1903
A RCHI TEKTONISCHE R UNDSCHA U
Heft 3
verfehlt. Wie würden die prächtigen Stoffe in andrer Um-
rahmung aussehen, wenn das tiefe Violett, das leuchtende Rot
oder die zarten Blumenmuster derselben nicht durch das schwere
Rot der Ziegelsteinpfeiler und die darauf gesetzten grossen
schwarzen Firmenschilder mit Goldbuchstaben beeinträchtigt
würden.
Schwarze Marmoreinfassungen würden sich für die Aus-
lage derartiger feiner Seidenstoffe ebensowenig eignen, während
sie, in Hochglanz poliert, für die Ausstellung von Mänteln
und stumpfen einfachen Stof¬
fen recht geschmackvoll wir¬
ken können. Dagegen vertra¬
gen sich der graue gestockte
Granit und andre Steinarten
in neutralen Farben sehr gut
mit den verschiedenartigsten
Waren, auch weisser Wäsche;
hellroter Sandstein eignet sich
gut für Metallwaren, blass¬
roter Granit für Gläser. Ju¬
welen können schon schwar¬
zen polierten Marmor ver¬
tragen. Als beachtenswertes
Beispiel vornehmer Schau¬
fensterumrahmungen sind das
Gebr. Henckelsche Verkaufs¬
haus in der Leipzigerstrasse
und der Equitablepalast an
der Ecke der Friedrich- und
Leipzigerstrasse zu nennen,
dessen mattgraue Granitpfeiler
mit geschliffenen grünlichen Firmenschildern und patinierten
Bronzeauflagen zusammen mit dem dunkleren Sockel eine wahr-
haft vornehme Einfassung für die Auslagen verschiedenster
Art bilden.
Wie die Farbe der steinernen Umrahmung muss natürlich
auch die der Einbauten in den Schaufenstern sich nach der
Art der Waren richten und mit diesen sorgsam zusammenge-
stimmt werden. So wählt man für Silberwaren schwarzes Holz-
werk, für mattes Silber mattgelbes Eichenholz oder wohl auch
graues Eschenholz. Für Goldwaren wird grün oder violett ge-
beiztes Holz zu empfehlen sein, für blaues Steingut und Delfter-
waren dagegen hell- oder dunkelgebeiztes Eichenholz in Natur-
farbe. Parfümerieen werden in einem zierlichen Aufbau aus
lackiertem Holz in heller frischer Bemalung sich vorteilhaft
ausnehmen, Konfekt zwischen weissem Marmor und Krystall.
Bei Blumenläden, Cigarettenauslagen u. dergl. wird unter Um-
ständen eine kecke Farbenwahl nicht unangebracht erscheinen,
aber geradezu unerträglich ist es für das feiner empfindende
Auge, wenn der schreiendrote oder violette Anstrich eines
Schaufensters nun, um die Sache nur ja recht auffällig zu
machen, auf alle Fenster eines sonst höchst nüchternen älteren
Gebäudes ausgedehnt wird.
Fast ebenso wichtig wie die Farbe der Umrahmung ist
die Beachtung des den Waren angemessenen Massstabes.
Man wird für grosse Stoffe und Massen eine ganz andre Um-
gebung zu schaffen haben, als für kleine Gegenstände. Man
sollte es deshalb auch sorgsam vermeiden, Waren von wesent-
lich verschiedenem Massstab oder sehr abweichender Zweck-
bestimmung nebeneinander zu stellen, weil dies nur zu leicht
lächerlich wirkt. Man kann wohl annähernd gleichartige, aber
an sich verschiedene Gegenstände, z. B. Wäsche, zu einer
grossen Dekoration und Farbenwirkung vereinigen, aber Stiefel,
Esswaren, Automobile, Schreibtische und Kinderwäsche neben-
einander in zusammenhängende Schaufenster zu stellen, ist
unerträglich, aber leider wie man in Berlin und anderswo
sehen kann nicht unmöglich!
Man ist bei uns nur zu leicht geneigt, derartige schreiende
Reklamesünden als »echtamerikanisch« zu bezeichnen. Betrachtet
man aber grosse amerikanische Warenhäuser, die unsern grössten
an Ausdehnung und Bedeutung kaum nachstehen dürften, wie
»Marshall Field« und »The Fair« (»Jahrmarkt«) in Chicago, so
wird man wenig Berechtigung zu solcher Bezeichnung finden.
Der Amerikaner liebt keine Massenwirkungen in den Auslagen,
wie sie bei uns neuerdings erstrebt werden. Er legt wenig
aus, aber das wenige wird gut angeordnet. Bei »The Fair«,
wo in acht Stockwerken übereinander Läden oder besser Ver-
kaufsräume liegen, sind die Schaufenster nicht nur seitlich
völlig gegeneinander, sondern auch nach dem Rauminnern zu
abgeschlossen und ihr Hintergrund ist durch malerisch an-
geordnete Drapierungsstoffe für die Warenauslagen wirksam
gemacht. Beim »Marshall
Field« ist die einfache Eisen-
umrahmung der Schaufenster
ganz unauffällig in der grau-
weisslichen Farbe des Hauses
gestrichen.
Man vergegenwärtige sich
ferner die namentlich in den
älteren Pariser Läden mit so
hervorragender Geschicklich-
keit geübte Art, im Schau-
fenster nur wenige vorzüg-
liche Arbeiten in geschmack-
vollster Weise auszulegen, um
den Käufer dadurch zum Be-
treten des Ladens zu veran-
lassen, so dass man ihm
mehr zeigen und das seinen
Wünschen Entsprechende an-
preisen kann, und man be-
trachte demgegenüber die
neuesten Berliner Ladenein-
richtungen, in denen das Schaufenster fast bis an die Rück-
wand reicht, so dass nur ein ganz kleiner Verkaufstisch noch
Platz hat und der Fremde, der nach dem Anblick des Massen-
aufgebots im Schaufenster natürlich noch mehr zu sehen er-
wartet, sicher enttäuscht wird. Kann man dann noch im Zweifel
sein, welches Prinzip das richtige ist?
Auch in der Verwendung der Spiegel im Innern der Schau-
fenster wie im Innern der Läden gilt es, weise Mass zu halten,
damit das Auge nicht die notwendigen Stützpunkte vermisst.
Ganz besonders schwierig aber ist es, die künstliche Be-
leuchtung der Schaufenster künstlerisch einzurichten. Auch
hier ist natürlich zunächst die Art der Waren und ihr Mass-
Füllung einer Fensterverdachung vom Architekt: A. W. Klopsch in Berlin.
Hause Kurfürstendamm 33 in Berlin. Modelliert von Rob. Schirmer daselbst.
Schaufensteranlage am Geschäftshaus der
Deutschen Kolonialgesellschaft in Berlin.
Architekt: Regierungsbaumeister Walther
in Grünewald.
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verfehlt. Wie würden die prächtigen Stoffe in andrer Um-
rahmung aussehen, wenn das tiefe Violett, das leuchtende Rot
oder die zarten Blumenmuster derselben nicht durch das schwere
Rot der Ziegelsteinpfeiler und die darauf gesetzten grossen
schwarzen Firmenschilder mit Goldbuchstaben beeinträchtigt
würden.
Schwarze Marmoreinfassungen würden sich für die Aus-
lage derartiger feiner Seidenstoffe ebensowenig eignen, während
sie, in Hochglanz poliert, für die Ausstellung von Mänteln
und stumpfen einfachen Stof¬
fen recht geschmackvoll wir¬
ken können. Dagegen vertra¬
gen sich der graue gestockte
Granit und andre Steinarten
in neutralen Farben sehr gut
mit den verschiedenartigsten
Waren, auch weisser Wäsche;
hellroter Sandstein eignet sich
gut für Metallwaren, blass¬
roter Granit für Gläser. Ju¬
welen können schon schwar¬
zen polierten Marmor ver¬
tragen. Als beachtenswertes
Beispiel vornehmer Schau¬
fensterumrahmungen sind das
Gebr. Henckelsche Verkaufs¬
haus in der Leipzigerstrasse
und der Equitablepalast an
der Ecke der Friedrich- und
Leipzigerstrasse zu nennen,
dessen mattgraue Granitpfeiler
mit geschliffenen grünlichen Firmenschildern und patinierten
Bronzeauflagen zusammen mit dem dunkleren Sockel eine wahr-
haft vornehme Einfassung für die Auslagen verschiedenster
Art bilden.
Wie die Farbe der steinernen Umrahmung muss natürlich
auch die der Einbauten in den Schaufenstern sich nach der
Art der Waren richten und mit diesen sorgsam zusammenge-
stimmt werden. So wählt man für Silberwaren schwarzes Holz-
werk, für mattes Silber mattgelbes Eichenholz oder wohl auch
graues Eschenholz. Für Goldwaren wird grün oder violett ge-
beiztes Holz zu empfehlen sein, für blaues Steingut und Delfter-
waren dagegen hell- oder dunkelgebeiztes Eichenholz in Natur-
farbe. Parfümerieen werden in einem zierlichen Aufbau aus
lackiertem Holz in heller frischer Bemalung sich vorteilhaft
ausnehmen, Konfekt zwischen weissem Marmor und Krystall.
Bei Blumenläden, Cigarettenauslagen u. dergl. wird unter Um-
ständen eine kecke Farbenwahl nicht unangebracht erscheinen,
aber geradezu unerträglich ist es für das feiner empfindende
Auge, wenn der schreiendrote oder violette Anstrich eines
Schaufensters nun, um die Sache nur ja recht auffällig zu
machen, auf alle Fenster eines sonst höchst nüchternen älteren
Gebäudes ausgedehnt wird.
Fast ebenso wichtig wie die Farbe der Umrahmung ist
die Beachtung des den Waren angemessenen Massstabes.
Man wird für grosse Stoffe und Massen eine ganz andre Um-
gebung zu schaffen haben, als für kleine Gegenstände. Man
sollte es deshalb auch sorgsam vermeiden, Waren von wesent-
lich verschiedenem Massstab oder sehr abweichender Zweck-
bestimmung nebeneinander zu stellen, weil dies nur zu leicht
lächerlich wirkt. Man kann wohl annähernd gleichartige, aber
an sich verschiedene Gegenstände, z. B. Wäsche, zu einer
grossen Dekoration und Farbenwirkung vereinigen, aber Stiefel,
Esswaren, Automobile, Schreibtische und Kinderwäsche neben-
einander in zusammenhängende Schaufenster zu stellen, ist
unerträglich, aber leider wie man in Berlin und anderswo
sehen kann nicht unmöglich!
Man ist bei uns nur zu leicht geneigt, derartige schreiende
Reklamesünden als »echtamerikanisch« zu bezeichnen. Betrachtet
man aber grosse amerikanische Warenhäuser, die unsern grössten
an Ausdehnung und Bedeutung kaum nachstehen dürften, wie
»Marshall Field« und »The Fair« (»Jahrmarkt«) in Chicago, so
wird man wenig Berechtigung zu solcher Bezeichnung finden.
Der Amerikaner liebt keine Massenwirkungen in den Auslagen,
wie sie bei uns neuerdings erstrebt werden. Er legt wenig
aus, aber das wenige wird gut angeordnet. Bei »The Fair«,
wo in acht Stockwerken übereinander Läden oder besser Ver-
kaufsräume liegen, sind die Schaufenster nicht nur seitlich
völlig gegeneinander, sondern auch nach dem Rauminnern zu
abgeschlossen und ihr Hintergrund ist durch malerisch an-
geordnete Drapierungsstoffe für die Warenauslagen wirksam
gemacht. Beim »Marshall
Field« ist die einfache Eisen-
umrahmung der Schaufenster
ganz unauffällig in der grau-
weisslichen Farbe des Hauses
gestrichen.
Man vergegenwärtige sich
ferner die namentlich in den
älteren Pariser Läden mit so
hervorragender Geschicklich-
keit geübte Art, im Schau-
fenster nur wenige vorzüg-
liche Arbeiten in geschmack-
vollster Weise auszulegen, um
den Käufer dadurch zum Be-
treten des Ladens zu veran-
lassen, so dass man ihm
mehr zeigen und das seinen
Wünschen Entsprechende an-
preisen kann, und man be-
trachte demgegenüber die
neuesten Berliner Ladenein-
richtungen, in denen das Schaufenster fast bis an die Rück-
wand reicht, so dass nur ein ganz kleiner Verkaufstisch noch
Platz hat und der Fremde, der nach dem Anblick des Massen-
aufgebots im Schaufenster natürlich noch mehr zu sehen er-
wartet, sicher enttäuscht wird. Kann man dann noch im Zweifel
sein, welches Prinzip das richtige ist?
Auch in der Verwendung der Spiegel im Innern der Schau-
fenster wie im Innern der Läden gilt es, weise Mass zu halten,
damit das Auge nicht die notwendigen Stützpunkte vermisst.
Ganz besonders schwierig aber ist es, die künstliche Be-
leuchtung der Schaufenster künstlerisch einzurichten. Auch
hier ist natürlich zunächst die Art der Waren und ihr Mass-
Füllung einer Fensterverdachung vom Architekt: A. W. Klopsch in Berlin.
Hause Kurfürstendamm 33 in Berlin. Modelliert von Rob. Schirmer daselbst.
Schaufensteranlage am Geschäftshaus der
Deutschen Kolonialgesellschaft in Berlin.
Architekt: Regierungsbaumeister Walther
in Grünewald.
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