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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 41.1916

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Drittes Heft
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Möbius, Hans: Über Form und Bedeutung der sitzenden Gestalt in der Kunst des Orients und der Griechen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37286#0180
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154

HANS MÖBIUS

auf Felsen1 oder einem lehnenlosen niedrigen Stuhl2, in der
Glyptik stets nach links gewandt. Auf dem großen Siegelring
in Berlin3 scheint als Sitz die Basis eines Kultgerätes gemeint
zu sein. Charakteristisch für die Haltung der Göttin ist in erster
Linie ihr tiefes Sitzen; das Gesäß befindet sich stets tiefer als
die Kniee und die Oberschenkel verlaufen schräg nach oben
(Taf. V 5). Offenbar liegt hier eine Erinnerung an das urtüm-
liche Sitzen auf der Erde vor, und ein Ring aus Mochlos4 zeigt
uns in der Tat die Göttin in einem Boot vor ihrem Schrein
kauernd.
Wichtiger ist es, daß wir auf einem Miniaturfresko in
Knossos5 Frauen auf der Erde sitzend finden, und daß im Palast
ein ganz niedriger Sitzstein6 erhalten ist, der gewiß für eine Frau
bestimmt war. Dennoch wäre es voreilig, der von Schuch-
hardt7 erwähnten Auffassung folgend allgemein anzunehmen,
daß noch in minoischer Zeit die Männer auf Stühlen gesessen,
die Weiber auf der Erde gekauert hätten. Dagegen sprechen
die Darstellungen sitzender Frauen, und das Gerät, das vor
dem eben erwähnten Sitzstein in den Boden eingelassen war,
beweist, daß jener nur bei Ausübung einer häuslichen Beschäftigung
benutzt wurde.

1 Großer Goldring aus Mykenae (Furtwängler, Gemmen Taf. II, 20.
Bossert2 Abb. 324c. K. i. B. III 92, 2). Siegel aus Hagia Triada (Mon.
dei Lincei XIII 1903, 43 Fig. 38). Elfenbeinrelief aus Mykenae (AJA. XVII
1913, 292 Fig. 4. Bossert2 Abb. 224). Stuckreliefs aus Pseira (Seager,
Univ. of Pennsylv. Anthrop. Publ. III pl. 5. Arch. Anz. 1923/24 Sp. 271/4
Abb. 1, 2).
2 Ring von Mykenae (Bossert2 Abb. 324i. JHS. XXI1901,175 Abb. 51,
danach hier Taf. V 5. K. i. B. III 92, 7). Siegel aus Zakro (JHS. XXII
1902, 77 Fig. 2 pl. 6 Nr. 3). Das Modell eines solchen Stuhles aus Ton ist
in Phylakopi gefunden worden (Excav. at Phyl. 206 Fig. 181).
3 Bossert2 Abb. 323 g. K. i. B. III 92, 10. Bemerkenswert die scharfe
Profilansicht.
4 Bossert2 Abb. 324 b. K. i. B. III 90, 6. Diese Darstellung ist aber
nicht beweiskräftig, da hier das Bild des kauernden Schiffers, wie wir
es aus allen Epochen -vorgriechischer und griechischer Kunst kennen,
eingewirkt haben könnte.
5 Bossert2 Abb. 62. K. i. B. III 92, 5.
6 BSA. VII 1900/1, 33. Mosso, Escursioni nel Mediterr. 115 fig. 61.
7 Alteuropa2 93ff.
 
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