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Die Zusammenfassung der Baugeschichte und ein kritischer Blick in den Baugrund

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Da sich an den Ursachen der Feuchteprobleme durch
die Wiederherstellungen zur Kirche von C. W. Hase
ebenso wenig verändert hatte wie durch die Umge-
staltungen der Krypta durch Chr. Hehl blieben Sanie-
rungsnotwendigkeiten die ständige Aufgabe: C. W.
Hases Instandsetzung wurde inzwischen als unzuläng-
lich angesehen, denn im Inneren mache die Kirche
wegen der überall hervortretenden Einwirkung der
Feuchtigkeit einen mehr oder weniger verwahrlosten
Eindruck, in dem unter solchen Umständen an eine
ordnungsmäßige Unterhaltung nicht zu denken ist.30
1902 hatte Karl Mohrmann das Problem des
Grundwassers klar erkannt, denn er konstatiert für
den Westchor, dass sich seit der Wiederherstellung
durch C. W. Hase die Risse vor allem auf der Süd- und
Südwestseite um 3 cm und mehr erweitert haben und
die von Chr. Hehl 1893 beseitigten Risse wieder her-
vorgetreten sind, ja „es scheint, daß sie gerade neu-
erdings sich schneller öffnen als bisher."3' Daher ver-
schaffte sich Karl Mohrmann auf der Südseite an drei
Stellen Einblick in die Fundamente: Er bemerkte eine
völlige Auswaschung des Mörtels einerseits, anderer-
seits eine Einschwemmung von Sand und „thonigem
Erdboden" und folgert daraus, da der Boden in tiefe-
ren Schichten aus undurchlässigem blauen Thon be-
steht, dass der Grundwasserstand starken Schwan-
kungen unterworfen war. Während seiner Aufgra-
bungen lag der Grundwasserspiegel auf der Funda-
mentsohle, das heißt zwei bis zweieinhalb Meter
unter dem Bodenniveau. Die Verdrückung der Mau-
ern schreibt er zu Recht dem Zustand der Fundamente

zu und führt weiter aus: „Die Schubkräfte und beson-
ders die wechselnden Beanspruchungen durch Wind
erzeugen Kantenpressungen, denen das Mauerwerk
in seiner jetzigen Verfassung nicht gewachsen ist.
Besonders aber drückt die Vorderkante der Funda-
mentsohle in den plastischen Thonboden nach jeder
wechselnden Windbeanspruchung tiefer ein."32
Seine bodenmechanischen Kenntnisse machten es
Karl Mohrmann möglich, als man sich nun endlich
durchgerungen hatte, das 1662 abgebrochene süd-
westliche Querschiff mit dem Treppenturm wieder in
seiner historischen Ausdehnung zu ergänzen (vgl.
Binding, Abb. 5 und 6), aber -wie die Grabungen in
2006 gezeigt haben - mit einer gegenüber der histo-
rischen Gründung ganz anderen Solidität der Funda-
mente. Insgesamt dauerte die Wiederherstellung der
Kirche drei Jahre (1907-10) und bestand nicht nur in
der Neuerstellung des südwestlichen, sondern auch in
der Wiederherstellung des nordwestlichen Querhau-
ses durch Entfernung der nicht ursprünglichen Kreuz-
gratgewölbe, was nun eiserne Zuganker erforderlich
machte. Hinzu kamen weitere Zuganker und Funda-
mentverstärkungen in der Krypta (vgl. Binding, Abb.
4), außerdem die Ausmalung der gesamten Kirche
durch Herrmann Schaper und die Konservierung der
Bilderdecke durch Karl Bohlmann, der einen genauen
Restaurierungsbericht erstellt, die Leistungen33 von
Carl Bergmann sehr kritisch bewertet und ihm zum
Teil Verfälschungen nachweist.



7 Hildesheim, St. Michaelis, Westportal mit Notsicherung (1943).
 
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