DIE SCHACHTGRÄBER VON MYKENAI 189
klar verratend, Blätter der Fächerpalme, die zum Teil dem
Umriss des Blattes folgend zackig ausgeschnitten sind,
Schmetterlinge und Tintenfische. Der Schmetterling ist in
der minoischen Kunst sehr selten. Das beste Beispiel, ein
Bronzebeil (Mosso, Preistoria II 245), zeigt eine viel naturali-
stischere Auffassung als die beiden steif und leblos stilisier-
ten, rein decorativen Gebilde unserer Plättchen. Und die
Tintenfische mit ihren zu Spiralen aufgerollten, streng sym-
metrisch im Runde disponierten Fangarmen sind vollends
von den wunderbar lebensvollen Polypen minoisch-mykeni-
scher Vasen und Steingefässe, auch von den gleich zu be-
sprechenden Schmuckstücken unseres III. und IV. Grabes
himmelweit entfernt1. Freilich ist die strenge Stilisierung
dem Zweck unserer Scheiben viel angemessener, sie wirkt
decorativ ausgezeichnet. Und die eben erwähnte rKamares’-
Vase warnt davor, bei unseren Tintenfischen etwa festlän-
disch-schematische Stilisierung im Gegensatz zu minoischem
Naturalismus zu construieren. Die kretischen Künstler waren,
wo die Umstände es wünschenswert erscheinen Hessen, in
heraldischer Stilisierung ebenso sehr Meister wie in lebens-
voller Naturwiedergabe. Das lehren z. B. die kostbaren Rhyta
(unten Cap. X).
Während das I. und IV. Grab keine goldenen Halsket-
ten enthalten, ist das III. ganz besonders reich daran. Frei-
lich finden sich verhältnismässig selten die, wie jene Adler
des V. Grabes, aus zwei gleichen Blechen zusammengesetzten
Glieder. Und wenn auch manche der jetzt einzeln erhaltenen
Bleche ursprünglich paarweise zusannnengehören mögen, so
gilt das natürlich nur für symmetrisch um eine Längsachse
componierte Darstellungen (Doppeltiere, Polypen, Schmetter-
linge). Ausserdem tragen eine Reihe dieser einzelnen Bleche
Fadenlöcher, die klar beweisen, dass sie einst auf dem Gewände
der Toten aufgenäht waren. Es ist ja auch begreiflich, dass
1 Auf Kreta kenne ick eine einzige streng stilisierte Darstellung des
Tintenfisches, auf der schönen mittelminoischen Vase aus der Kamares-
Grotte, Dawkins BSA. XIX, Taf. X. Alle die andern so zahlreichen Tinten-
fische minoischer Kunst sind frei naturalistisch gebildet.
klar verratend, Blätter der Fächerpalme, die zum Teil dem
Umriss des Blattes folgend zackig ausgeschnitten sind,
Schmetterlinge und Tintenfische. Der Schmetterling ist in
der minoischen Kunst sehr selten. Das beste Beispiel, ein
Bronzebeil (Mosso, Preistoria II 245), zeigt eine viel naturali-
stischere Auffassung als die beiden steif und leblos stilisier-
ten, rein decorativen Gebilde unserer Plättchen. Und die
Tintenfische mit ihren zu Spiralen aufgerollten, streng sym-
metrisch im Runde disponierten Fangarmen sind vollends
von den wunderbar lebensvollen Polypen minoisch-mykeni-
scher Vasen und Steingefässe, auch von den gleich zu be-
sprechenden Schmuckstücken unseres III. und IV. Grabes
himmelweit entfernt1. Freilich ist die strenge Stilisierung
dem Zweck unserer Scheiben viel angemessener, sie wirkt
decorativ ausgezeichnet. Und die eben erwähnte rKamares’-
Vase warnt davor, bei unseren Tintenfischen etwa festlän-
disch-schematische Stilisierung im Gegensatz zu minoischem
Naturalismus zu construieren. Die kretischen Künstler waren,
wo die Umstände es wünschenswert erscheinen Hessen, in
heraldischer Stilisierung ebenso sehr Meister wie in lebens-
voller Naturwiedergabe. Das lehren z. B. die kostbaren Rhyta
(unten Cap. X).
Während das I. und IV. Grab keine goldenen Halsket-
ten enthalten, ist das III. ganz besonders reich daran. Frei-
lich finden sich verhältnismässig selten die, wie jene Adler
des V. Grabes, aus zwei gleichen Blechen zusammengesetzten
Glieder. Und wenn auch manche der jetzt einzeln erhaltenen
Bleche ursprünglich paarweise zusannnengehören mögen, so
gilt das natürlich nur für symmetrisch um eine Längsachse
componierte Darstellungen (Doppeltiere, Polypen, Schmetter-
linge). Ausserdem tragen eine Reihe dieser einzelnen Bleche
Fadenlöcher, die klar beweisen, dass sie einst auf dem Gewände
der Toten aufgenäht waren. Es ist ja auch begreiflich, dass
1 Auf Kreta kenne ick eine einzige streng stilisierte Darstellung des
Tintenfisches, auf der schönen mittelminoischen Vase aus der Kamares-
Grotte, Dawkins BSA. XIX, Taf. X. Alle die andern so zahlreichen Tinten-
fische minoischer Kunst sind frei naturalistisch gebildet.