1903
ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 2
Entwurfskizze zu einer Kirche. Architekt: Josef Reuters in Wilmersdorf,
weiss mit gelben Umrahmungen. Auf die Bestimmung des Hauses deutet
ein im Oiebelaufbau der Nordfassade eingelassenes polychromes Relief der
hl. Cäcilia. Bei aller Einfachheit ist der kleine Bau durch die geschickte
Gruppierung der Massen und die lebhafte Farbengebung von ungemein
malerischer Wirkung. Durch die symmetrisch angelegten Umfassungsmauern
tritt er in Beziehung zu dem daneben liegenden Pfarrhaus (siehe Tafel 69,
Jahrgang 1898) und bildet mit diesem zusammen ein Architekturbild von
ausgezeichneter künstlerischer Wirkung.
Tafel 15. Grabmal der Familie O. Schultz auf dem Stöckener-
friedhofe in Hannover. Architekt: Professor Dr. A. Haupt in
Hannover.
Dem Architekten war es aufgegeben, über einem bestehenden Grab-
gewölbe von etwa quadratischem Grundriss, welches ca. 70 cm hoch über
den Erdboden hervorragte, einen krönenden Aufbau zu
schaffen. Dieser ist in französischem weissem Sandstein
aus Courson bei Auxerre ausgeführt, die Bedachung mit
kleiner Mittelkuppel in Kupfer und Schmiedeisen, teil-
weise vergoldet. Es war die Absicht, das Ganze im
Geiste der Neuzeit mit Anschluss an die bewährten
Formen der Renaissance zu gestalten. Die Kosten des
Aufbaues haben etwa 7500 Mark betragen.
Tafel 16. Schulhaus an der Guldein-
strasse in München. Architekt: Professor Theo-
dor Fischer in Stuttgart.
Das an der Ecke der Guldein- und Schnaderböck-
strasse im rasch angewachsenen Westen der Stadt ge-
legene Schulhaus ist eines der letzten Bauwerke, die
Th. Fischer in seiner Eigenschaft als städtischer Bau-
amtmann in München ausgeführt hat. Es enthält in
vier Geschossen neunundzwanzig Klassenzimmer, fünf-
zehn für Mädchen, vierzehn für Knaben, ein Oberlehrer-
zimmer, zwei Lehrmittel- und ein Bibliothekzimmer,
zwei Turnhallen mit Garderoben und eine Schulküche;
ferner Räume für einen Kindergarten, die Kindergärt-
nerin, eine Wohnung für den Hausmeister, Brausebad,
Suppenküche und Suppensaal nebst den notwendigen
Nebenräumen. Bei den Lehrsälen sind die Garderoben
zum Teil in die Säle eingebaut, zum Teil liegen sie separat
daneben. Das Aeussere lässt in der Gruppierung der
Massen schon die Bestimmung der einzelnen Bauteile
erkennen. Das Mauerwerk ist über einem betonierten
Sockel in Backstein ausgeführt und in der Weise dünn
verputzt, dass die Backsteinstruktur nicht verdeckt, son-
dern überall als massgebend für die Formgebung sicht-
bar ist. Aber der vermittelnde dünne Putzüberzug
nimmt dem Backsteinmauerwerk den ihm anhaftenden kleinlichen Charak-
ter, er schafft Flächen und erhöht damit die Wirkung des Baues als
Ganzes. Auch der ornamentale Schmuck an den Flächen über den Fenstern
u. s. w. ist ganz aus dem Material geschöpft — verschiedene Behandlung
des Putzes in seiner Struktur in Verbindung mit einfacher Farbengebung hell
und dunkel. In dieser Technik hergestellter bildlicher Schmuck ziert die
Wände der Turnhalle — turnende Kindergestalten in Ornamentfeldern
und die leicht vorgekragten, vom ersten Stockwerk an aufsteigenden, oben
in Giebel endigenden Erkervorsprünge. In der Mitte derselben erhebt
sich je ein Maibaum, geschmückt mit den Symbolen und Darstellungen der
mannigfaltigsten Gewerbe. Flinter dem Schulhaus liegt der eingefriedigte
Schulhof und, davon für sich abgetrennt, ein Gemüsegarten für die Schul-
küche und ein Platz für den Kindergarten.
Textblatt: Foyer des neuen Hoftheaters in Wiesbaden.
Architekt Baurat A. Genz/ner in Wiesbaden.
Stuckarbeiten und Modelle der Kandelaber am Treppenaufgang von
Bildhauer Alb. Rretzschmar in Berlin. Bronzekandelaber ausgeführt von
der A.-G. Gasapparat- und Gusswerke in Mainz.
Textblatt: Detail vom Geschäftshaus der Versicherungs-
gesellschaft Wilhelma, Taubenstrasse 17 18 in Berlin. Archi-
tekten: Professor Solf & Wichards in Berlin.
Textblatt: Entwurfskizze zu einer Kirche. Architekt:
Josef Reuters in Wilmersdorf.
Textblatt: Entwurf zu einem Wohnhaus. Architekt:
Oskar Marmorek in Wien.
Berichtigung. In Heft 12 des letzten Jahrgangs ist als Verfasser
der Tafel 92 irrtümlich Architekt Ernst Beer in München angegeben worden,
während Herr Architekt Ernst Bast die »Schlösser in der Umgebung von
Nürnberg aufgenommen und gezeichnet hat.
Bücherbesprechung.
Die Entstehung der Stile aus der politischen Oekonomie. Eine Kunst-
geschichte von Franz Feuerherd. Erster Teil: Die bildende Kunst der
Griechen und Römer. Mit 2 Tafeln. Braunschweig und Leipzig, Verlag
von Richard Sattler 1902, Preis geh. 3,60 Mk.
Der Verfasser will nicht eine beschreibende Kunstgeschichte liefern,
deren bereits genug vorhanden sind, sondern die Gesetze der Erscheinungen
finden, d. h. die Ursachen darlegen, welche das Entstehen eines Stiles
herbeiführen und den Uebergang zu einem andern veranlassen, um daraus
dann die Ausgangspunkte für die Entwickelung eines bestimmten Stiles zu
ermitteln, also die Gesetzmässigkeit in der Wandelung der Kunstformen nach-
weisen, die über den freien Willen des Künstlers hinaus die Richtung des
Entwickelungsganges vorschreibt. Statt rückblickender Betrachtungen über
die Formen an der Hand erhaltener hervorragender Beispiele und statt bio-
graphischer Mitteilungen über die bedeutendsten Künstler gibt der Verfasser
eine anschauliche Darstellung der Staats- und Gesellschaftsformen sowie
der Arbeitsweise der Zeiten als der Grundlagen, auf denen jedes Kunst-
schaffen folgerichtig sich aufbauen muss. Der trotz der mehrfachen wört-
lichen Wiederholungen ganzer Perioden anziehend geschriebene erste Band
beschäftigt sich mit der Kunst der Griechen und Römer bis zu Hadrian.
Der 2. und 3. Teil sollen die bildende Kunst des Mittelalters und der
Renaissance und des 16. bis 19. Jahrhunderts behandeln.
Notiz.
Berlin. Das dem Erbauer der Berliner Stadt- und Ringbahn, dem
verstorbenen Oberbaurat Ernst Diercksen, an der Südseite des Bahnhofs
Friedrichstrasse, vor dem Eingang der Kaiserzimmer errichtete Denkmal
ist am 13. September enthüllt worden. Es besteht aus einer von Prof.
Ludw. Brunow modellierten Bronzebüste in anderthalbfacher Lebensgrösse,
die auf einem Sockel aus poliertem Granit steht.
Für die Redaktion verantwortlich : Oberbaurat Carl Weigle in Stuttgart.
16
ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 2
Entwurfskizze zu einer Kirche. Architekt: Josef Reuters in Wilmersdorf,
weiss mit gelben Umrahmungen. Auf die Bestimmung des Hauses deutet
ein im Oiebelaufbau der Nordfassade eingelassenes polychromes Relief der
hl. Cäcilia. Bei aller Einfachheit ist der kleine Bau durch die geschickte
Gruppierung der Massen und die lebhafte Farbengebung von ungemein
malerischer Wirkung. Durch die symmetrisch angelegten Umfassungsmauern
tritt er in Beziehung zu dem daneben liegenden Pfarrhaus (siehe Tafel 69,
Jahrgang 1898) und bildet mit diesem zusammen ein Architekturbild von
ausgezeichneter künstlerischer Wirkung.
Tafel 15. Grabmal der Familie O. Schultz auf dem Stöckener-
friedhofe in Hannover. Architekt: Professor Dr. A. Haupt in
Hannover.
Dem Architekten war es aufgegeben, über einem bestehenden Grab-
gewölbe von etwa quadratischem Grundriss, welches ca. 70 cm hoch über
den Erdboden hervorragte, einen krönenden Aufbau zu
schaffen. Dieser ist in französischem weissem Sandstein
aus Courson bei Auxerre ausgeführt, die Bedachung mit
kleiner Mittelkuppel in Kupfer und Schmiedeisen, teil-
weise vergoldet. Es war die Absicht, das Ganze im
Geiste der Neuzeit mit Anschluss an die bewährten
Formen der Renaissance zu gestalten. Die Kosten des
Aufbaues haben etwa 7500 Mark betragen.
Tafel 16. Schulhaus an der Guldein-
strasse in München. Architekt: Professor Theo-
dor Fischer in Stuttgart.
Das an der Ecke der Guldein- und Schnaderböck-
strasse im rasch angewachsenen Westen der Stadt ge-
legene Schulhaus ist eines der letzten Bauwerke, die
Th. Fischer in seiner Eigenschaft als städtischer Bau-
amtmann in München ausgeführt hat. Es enthält in
vier Geschossen neunundzwanzig Klassenzimmer, fünf-
zehn für Mädchen, vierzehn für Knaben, ein Oberlehrer-
zimmer, zwei Lehrmittel- und ein Bibliothekzimmer,
zwei Turnhallen mit Garderoben und eine Schulküche;
ferner Räume für einen Kindergarten, die Kindergärt-
nerin, eine Wohnung für den Hausmeister, Brausebad,
Suppenküche und Suppensaal nebst den notwendigen
Nebenräumen. Bei den Lehrsälen sind die Garderoben
zum Teil in die Säle eingebaut, zum Teil liegen sie separat
daneben. Das Aeussere lässt in der Gruppierung der
Massen schon die Bestimmung der einzelnen Bauteile
erkennen. Das Mauerwerk ist über einem betonierten
Sockel in Backstein ausgeführt und in der Weise dünn
verputzt, dass die Backsteinstruktur nicht verdeckt, son-
dern überall als massgebend für die Formgebung sicht-
bar ist. Aber der vermittelnde dünne Putzüberzug
nimmt dem Backsteinmauerwerk den ihm anhaftenden kleinlichen Charak-
ter, er schafft Flächen und erhöht damit die Wirkung des Baues als
Ganzes. Auch der ornamentale Schmuck an den Flächen über den Fenstern
u. s. w. ist ganz aus dem Material geschöpft — verschiedene Behandlung
des Putzes in seiner Struktur in Verbindung mit einfacher Farbengebung hell
und dunkel. In dieser Technik hergestellter bildlicher Schmuck ziert die
Wände der Turnhalle — turnende Kindergestalten in Ornamentfeldern
und die leicht vorgekragten, vom ersten Stockwerk an aufsteigenden, oben
in Giebel endigenden Erkervorsprünge. In der Mitte derselben erhebt
sich je ein Maibaum, geschmückt mit den Symbolen und Darstellungen der
mannigfaltigsten Gewerbe. Flinter dem Schulhaus liegt der eingefriedigte
Schulhof und, davon für sich abgetrennt, ein Gemüsegarten für die Schul-
küche und ein Platz für den Kindergarten.
Textblatt: Foyer des neuen Hoftheaters in Wiesbaden.
Architekt Baurat A. Genz/ner in Wiesbaden.
Stuckarbeiten und Modelle der Kandelaber am Treppenaufgang von
Bildhauer Alb. Rretzschmar in Berlin. Bronzekandelaber ausgeführt von
der A.-G. Gasapparat- und Gusswerke in Mainz.
Textblatt: Detail vom Geschäftshaus der Versicherungs-
gesellschaft Wilhelma, Taubenstrasse 17 18 in Berlin. Archi-
tekten: Professor Solf & Wichards in Berlin.
Textblatt: Entwurfskizze zu einer Kirche. Architekt:
Josef Reuters in Wilmersdorf.
Textblatt: Entwurf zu einem Wohnhaus. Architekt:
Oskar Marmorek in Wien.
Berichtigung. In Heft 12 des letzten Jahrgangs ist als Verfasser
der Tafel 92 irrtümlich Architekt Ernst Beer in München angegeben worden,
während Herr Architekt Ernst Bast die »Schlösser in der Umgebung von
Nürnberg aufgenommen und gezeichnet hat.
Bücherbesprechung.
Die Entstehung der Stile aus der politischen Oekonomie. Eine Kunst-
geschichte von Franz Feuerherd. Erster Teil: Die bildende Kunst der
Griechen und Römer. Mit 2 Tafeln. Braunschweig und Leipzig, Verlag
von Richard Sattler 1902, Preis geh. 3,60 Mk.
Der Verfasser will nicht eine beschreibende Kunstgeschichte liefern,
deren bereits genug vorhanden sind, sondern die Gesetze der Erscheinungen
finden, d. h. die Ursachen darlegen, welche das Entstehen eines Stiles
herbeiführen und den Uebergang zu einem andern veranlassen, um daraus
dann die Ausgangspunkte für die Entwickelung eines bestimmten Stiles zu
ermitteln, also die Gesetzmässigkeit in der Wandelung der Kunstformen nach-
weisen, die über den freien Willen des Künstlers hinaus die Richtung des
Entwickelungsganges vorschreibt. Statt rückblickender Betrachtungen über
die Formen an der Hand erhaltener hervorragender Beispiele und statt bio-
graphischer Mitteilungen über die bedeutendsten Künstler gibt der Verfasser
eine anschauliche Darstellung der Staats- und Gesellschaftsformen sowie
der Arbeitsweise der Zeiten als der Grundlagen, auf denen jedes Kunst-
schaffen folgerichtig sich aufbauen muss. Der trotz der mehrfachen wört-
lichen Wiederholungen ganzer Perioden anziehend geschriebene erste Band
beschäftigt sich mit der Kunst der Griechen und Römer bis zu Hadrian.
Der 2. und 3. Teil sollen die bildende Kunst des Mittelalters und der
Renaissance und des 16. bis 19. Jahrhunderts behandeln.
Notiz.
Berlin. Das dem Erbauer der Berliner Stadt- und Ringbahn, dem
verstorbenen Oberbaurat Ernst Diercksen, an der Südseite des Bahnhofs
Friedrichstrasse, vor dem Eingang der Kaiserzimmer errichtete Denkmal
ist am 13. September enthüllt worden. Es besteht aus einer von Prof.
Ludw. Brunow modellierten Bronzebüste in anderthalbfacher Lebensgrösse,
die auf einem Sockel aus poliertem Granit steht.
Für die Redaktion verantwortlich : Oberbaurat Carl Weigle in Stuttgart.
16