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RHYTON VON MYKENAI

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ton echt kretisches, oder wahrscheinlicher noch mykenisches
Fabricat ist, scheint mir ausser allem Zweifel. Sein Stil ist
anderen kretisch-mykenischen Denkmälern durchaus gleich:
z. B. entspricht die Darstellung der Bäume genau denen
auf den Bechern von Vaphio1, das Netzmuster begegnet
uns sehr häufig auf Vasen und anderen Gegenständen, die
Gefässform ist echt minoisch: dies alles bestimmt mit Sicher-
heit die Herkunft des Rhytons. Wenn aber seine Herstel-
lung als einheimisch erwiesen ist, braucht man gewiss dem
Künstler keine fremden Einflüsse unterzulegen, wie das
Einige getan haben. Wohl mag die Darstellung auf dem
Gefäss keine freie Erfindung des Silberschmieds sein 2, aber
sie ist jedenfalls ein Bild der in jenen Zeiten gewiss oft
vorkommenden Seeräuber-Überfälle, gegen eine Insel oder
eine Küstenstadt des Aegaeischen Meeres. Aus der Klei-
dung der beiden kämpfenden Parteien kann man freilich
keine sicheren Schlüsse ziehen, wie es Rodenwaldt versucht
hat. Denn Angreifer wie Verteidiger sind meist nackt und
barhäuptig, während anderseits sowohl der Steuermann wie
die beiden Lanzenträger vor der Stadt (wohl die Anführer
der Verteidiger) den für die Argolis charakteristischen halb-
langen Chiton tragen 3. Der Steuermann ist ausserdem noch
mit dem typischen mykenischen Helme bewehrt4; ander-

1 Fast Alle haben diese Bäume als wilde Ölbäume bezeichnet, aber
ich habe mich davon niemals überzeugen können. Offenbar handelt es
sich um Kiefern, die ja in Griechenland so häufig sind. ,
Ich vermute dass der Künstler eher ein Wandgemälde nachgeahmt
oder copiert hat, für dessen Landschaft das schon erwähnte Fresko von
Melos eine gute Parallele bietet.
s Vgl. zu dieser Tracht, die durch Fresken von Tiryns und myke-
nische Gefässe wie die bekannte Kriegervase belegt ist, Rodenwaldt,
Tityns II 203. Die Erklärung als Panzer ist hinfällig: ein solcher fehlt
überhaupt in der kretisch - mykenischen Bewaffnung.
‘ Dieser Helm, eine Lederkappe mit mehr oder minder reichem
Schmuck, häufig mit Backenklappen und einem Busch versehen, kehrt
z. B. wieder auf dem Goldring mit den Kriegern aus dem IV. mykeni-
schen Schachtgrabe und auf dem Carneol aus dem III., Reichel, a.a.O. 3.4.
Vgl. das schöne, etwas jüngere Beispiel aus Knossos, bei Evans, Tomb
of the Double Axes (1914) 27.
 
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