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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 19.1903

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1903

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 10


Hochschulen für die bildenden Künste und für Musik in Berlin-Charlottenburg.
Gesamtansicht von Südosten her.

Architekten: Kayser & von Groszheim, Bauräte in Berlin.

Die Hochschulen für die bildenden Künste und für Musik in Berlin.

Von Professor

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Akademie der Künste, deren mangelhafte Unter-
z kunft schon zu Schadows Zeiten zu den leb-
haftesten Klagen Anlass bot, hat es volle zwei Jahr-
hunderte hindurch in dem alten von Nering errichteten Gebäude

unter den Linden ausgehalten, dessen erste Einrichtung der
Zeichensäle von Andreas Schlüter herrührt.

Vor wenigen Jahren erst erliess das Kultusministerium
die Aufforderung für einen Wettbewerb um den Neubau der
Hochschulen der bildenden Künste und für Musik, wobei
Adolph Hartung und die Architekten Kayser & von Grosz-
heim als Sieger hervorgingen. Diesen letzteren wurde die
Ausführung übertragen, aber nicht an der ursprünglich ge-
wählten, für den Unterricht weniger günstigen Stelle an der
Stadtbahn, sondern auf einem etwas grösseren und ruhigeren
Gelände westlich der Ingenieurakademie, in geringer Entfernung
von der Technischen Hochschule zu Charlottenburg.
Die den Künstlern gestellte Aufgabe war insofern be-
sonders schwierig, als auf dem etwas knappen Bauplatz in
Verbindung mit den zahlreichen Ateliers für Lehrer und
Schüler, mit Unterrichts- und Verwaltungsräumen auch eine
Aula und Ausstellungssäle, dann Dienstwohnungen, ein Konzert-
saal u. s. w. zu schaffen waren. Eine zweite Schwierigkeit be-
stand in den verhältnismässig geringen zur Verfügung stehenden
Mitteln, eine dritte in der Forderung der Geltendmachung
beider Anstalten in ihrer architektonischen Erscheinung nach
aussen. Dass hierüber gerade die Meinungen sehr verschieden
sein konnten, glauben wir daran erkennen zu sollen, dass in
dem ersten Entwurf die Hochschule für Musik die bevorzugte
Stelle an der Hardenbergstrasse einnahm, während in der von
der Behörde gewünschten Umarbeitung die Hochschule für
die bildenden Künste die erste Stelle inne hat, wobei in-
dessen die Hochschule für Musik, die sich nach der Fasanen-
strasse hin entwickelt, durch eine geschickt vorgeschobene
Vestibülanlage der Hauptfront der ganzen Baugruppe durchaus
würdig und selbständig angeschlossen wird.— Die Architekten
entzogen sich dadurch mit seltenem Geschick zum Teil wenig-
stens der bedrängten Lage durch Raumnot, in welche
bureaukratische Engherzigkeit sie zu bringen drohte.
Wie die Gruppe jetzt dasteht, bildet sie ein bedeutsames
architektonisches Moment in dem Stadtbilde von Charlotten-
burg, das sich in der gewaltig emporblühenden Bebauung
dieses Teiles der Lieblingsresidenz der geistreichen Sophie
Charlotte sehr bald von massgebendem Einfluss erweisen
dürfte.

Kommt man von der Kaiser Wilhelm-Kirche her, so gibt
der Turmbau der Akademie, der gegenüber dem ersten Ent-
wurf hier gewissermassen als Point de vue für ein grösseres

P. Walle.
Strassennetz bestimmt wurde, der Anlage etwas Schlossartiges,
das bedeutsam an die Entwickelung Charlottenburgs und seine
Glanzzeit erinnert. Im Vordergrund aber erhebt sich mit reiz-
vollem wuchtigem Umriss der reich gegliederte Vorbau mit
der Wandelhalle des grossen Musiksaals, der für öffentliche
Aufführungen bestimmt ist. Die selbständige Wirkung dieser
ausdrucksvollen Gruppe von Norden her würde zweifellos
noch mehr zur Geltung kommen, wenn ein Park die Archi-
tekturen beider Hochschulen hätte trennen können. Hinsicht-
lich der Gruppierung ist alles geschehen, durch künstlerische
Betonung der Eckflügel und die Hervorhebung der Treppen-
häuser vermittels Turmbauten den malerischen Umriss des
Ganzen reicher zu gestalten und zugleich alle Uebergänge in
harmonischer Weise zu vermitteln.
Die Hochschule für die bildenden Künste bildet
eine in sich geschlossene Anlage mit einem grossen garten-
artigen Innenhof, zu dessen Nordflügel parallel an der Kur-
fürstenallee Meisterateliers und Modellierklassen mit Nordlicht
angelegt sind. Edle Verhältnisse kennzeichnen den Portalbau
der Akademie, dessen architektonischer Aufbau im Ober-
geschoss von einer reich bewegten Figurengruppe in der
ganzen Breite des Giebels überragt wird. Darüber erhebt sich
der stark eingezogene Turmaufsatz mit der von dem Kaiser-
adler bekrönten Uhrgalerie. Zwischen dem Portalbau und den
etwas einfacher gehaltenen Risaliten dehnen sich die fünf-
achsigen Langflügel, deren Halbrundarkaden unten glatt im
Quaderwerk liegen, oben mit einer profilierten Umrahmung ge-
schlossen sind.
Durch die Eintrittshalle gelangt man in die mit Statuen
geschmückte, in ihrer Einfachheit ausgezeichnet wirkende
grosse Halle, der sich als Abschluss einer dahinter fol-
genden Oberlichthalle der überraschend schöne Antikensaal
anfügt. Man passiert auf diesem Wege zwei breite Quer-
flure, die einmal zur Bibliothek bezw. zu den Diensträumen,
den Haupttreppen und einigen Meister-

Lageplan der Hochschulen für die bildenden Künste und für
Musik in Berlin-Charlottenburg (an der Hardenbergstrasse).


das andere Mal zu
ateliers führen.
Die breiten, an
den Innenhöfen an-
geordneten Auf-
gänge münden auf
helle Korridore,
zwischen denen
die Aula in un-
mittelbarer Verbin-
dung mit den die
ganze Front ein-
nehmenden Aus-

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