Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 19.1903

DOI Heft:
2. Heft
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.43187#0028
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1903

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 2

spruchslosenVerzierungden
Reiz der Neuheit zu ver-
leihen. Sie versagt aber u.E.,
sobald das Ornament in
selbständigerer Form auf-
tritt. Dieses Gefühl einer
gewissen Leere stellt sich
häufig bei wiederholter Be-
trachtung moderner Orna-
mente ein, die beim ersten-
mal uns reizvoll erschienen.
Wir vermissen in dem an
sich gefälligen Rhythmus
der Linie und bei aller gut
abgewogenen Flächenfül-
lung eben doch das leben-
dige Moment, durch das
eine Verzierung uns auch
bei wiederholterBetrachtung
zu fesseln vermag. Deshalb
verwendet Bürck auch viel-
fach (vergl.die kleine Schluss-
leiste auf Seite 3 im vorigen
Heft und das grosse Orna-
ment auf Seite 11) recht ge-

vh

Flächenmuster.

Paul Bürck in Darmstadt.



schickt dargestellte Köpfe.
Die Umschau nach neuen

Motiven hat in letzter Zeit sehr

mannigfaltige Ergebnisse gehabt. Neben dem Bestreben, Orna-
mente aus der Aneinanderreihung anscheinend willkürlich ge-
bildeter Formen zu gewinnen, deren Vorbilder nicht ohne
weiteres mehr erkennbar sind, und neben der schon eingangs

erwähnten, immer

häufiger werdenden
bewussten oderunbe-
wussten Anlehnung
an die gotischen
Ueberlieferungen, na-
mentlich im konstruk-


Vom 2. Eingang zur Sparkasse
in Essen ä. Ruhr.

Architekt: Joh. Heeren in Essen a. Ruhr.
Modelliert von Rob. Schirmer in Berlin.

gehende Auftreten eigenartiger Formen, wie der ohrmuschel-
ähnlichen, wie aus Teig geschaffenen Bildungen des Spätbarock,
deren Bedeutung für den räumlich und zeitlich Fernstehenden
infolge der mangelnden Kenntnis der Ideenverbindung meist
ebenso schwer zu enträtseln ist, wie deren ganz allgemeine
begeisterte Anwendung.
Aber mag man auch zur Verstärkung der mystischen
Stimmung ägyptische oder babylonisch-assyrische Formen und
Figuren für besonders geeignet halten und gelegentlich sogar
einmal an der Decke eines Salons, wie einst die Sphinxe, assy-
risch frisierte und gekleidete Frauengestalten anzubringen für
gut finden, so wird doch niemand in Abrede stellen können,
dass ein derartiges Zurückgehen auf bisher bei uns allerdings
noch wenig oder gar nicht benutzte Formen, auf künstlich naive
Zeichnung und Malerei wider besseres Wissen und Können
eben auch nur eine Modelaune ist, wie die jetzt so viel ge-
schmähte Nachbildung unsrer überlieferten Stile. Zudem
möchten wir sehr stark bezweifeln, dass daraus auch nur an-
nähernd so wertvolle dauernde Früchte für unser ganzes
Kunstschaffen erwachsen können, wie die technische Schulung
unsrer Generation durch die Nachbildung der alten gotischen,
Renaissance- und Barockarbeiten.

tiven Aufbau neuer Schöpfungen, zeigt sich vielfach eine be-
sondre Vorliebe für die Formen zum Teil längst vergangener
und wenn auch in ihrer Art hochentwickelter, doch für unser
Gefühlsleben durchaus fremder Kulturen. Man erkennt daran
unschwer den Einfluss der Ergebnisse der neueren ethno-
logischen Forschungen auf die Phantasie unsrer Künstler.
Naturgemäss haben Wiederentdeckungen ganzer in Ver-
gessenheit versunkener Kulturen und bedeutende Erweiterungen
des Gesichtskreises jederzeit eine hervorragende Wirkung auf
die Entwickelung der angewandten Kunst ausgeübt und sie

Konsole aus dem Künstlerhaus
in Berlin.
Architekt: Professor Karl Hoffacker
in Karlsruhe.
Modelliert von Rob. Schirmer in Berlin.


zu Zeiten in ganz neue Bahnen
gedrängt. Wir brauchen uns bloss
die Wiederentdeckung der Antike
zur Renaissancezeit und die eben-
so überraschende Entdeckung
der altägyptischen Kunst durch
die den General Bonaparte auf
seinem Feldzuge nach den Pyra-
miden begleitenden Gelehrten,
oder den Einfluss Ostasiens auf
den Geschmack der Barock- und
Rokokozeit zu vergegenwärtigen.
Aus derartigen fremden Einflüssen
erklärt sich meist das vorüber-

Bliebe es dabei, dass nur die Schöpfungen von in künst-
lerischer Beziehung höchststehenden Kulturen herangezogen
und in einer unsrer Kultur entsprechenden Weise geistig ver-
arbeitet und benutzt würden, so entspräche das ja durchaus
der gesunden Entwickelung, die auf dem Erbe der Vergangen-
heit weiterbaut.

Vom 2. Eingang- zur Sparkasse in Essen a. Ruhr. Architekt: Joh. Heeren in Essen a. Ruhr.
Rechtes Seitenstück. Modelliert von Rob. Schirmer in Berlin.


10
 
Annotationen