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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 41.1916

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Drittes Heft
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Möbius, Hans: Über Form und Bedeutung der sitzenden Gestalt in der Kunst des Orients und der Griechen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37286#0151
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FORM UND BEDEUTUNG DER SITZENDEN GESTALT

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unter dem Bild des thronenden Herrschers auf dem Richter-
stuhle vorgestellt1.
Diese Erklärung für das Aufkommen des Thrones genügt
vollkommen. Es ist durchaus nicht nötig, ihn mit Ed. Hahn2
als Erfindung eines bestimmten Volkes anzusehen, das seinen
Herrschersitz den unterworfenen Völkern aufzwang, oder mit
Lichtwark3 anzunehmen, daß man sich der Zugluft am Boden
entziehen wollte, die Inder und Orientalen ausnützen.
Einige Beispiele aus Zeiten primitiver europäischer Kultur
mögen zeigen, wie sich das Sitzen aus dem Kauern auf der
Erde entwickelt.
Schon aus dem Paläolithikum sind uns mehrere offenbar
kauernde Idole erhalten, gefunden in Predmost (Mähren)4, mit
seltsam aufgebogenen Beinstümpfen. Sie zeigen schon eine Eigen-
tümlichkeit prähistorischer Sitzfiguren: die Verkümmerung der
Beine, besonders der Unterschenkel, gegenüber dem Oberkörper.
In der Kultur der neolithischen bemalten Keramik — und
anscheinend auf diese beschränkt — finden sich die sitzenden
fast gleichberechtigt neben den kauernden Idolen; beide sind
meist weiblichen Geschlechts. Sitzende Frauen ohne Angabe
des Stuhles stammen aus Serbien, Südrußland5, Galizien6.
Frauen auf niederem Schemel aus thrakischen Gräbern7 erinnern
durch ihren Gürtel und die Armhaltung an ein kauerndes Idol
aus Kleinasien8. Einem ithyphallischen Mann aus Zerelia in
Thessalien9, der mit ausgestreckten Beinen am Boden hockt,
1 Vgl. z. B. Psalm 9,5.8. Gott als König: Psalm 47, 9. 93, 1. 99, 1.
Gott im Himmel thronend: Psalm 11,4. 123,1. Jesaia 6, 1. Hesekiel
1, 26. 10, 1.
2 Zeitschr. f. Ethnol. L 1918, 216 ff. (Den Hinweis auf diesen Auf-
satz verdanke ich Valentin K. Müller.)
8 Palastfenster und Flügeltür S. 184.
4 Obermaier, Der Mensch der Vorzeit 299, Fig. 191a.
5 Mannus I 1909, Taf. 29.
6 Wiener Prähist. Zeitsch. 111 1916, 6.
7 Hoernes, Urgesch. d. bild. Kunst3 319 Fig. 1—4. BCH. XXX 1906,
390f. fig. 25f. Vgl. Evans, Palace of Minos I 48 Abb. 13.
8 Aus Adalia. BSA. XIX 1912/13, 58 Fig. 5. Anderes Idol aus
Adalia: Dussaud, Civil, prehell. 359 Fig. 265.
9 Liverpool Annals of Archaeol. I pl. 51,3. Wace-Thompson, Pre-
historic Thessaly 163 fig. 110. Montelius, Grece preclassique 117 fig. 365.
 
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