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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 9.1868

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Münz, Paul: Der Backenstreich in den deutschen Rechtsalterthümern und im christlichen Cultus
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https://doi.org/10.11588/diglit.62282#0355
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Der Backenstreich in den deutschen Rechtsalterthümern
und im christlichen Cultus
von
Dr. P. J. Münz.
Caplan zu Frankfurt a. Μ.

Aurem vollere, Jemanden am Ohre zupfen, hatte bei den alten
Börnern den Sinn Jemand an Etwas erinnern. ]) Ob man allgemein
die Ansicht des altern Plinius theilte, welcher behauptete, der Sitz des
Gedächtnisses sei im Ohre, 2) glauben wir nicht. Gleichwohl war es
römische Sitte, dass man denjenigen, welchen man bei einem Processe
zum Zeugen haben wollte, beim Ohre fasste und ihm die Worte zurief:
„Memento, quod tu mihi in illa causa testis eris.“ Dieses Verfahren
nannten die Römer antestari. Ein solches beschreibt Horaz : 3) Λ Casu
venit obvius Uli adversarius et „„Quo tu turpissime?“ “ magna in-
clamat voce, et „„Licet antestari?““ Ego vero oppono auriculam.
JRapit in jus.“
Dieselbe Sitte fand sich wohl auch bei den Griechen. Man
sieht nämlich auf mehreren geschnittenen Steinen ein Ohr zwischen dem
Zeigefinger und Daumen einer Hand mit der Unterschrift: MNHM0NH1.
Offenbar waren diese Steine oder die Ringe, in welche sie gefasst wa-
ren, Erinnerungszeichen an gewisse wichtige Begebenheiten oder Vor-
gänge des Lebens.4)
Ein ähnlicher Brauch begegnet uns bei den alten Hebräern.
Wenn 'der hebräische Sklave, der im 7. Jahre (im Jubeljahre) frei ge-
!) Cf. Virg. Ecclog. VI, 3. 4 Cum canerem reges et proelia, Cynthius aurem vellit
et admonuit. — 2) Histor. natur. XI, 45. Est in aure ima memoriae locus,
quem tangentes antestamur. — 3) Satir. IX. 74 sq. — 4) Vgl. Jahrbücher
des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande. Bonn 1863. Bd. 33
S. 143.
 
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