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Wilhelm Lucka
Einführung
der Menschen entgegen zu wirken. Das bewusste
Erinnern und Verarbeiten und die daraus resultieren-
de Aufklärung über den Charakter des Herrschafts-
systems, seine Geschichte und seine zerstörerischen
Folgen ist der allein wirksame Weg. Diese Argumen-
tation ist die inzwischen allgemein anerkannte
Grundlage für die Erhaltung der Relikte der Konzen-
trations-, Arbeits- und Gefangenenlager als den Zeug-
nissen der nationalsozialistischen Terrorherrschaft und
ihrer Opfer. Die bei dem Besuch derartiger Gedenk-
stätten auftretenden emotionalen Reaktionen der
Erschütterung und des Abscheus grundieren und ver-
stärken die Entwicklung einer Gegenhaltung und
ermöglichen die schnelle Distanzierung vom National-
sozialismus und seinen Tätern.
Eine Stätte wie das Erntedankfestgelände erlaubt
nicht die schnelle Distanzierung, denn der verbreche-
rische Charakter des damit untrennbar verbundenen
Geschehens offenbart sich nicht augenfällig wie von
selbst, sondern bedarf der Interpretation und Ver-
knüpfung mit den bekannten, an dieser Stelle aber
nicht unmittelbar erlebbaren Aspekten des national-
sozialistischen Terrors und seiner Folgen für Deutsch-
land und Europa. Wird diese gedankliche Verbindung
hergestellt, so bietet das Bückeberg-Gelände aller-
dings die seltene Chance, ausgehend von einer sinn-
lich erlebbaren Anlage zu einem vertieften Verständ-
nis der nationalsozialistischen Herrschaft zu kommen,
denn diese Herrschaft gründete sich eben nicht nur
auf Terror und Unterdrückung, sondern auch auf die
höchst erfolgreiche Mobilisierung von emotional ver-
ankerter politischer Unterstützung des Regimes durch
weite Teile der Bevölkerung.
Es bedurfte mehrerer Jahre, bis in der Gemeinde eine
andere Haltung zur Denkmalausweisung auf der
Grundlage einer Anerkennung der historischen Be-
deutung ausreichend Raum gewann. Hilfreich war
dabei sicher die hohe Wertschätzung, die die
Darstellung Gelderbloms im Rahmen einer an ver-
schiedenen Orten, unter anderem auch in dem Doku-
mentationszentrum Obersalzberg, gezeigten Ausstel-
lung erfuhr. Konnte die Darstellung Gelderbloms vor
Ort anfangs vielleicht noch als randständig ignoriert
werden, ihre Aussagen vielleicht als übertrieben abge-
wertet werden, so zeigte doch die wiederholte Wider-
spiegelung durch Außenstehende mit Renommee,
dass eine andere Bewertung nicht nur möglich, son-
dern gängig war. Diese andere Rezeption der Gelder-
2 Blick in die Ausstellung von Bernhard Gelderblom in der Dokumentation Obersalzberg,
Berchtesgaden 25.10.2007-31.03.2008.
Wilhelm Lucka
Einführung
der Menschen entgegen zu wirken. Das bewusste
Erinnern und Verarbeiten und die daraus resultieren-
de Aufklärung über den Charakter des Herrschafts-
systems, seine Geschichte und seine zerstörerischen
Folgen ist der allein wirksame Weg. Diese Argumen-
tation ist die inzwischen allgemein anerkannte
Grundlage für die Erhaltung der Relikte der Konzen-
trations-, Arbeits- und Gefangenenlager als den Zeug-
nissen der nationalsozialistischen Terrorherrschaft und
ihrer Opfer. Die bei dem Besuch derartiger Gedenk-
stätten auftretenden emotionalen Reaktionen der
Erschütterung und des Abscheus grundieren und ver-
stärken die Entwicklung einer Gegenhaltung und
ermöglichen die schnelle Distanzierung vom National-
sozialismus und seinen Tätern.
Eine Stätte wie das Erntedankfestgelände erlaubt
nicht die schnelle Distanzierung, denn der verbreche-
rische Charakter des damit untrennbar verbundenen
Geschehens offenbart sich nicht augenfällig wie von
selbst, sondern bedarf der Interpretation und Ver-
knüpfung mit den bekannten, an dieser Stelle aber
nicht unmittelbar erlebbaren Aspekten des national-
sozialistischen Terrors und seiner Folgen für Deutsch-
land und Europa. Wird diese gedankliche Verbindung
hergestellt, so bietet das Bückeberg-Gelände aller-
dings die seltene Chance, ausgehend von einer sinn-
lich erlebbaren Anlage zu einem vertieften Verständ-
nis der nationalsozialistischen Herrschaft zu kommen,
denn diese Herrschaft gründete sich eben nicht nur
auf Terror und Unterdrückung, sondern auch auf die
höchst erfolgreiche Mobilisierung von emotional ver-
ankerter politischer Unterstützung des Regimes durch
weite Teile der Bevölkerung.
Es bedurfte mehrerer Jahre, bis in der Gemeinde eine
andere Haltung zur Denkmalausweisung auf der
Grundlage einer Anerkennung der historischen Be-
deutung ausreichend Raum gewann. Hilfreich war
dabei sicher die hohe Wertschätzung, die die
Darstellung Gelderbloms im Rahmen einer an ver-
schiedenen Orten, unter anderem auch in dem Doku-
mentationszentrum Obersalzberg, gezeigten Ausstel-
lung erfuhr. Konnte die Darstellung Gelderbloms vor
Ort anfangs vielleicht noch als randständig ignoriert
werden, ihre Aussagen vielleicht als übertrieben abge-
wertet werden, so zeigte doch die wiederholte Wider-
spiegelung durch Außenstehende mit Renommee,
dass eine andere Bewertung nicht nur möglich, son-
dern gängig war. Diese andere Rezeption der Gelder-
2 Blick in die Ausstellung von Bernhard Gelderblom in der Dokumentation Obersalzberg,
Berchtesgaden 25.10.2007-31.03.2008.