3. Begründung für die Eintragung
Im Verlauf des Evaluierungsprozesses bittet ICOMOS am 30. September 2010 den Punkt 3 C der
Bearbeitungsrichtlinien (Vergleichende Analyse) um folgende Aspekte zu ergänzen:
1. Vergleiche mit anderen, bereits in der Liste der Welterbestätten enthaltenen Objekten, die einen
Bezug zur Entstehung der modernen Architektur im 20. Jh. haben.
2. Vergleiche mit den Anfängen des Funktionalismus und Modernismus in der Architektur in ande-
ren Ländern als Deutschland.
3. Genaue Darstellung der Bedeutung, die dem Fagus-Werk im Hinblick auf die Entstehung des
Bauhauses zukommt.
4. Darstellung der wichtigsten Beispiele in der Architektur, auf die das Fagus-Werk direkt Einfluss
genommen hat.
Der geforderte Nachtrag wurde am 18.11. 2010 wie folgt an ICOMOS übermittelt:
1. „Comparisons with other sites already ins-
cribed on the World Heritage List and rela-
ted to the emergence of 20th Century mo-
dern architecture."
Acht bereits in der Liste des Weltkulturerbes ent-
haltene Welterbestätten, die mit der Entwick-
lung von bedeutenden Merkmalen des Fagus-
Werks verglichen und in Beziehung gesetzt wer-
den. Da die ausgewählten Welterbestätten ein
sehr heterogenes Spektrum der Architektur der
Moderne umfassen, ist es nicht in jedem Fall
möglich, eine quasi genetische Verbindung zum
Fagus-Werk herzustellen. Einige der Objekte sind
wesentlich später als das Fagus-Werk entstan-
den und tragen die vom Fagus-Werk ausgegan-
genen Impulse bereits in mehrfach vermittelter
und weiterinterpretierter Form in sich. Bei ande-
ren Objekten ist wegen ihres typologischen Cha-
rakters oder regionaler Besonderheiten ein Be-
zug zum Fagus-Werk nur durch die Modernität
der Entwurfshaltung herzustellen, die, am Fagus-
Werk erstmals sichtbar geworden, ein großes Va-
riationspotential architektonischer Formgebung
beinhaltet.
Die auf der Tentativliste der UNESCO enthalte-
nen Weltkulturerbeanwärter aus dem Bereich
der architektonischen Moderne sind Teil der in-
ternational vergleichenden Darstellung in Ab-
schnitt 3 dieser Additional Informations.
a. Jahrhunderthalle in Breslau, Polen, 1911-1913
von Max Berg (Abb. 1N)
Von den bereits in der Welterbeliste der UNESCO
enthaltenen Bauten, welche die moderne Archi-
tektur des 20. Jahrhunderts reflektieren, ist die
von Max Berg in Breslau errichtete Jahrhundert-
halle ein herausragendes Beispiel. Sie ist - prak-
tisch zeitgleich mit dem Fagus-Werk - 1911 bis
1913 entstanden und markiert einen wichtigen
Meilenstein in der Entwicklung des Ingenieur-
baus, besonders im Hinblick auf den Einsatz von
Stahlbeton und die damit verbundene Möglich-
keit, große Spannweiten zu erreichen. Mit ihrem
Durchmesser von 65 Metern und einer Höhe von
42 Metern war sie zur Bauzeit die größte Kup-
pel ihrer Art und gilt deswegen als Pionierleistung
des Stahlbetonbaues und als Meilenstein der mo-
dernen Architektur. Durch ihre nüchterne Monu-
mentalität, die Abwendung vom Formenreich-
tum des Historismus und die offene Präsentati-
on des Konstruktionssystems im Innern werden
die typischen Merkmale des Funktionalismus und
eine selbstbewusste Modernität realisiert. Die
Gliederung und Schichtung der gewaltigen Bau-
massen werden jedoch im Gegensatz zum
Hauptbau des Fagus-Werks mit dem eher kon-
servativen Gestaltungsrepertoire des Neoklassi-
zismus erreicht: Die gleichmäßige Reihung von
zu Gruppen zusammengefassten Fensteröff-
nungen und besonders die von kannelierten Säu-
len getragene Eingangshalle lässt an Vorbilder
wie das römische Pantheon oder die Hagia So-
phia in Konstantinopel denken. Die internatio-
nale architekturhistorische Bedeutung der Jahr-
hunderthalle in Breslau liegt in der zukunftswei-
senden Verwendung modernster Konstruktions-
technik für eine in jener Zeit neu entstehende
55
Im Verlauf des Evaluierungsprozesses bittet ICOMOS am 30. September 2010 den Punkt 3 C der
Bearbeitungsrichtlinien (Vergleichende Analyse) um folgende Aspekte zu ergänzen:
1. Vergleiche mit anderen, bereits in der Liste der Welterbestätten enthaltenen Objekten, die einen
Bezug zur Entstehung der modernen Architektur im 20. Jh. haben.
2. Vergleiche mit den Anfängen des Funktionalismus und Modernismus in der Architektur in ande-
ren Ländern als Deutschland.
3. Genaue Darstellung der Bedeutung, die dem Fagus-Werk im Hinblick auf die Entstehung des
Bauhauses zukommt.
4. Darstellung der wichtigsten Beispiele in der Architektur, auf die das Fagus-Werk direkt Einfluss
genommen hat.
Der geforderte Nachtrag wurde am 18.11. 2010 wie folgt an ICOMOS übermittelt:
1. „Comparisons with other sites already ins-
cribed on the World Heritage List and rela-
ted to the emergence of 20th Century mo-
dern architecture."
Acht bereits in der Liste des Weltkulturerbes ent-
haltene Welterbestätten, die mit der Entwick-
lung von bedeutenden Merkmalen des Fagus-
Werks verglichen und in Beziehung gesetzt wer-
den. Da die ausgewählten Welterbestätten ein
sehr heterogenes Spektrum der Architektur der
Moderne umfassen, ist es nicht in jedem Fall
möglich, eine quasi genetische Verbindung zum
Fagus-Werk herzustellen. Einige der Objekte sind
wesentlich später als das Fagus-Werk entstan-
den und tragen die vom Fagus-Werk ausgegan-
genen Impulse bereits in mehrfach vermittelter
und weiterinterpretierter Form in sich. Bei ande-
ren Objekten ist wegen ihres typologischen Cha-
rakters oder regionaler Besonderheiten ein Be-
zug zum Fagus-Werk nur durch die Modernität
der Entwurfshaltung herzustellen, die, am Fagus-
Werk erstmals sichtbar geworden, ein großes Va-
riationspotential architektonischer Formgebung
beinhaltet.
Die auf der Tentativliste der UNESCO enthalte-
nen Weltkulturerbeanwärter aus dem Bereich
der architektonischen Moderne sind Teil der in-
ternational vergleichenden Darstellung in Ab-
schnitt 3 dieser Additional Informations.
a. Jahrhunderthalle in Breslau, Polen, 1911-1913
von Max Berg (Abb. 1N)
Von den bereits in der Welterbeliste der UNESCO
enthaltenen Bauten, welche die moderne Archi-
tektur des 20. Jahrhunderts reflektieren, ist die
von Max Berg in Breslau errichtete Jahrhundert-
halle ein herausragendes Beispiel. Sie ist - prak-
tisch zeitgleich mit dem Fagus-Werk - 1911 bis
1913 entstanden und markiert einen wichtigen
Meilenstein in der Entwicklung des Ingenieur-
baus, besonders im Hinblick auf den Einsatz von
Stahlbeton und die damit verbundene Möglich-
keit, große Spannweiten zu erreichen. Mit ihrem
Durchmesser von 65 Metern und einer Höhe von
42 Metern war sie zur Bauzeit die größte Kup-
pel ihrer Art und gilt deswegen als Pionierleistung
des Stahlbetonbaues und als Meilenstein der mo-
dernen Architektur. Durch ihre nüchterne Monu-
mentalität, die Abwendung vom Formenreich-
tum des Historismus und die offene Präsentati-
on des Konstruktionssystems im Innern werden
die typischen Merkmale des Funktionalismus und
eine selbstbewusste Modernität realisiert. Die
Gliederung und Schichtung der gewaltigen Bau-
massen werden jedoch im Gegensatz zum
Hauptbau des Fagus-Werks mit dem eher kon-
servativen Gestaltungsrepertoire des Neoklassi-
zismus erreicht: Die gleichmäßige Reihung von
zu Gruppen zusammengefassten Fensteröff-
nungen und besonders die von kannelierten Säu-
len getragene Eingangshalle lässt an Vorbilder
wie das römische Pantheon oder die Hagia So-
phia in Konstantinopel denken. Die internatio-
nale architekturhistorische Bedeutung der Jahr-
hunderthalle in Breslau liegt in der zukunftswei-
senden Verwendung modernster Konstruktions-
technik für eine in jener Zeit neu entstehende
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