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Winghart, Stefan; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg bei Hameln: Diskussion über eine zentrale Stätte nationalsozialistischer Selbstinszenierung — Hameln: Niemeyer, Heft 36.2010

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Lucka, Wilhelm: Einführung
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https://doi.org/10.11588/diglit.51156#0011
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Wilhelm Lucka

Einführung

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1 Plakat zur Präsentation der Ausstellung von Bernhard Gelderblom im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in
Nürnberg 21.11.2009-14.03.2010.


abgerissen wurde, weil er eine solche Erinnerung an
ausbeuterische Verhältnisse nicht in seiner Gemeinde
dulden wollte.
Es war vermutlich zunächst eher die Unkenntnis der
geschichtlichen Bedeutung als eine bewusst auf
Auslöschung der Vergangenheit und ihrer Relikte
abzielende Haltung, als die Gemeinde Emmerthal um
2002 kein Zögern kannte, das landschaftlich schön
gelegene Gelände, das vor Ort durchaus als das der
Reichserntedankfeste bekannt war, als Wohngebiet
auszuweisen und damit für immer unkenntlich wer-
den zu lassen. Sie hätte sich damit in eine Reihe z. B.
mit der Stadt Nürnberg gestellt, die 1967 die monu-
mentalen Märzfeldtürme des Reichsparteitagsge-
ländes sprengen ließ, um den neuen Stadtteil Lang-
wasser zu bauen. Die Recherchen des Historikers
Bernhard Gelderblom, der sich als Erster für die
Erhaltung eingesetzt hat, wurden zunächst zum Teil in
ihrer Bedeutung negiert, zum Teil wurden Schlüsse
daraus gezogen, die gerade ein entgegengesetztes
Handeln begründeten, nämlich die Ablehnung einer
Denkmalausweisung als scheinbare Aufwertung der
Stätte. Zudem wurde vor Ort ernsthaft befürchtet,
eine Denkmalausweisung könnte dazu führen, dass
Rechtsextremisten das Gelände als Kult- und Auf-
marschort für sich entdecken und entwickeln könn-
ten. Diese Annahme dürfte einer näheren Unter-
suchung kaum standhalten, vergegenwärtigt man

sich, dass die formale Denkmalausweisung durch den
ihnen verhassten Staat für das Weltbild von Rechts-
extremisten sicher nicht relevant sein dürfte. Auf
jeden Fall wurden durch einen höheren Bekannt-
heitsgrad der Anlage negative Folgen für das Ansehen
der Gemeinde befürchtet. So stieß die Absicht des
Landesamtes, auf der Grundlage dieser Ergebnisse
das Gelände als Baudenkmal auszuweisen, bei der
Gemeinde Emmerthal auf anhaltenden Widerstand.
Auch die damaligen Spitzen des Landkreises Hameln-
Pyrmont und der übergeordneten Bezirksregierung
sahen von einem dezidiert antifaschistischen Stand-
punkt aus keinen Anlass, hier als Korrektiv zu wirken.
Im Gegenteil, sie sahen sich durch vereinzelte Be-
zeugungen nationalsozialistischer Gesinnung, etwa
dort am 20. April nachts niedergelegte Blumen, darin
bestätigt, dass das Bauwerk der Nationalsozialisten
bei weiterer Erhaltung und höherer Bekanntheit min-
destens das Fortleben, im schlimmeren Falle aber
auch das Aufleben und Verstärken nationalsozialisti-
scher Strömungen begünstigen könne, vergleichbar
der Flamme, die aus dem Glutkörnchen auflodert.
Dem haben die Befürworter stets die bekannte Argu-
mentation entgegengesetzt, dass Verschweigen,
Verdrängen und scheinbar Ungeschehen-machen
letztlich ungeeignet sind, um der befürchteten positi-
ven Besetzung des Nationalsozialismus in den Köpfen
 
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