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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 48.1923

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Pfuhl, Ernst: Bemerkungen zur archaischen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.29492#0190
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ERNST PFUHL

Formen mit breiten, aber nicht eckigen Schultern, deren gut
gerundeter Abfall durch den Gegensatz des gradlinigen Haares
betont wird. Brust und Hüften sind in dem lose fallenden
Chiton nur leicht angedeutet, dagegen kommen die strammen
Beine durch die in fein gefühlten Gratfalten ausgeprägte Raffung
gut zur Geltung.

Die Statuette hat entschieden altattischen Charakter, der hier
in zeitgemäßer Verfeinerung, aber noch nicht Überfeinerung
erscheint; wir kommen darauf zurück, vergleichen jedoch erst
die jiingere Kore. Sie zeigt selbstverständlich einen großen
Fortschritt, aber bis auf das leichte Vorschieben des linken
Fußes noch genau den gleichen Grundtypus. Der Fortschritt
ist zwiespältig: teils liegt er in wirklicher Entwicklung der Natur-
auffassung und deren verfeinertem Ausdrucke, teils in ornamen-
taler Erstarrung, die freilich dem Marmor Reize von erlesener
Feinheit abgewinnt. Hierher gehört bereits die Beseitigung der
Asymmetrie des Kolpos bis auf eine schwache Spur, gewiß
günstig für die Tektonik der Gestalt, aber zweifellos ein Ver-
lust an natürlicher Wirkung, zumal in Verbindung mit der Raf-
fung, die dadurch noch unwirklicher wird. Im Einzelnen sind
die Wellenlinien und Gratfalten zu einem raffinierten Relief-
ornament erstarrt; die Grate der Wellen sind durch scharfe
Furchen zerschnitten, und dazwischen erscheinen flache Mulden,
die Ieichte Schatten bilden. Die gerafften Gratfalten des Unter-
körpers sind nur noch zarteste Meißelschnitte von rein zeich-
nerischer Wirkung, also gar keine plastischen Stoffgrate mehr.
Ebenso unwirklich ist die Schichtung des Faltenbündels der
Paryphe, dies zwar alte Überlieferung, aber hier mit höchstem
Feingefühl dem wundervollen Kurvenleben der seitlichen Um-
risse dienstbar gemacht. Es ist die Gegenbewegung zu der
zarten Schweifung des Oberkörpers, ein Kunstmittel, das sich
auch unter ganz anderen Bedingungen findet; so bei der jiingeren
Kore mit den Sphinxaugen in dem Zuriickschwingen der Mantel-
zipfel 1. In den Umrissen zeigt sich das verfeinerte, nicht nur
elegante, sondern auch naturnahe Körpergefiihl deutlich, nicht
minder auch in dem fiir diese Zeit weitgehend ausgeprägten

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