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GABRIEL WELTER
dern an der Nordseite auf dem Kranzgesims entlang lief, und
daß der Zwickel zwischen Kranzgesims und Euthynterie mit
Erde angefüllt war, so daß letztere unsichtbar war. Später sei
das Niveau tiefer gelegt und der Absatz auf dem Kranzgesims
abgearbeitet worden. Dem widerspricht aber mit größter Be-
stimmtheit der Befund. Die Blöcke des Kranzgesimses zeigen
nämlich an ihren seitlichen Stoßflächen eine sauber ausge-
führte Anathyrose, deren Bänder der Oberkante und dem
geschwungenen Umriß des Kymas in gleichbleibender Breite
entlang laufen. Die vorhin erwogene Annahme einer Abarbeitung
der ursprünglich höheren Oberfläche wiirde ein hohes oberes
Anathyrosisband bei schmalen senkrechten Bändern voraus-
setzen, was nicht iiblich ist, und bei der Abarbeitung miißte
rein zufällig die Breite des oberen Bandes gleich groß wie die-
jenige der senkrechten Bänder ausgefallen sein! Das ist so
unwahrscheinlich, daß mit einer solchen gesuchten Annahme
gar nicht gerechnet werden darf. Vielmehr ist das Kranzgesims
in der jetzigen Gestalt urspriinglich. Die hintere Stoßfläche des
Kranzgesimses zeigt aber auch Anathyrosis, und zwar ist diese
gleichzeitig mit der Anathyrosis der seitlichen Stoßflächen ent-
standen, da die Bänder fiir beide Stoßflächen einheitlich und
ununterbrochen laufen: an die hintere Fläche des Kranzgesimses
stieß also das Pfiaster des Nikebezirks im Niveau der Ober-
kante des Kranzgesimses an. Pflaster und Kranzgesimse sind
demnach gleichzeitig entstanden.
Nun bleibt aber bei diesem Niveau die Tempeleuthynterie,
die doch unsichtbar sein mußte, sichtbar: der Schluß ist unab-
weisbar, daß das Kranzgesims nicht zum Niveau gehören kann,
das die Euthynterie als unsichtbar vorsah. Und doch ist das
Kranzgesims vom Tempel nicht zu trennen, weil die Euthynterie
an der Westseite und der NW-Ecke dem Kranzgesims ange-
arbeitet ist.
Dieser Widerspruch führt zur Lösung! Die Feststellung, daß
die oberste, halbe, Stufe der Treppe zu einer vollen ergänzt,
gleiche Höhe mit der Euthynterieoberkante haben würde (Dörp-
feld, A. M. XXXVI 1911, 57) ist völlig richtig. Es ist aber ebenso
richtig zu sagen, daß diese ergänzte Stufe mit der darunter lie-
genden zusammen eine Quaderhöhe der Pyrgosmauer (45 cm)
GABRIEL WELTER
dern an der Nordseite auf dem Kranzgesims entlang lief, und
daß der Zwickel zwischen Kranzgesims und Euthynterie mit
Erde angefüllt war, so daß letztere unsichtbar war. Später sei
das Niveau tiefer gelegt und der Absatz auf dem Kranzgesims
abgearbeitet worden. Dem widerspricht aber mit größter Be-
stimmtheit der Befund. Die Blöcke des Kranzgesimses zeigen
nämlich an ihren seitlichen Stoßflächen eine sauber ausge-
führte Anathyrose, deren Bänder der Oberkante und dem
geschwungenen Umriß des Kymas in gleichbleibender Breite
entlang laufen. Die vorhin erwogene Annahme einer Abarbeitung
der ursprünglich höheren Oberfläche wiirde ein hohes oberes
Anathyrosisband bei schmalen senkrechten Bändern voraus-
setzen, was nicht iiblich ist, und bei der Abarbeitung miißte
rein zufällig die Breite des oberen Bandes gleich groß wie die-
jenige der senkrechten Bänder ausgefallen sein! Das ist so
unwahrscheinlich, daß mit einer solchen gesuchten Annahme
gar nicht gerechnet werden darf. Vielmehr ist das Kranzgesims
in der jetzigen Gestalt urspriinglich. Die hintere Stoßfläche des
Kranzgesimses zeigt aber auch Anathyrosis, und zwar ist diese
gleichzeitig mit der Anathyrosis der seitlichen Stoßflächen ent-
standen, da die Bänder fiir beide Stoßflächen einheitlich und
ununterbrochen laufen: an die hintere Fläche des Kranzgesimses
stieß also das Pfiaster des Nikebezirks im Niveau der Ober-
kante des Kranzgesimses an. Pflaster und Kranzgesimse sind
demnach gleichzeitig entstanden.
Nun bleibt aber bei diesem Niveau die Tempeleuthynterie,
die doch unsichtbar sein mußte, sichtbar: der Schluß ist unab-
weisbar, daß das Kranzgesims nicht zum Niveau gehören kann,
das die Euthynterie als unsichtbar vorsah. Und doch ist das
Kranzgesims vom Tempel nicht zu trennen, weil die Euthynterie
an der Westseite und der NW-Ecke dem Kranzgesims ange-
arbeitet ist.
Dieser Widerspruch führt zur Lösung! Die Feststellung, daß
die oberste, halbe, Stufe der Treppe zu einer vollen ergänzt,
gleiche Höhe mit der Euthynterieoberkante haben würde (Dörp-
feld, A. M. XXXVI 1911, 57) ist völlig richtig. Es ist aber ebenso
richtig zu sagen, daß diese ergänzte Stufe mit der darunter lie-
genden zusammen eine Quaderhöhe der Pyrgosmauer (45 cm)