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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 14.1877

DOI article:
Schwartz, Karl: [Lebensnachrichten über den Regierungspräsidenten Karl von Ibell]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62666#0095

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dass das Gut in Wehen der Familie erhalten bleiben möchte, nicht in
Erfüllung.
Bevor wir die Lebensgeschichte des Präsidenten Ibell weiterführen,
können wir uns nicht versagen, hier eine Stelle aus einem von ihm nach
dem Tode der Mutter an seine Schwester Caroline gerichteten Briefe
einzuschalten, welcher wie alle seine an Familienglieder und vertraute
Freunde gerichteten Briefe seine edle Gesinnung und sein tiefes Gemüth
in einfacher, schöner Sprache wiederspiegelt. Die Stelle bezieht sich
auf ein zum Nachlasse der Mutter gehöriges Kästchen, in welchem die-
selbe ihre Schmucksachen aufbewahrte, und auf die gerührte Stimmung,
in welche der Sohn bei dem Anblicke dieses Kästchens versetzt worden
war. Sie lautet:
„Herzlichen Dank, meine gute Caroline, für Deine freundlichen
Antwortzeilen. Ich schrieb Euch, die Ihr mein Herz kennt, die paar
Zeilen, um Euch eine Idee von dem mitzutheilen, was in demselben
vorging, als Ihr mich so sehr bewegt sähet. Die Erinnerung, welche
der Anblick des bewussten Kästchens in mir erweckte, war durchaus
moralischer Natur. Denn die psychische Reminiscenz daran liegt so
weit in meiner Kindheit zurück, dass ich schlechterdings nichts mehr
davon wissen könnte. Auch das letzte Hinzeigen der verklärten Mutter auf
diese letzte Hilfsquelle für meine Studienkosten, wenn uns harte Un-
glücksfälle alle übrigen entziehen würden, war natürlicherweise nur ein
bildliches — in Worten, aber in unaussprechlich treuen Mutterworten,
die Dankbarkeit und Treue ewig in meinem Herzen bewahren werden!
Und dass die geliebte Heimgegangene für alle ihre Kinder und Enkel
die gleiche treue Mutterliebe im innersten Raume ihres Herzens ver-
schlossen trug, das weiss wahrscheinlich Niemand besser als ich. Aber
dass sie früher schon, viel früher als es sonst den Jahren nach zu ge-
schehen pflegt, mit mir in das schöne Verhältniss trat, welches zwischen
allen liebenden Eltern und treuen Kindern, sobald diese erwachsen sind,
sich bildet; das ist mir ein eben so theueres als begeisterndes Andenken
an die Verklärte. Und wie sehr und wie ganz war ihr liebender
frommer Sinn der Heimat schon zugewendet, als ich im vorigen
Sommer einige glückliche unvergessliche Tage bei ihr zubrachte. Was
dem Staube angehört, war schon von ihr genommen — die meisten Er-
innerungen an die Mühen und Plagen um des physischen Lebens und
Wohlseins Erhaltung, die Freude an dem Besitze der dazu nöthigen
oder nützlichen Dinge u. s. w., denn von allem dem, meine gute
Caroline, nehmen wir, nach meinem Glauben, keine Schätze der Erinne-
rung mit in unsere künftige Existenz, die in der Fortdauer des Selbst-
bewusstseins, von allen sinnlichen Beziehungen, welche das irdische Leben
 
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