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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 19.1903

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3. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.43187#0043
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1903

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 3


Füllung.

Architekt: W. Kimbel in Berlin.
Ausgeführt von Kimbel & Friederichsen daselbst.

soll, wird abgelenkt durch allzu Naturalistisches: Pflanze,
Garten, Wald oder Wiese. Die Bilder tauchen auf, mit denen
das Bild der bestimmten Pflanze sich verquickt, unwillkür-
lich — unbewusst! Diesen Eindruck, diese Wirkung soll
das Ornament in den weitaus meisten Fällen vermeiden. Es
ist eben kein Stillleben. Es soll vielmehr wirken durch Um-
stricken und Gefangennehmen, auch unbewusstes Hinlenken
der Phantasie auf die Hingabe an die Form, ihren Rhythmus,
auf Ergänzen und Weiterführen, wie dies beim alten orientali-

Vom künstlerisch gestalteten Geschmeide könnten wir
auch die richtige Bemessung der Wirkung und den Verzicht
auf das Kleinliche lernen. Nicht immer wird diese Grenze
innegehalten. Wir sehen nicht selten auch an einem be-
deutenderen Gebäude die ruhige Fläche zurückgedrängt durch
ein allzufeines und infolgedessen krauses Ornament, dessen
geringe Tiefe und allzugrosse Zartheit der Modellierung eine
wenig glückliche Uebertragung der beim modernen Möbel an-
gebrachten Arbeitsweise auf den Stein verraten.

sehen Flächenornament so wunder¬
voll mehr nachzufühlen als bewusst
zu erkennen ist.
Wenn der eigenen Phantasie
nichts mehr hinzuzufügen bleibt, wenn
nicht hin und wieder eine Unregel¬
mässig¬
keit, eine
Abwei¬
chung die
Freude
etwas
Neues ge¬
sehen zu
haben er¬
regt, wirkt das Ornament matt und langweilig. Und lang-
weilig ist das orientalische Ornament nur, soweit Fabrikarbeit
es ertötet.

Neue Motive, die viele so müh-
sam suchen, um nicht immer wieder
die althergebrachten Pflanzen- und
geometrische Motive, Band- und
Flechtwerk darstellen zu müssen, an
denen man sich seit Jahrhunderten
satt ge-
sehen,
neueMo-
ti vebietet
die uner-
schöpf-
licheNatur
in über-
wältigen¬
der Fülle. Neu und bahnbrechend hat in dieser Richtung
Häckel, der Maler, Naturwissenschaftler und Künstler zugleich
ist, gewirkt mit seinen »Zierformen der Natur«. Welche


Eingang zur Sparkasse in Essen a. d. Ruhr.

Architekt: Joh. Heeren in Essen a. d. Ruhr.
Modelliert von Rob. Schirmer daselbst.

Halten wir deshalb das Gute und Eigenartige fest, das
uns die letzten Jahre gebracht haben, und entwickeln wir es
immer mehr im nationalen Sinne, aber hüten wir uns auch zu-
gleich vor den Fehlern, in die, wie die Vergangenheit lehrt,
der deutsche Ornamentiker leichter als andere verfällt, weil
seine unerschöpflich sprudelnde Phantasie ihn zu immer aus-
führlicheren Schilderungen verleitet. Immer wieder müssen wir
uns vor Augen halten, dass, wenn auch der besondere Inhalt
dem deutschen Ornament seinen eigentümlichen und immer
von neuem wirksamen Reiz verleiht, doch weder die Masse
des Dargestellten noch der Reichtum der einzelnen Darstellung-
ausschlaggebend sind für den Wert des Ornamentes, sondern
die vollendete künstlerische Wiedergabe und Behandlung der
Einzelheiten bei knappem, leichtverständlichen Gedanken-
ausdruck und die massvolle und richtige Verteilung des Orna-
mentes, so dass dieses auch wirklich als vornehmer Schmuck
des betreffenden Gebäudes oder Gerätes auftritt, wie man
kostbares Geschmeide auch nur in einzelnen Stücken trägt.


Füllung.

Architekt: W. Kimbel in Berlin.
Ausgeführt von Kimbel & Friederichsen daselbst.

unendliche Fülle von Abwechslung bietet die Zoologie in
der Zeichnung der Häute u. s. w. (Schlangen, Schildkröten,
Fische, Insekten), in den Einzelheiten der Schuppen, Federn,
der Behaarung, der Glieder und Flügeldecken. Geologie und
Paläontologie geben uns in den Resten der Urwelt, nament¬

lich aus
der Kreide-
zeit, un-
zählige
schöne
Muschel-
und Ko-
rallenfor-
men, Dia-
tomeen,
Radio-
larien,
Kiesel-
schwäm-
me u. dgl.
Jedes
Hand-
buch der
Versteine¬
rungs¬
kunde
gibt gute
Abbildun-
gen da-
von.


Kartusche.

Architekten: Kristeller & Sonnenthal in Berlin.
Modelliert von Rob. Schirmer daselbst.

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