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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 19.1903

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11. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.43187#0172
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1903

A RCHI TEKTONISCHE R UN DSC HA U

Heft 11

bedeutsamste Raum nach aussen hin
würdig zur Erscheinung gekommen,
der im Schlussstein mit einem Adler ge-
schmückte Haupteingang führt vermöge
einiger Stufen zu dem Treppenhause,
das den Aufgang zum Sitzungssaale bildet.
Monolithe aus griechischem Marmor,
kunstvolle farbige Verglasung, vergol-
detes Schmiedewerk von strenger Erfin-
dung und die tüchtige Schnitzarbeit des
Geländers geben diesem Raume ein vor-
nehmes Gepräge.
Neben dem einfacheren Beratungs-
zimmer für den Staatsrat (am Abschluss
des linken Flügels) ist hier der Haupt-
raum das Sitzungszimmer des Staats-
ministeriums, das an den Wänden
hohes Eichenpaneel, dann eine reichere
Decke und an der Südwand einen älteren
Kamin aus Stolbergischem Besitze erhal-
ten hat. Dem grossen Kaiserbilde dar-
über sind jetzt nur vier Marmorbüsten
preussischer Könige beigegeben, wäh-
rend späterhin die grossen Flächen dieses
Raumes mit Gobelins behängt werden


Sollen. Das neue Staatsministerium in Berlin.
Blick in das Treppenhaus.
Dem Sitzungssaale schliessen sich

Architekt: Geheimer Baurat Paul Kiesclike
in Berlin.

die Zimmer für Kommissare und für den Unterstaatssekretär
(mit Bibliothek dahinter) an, andrerseits ein Zimmer für den
Ministerpräsidenten. Weiterhin folgt die Verwaltung der Staats-
archive.
Im Erdgeschoss befindet sich die Registratur des Staats-
ministeriums, das Kuratorium des Reichsanzeigers und eine
grössere Zahl andrer Diensträume. Hier ist überall darauf
Bedacht genommen, alles hell, luftig und zweckmässig einzu-
richten, wofür mancherlei interessante Versuche gemacht wurden.
Das zweite Geschoss enthält die Räume der Generalordens-
kommission und die Wohnung des Unterstaatssekretärs.
Auf dem Hinterland des Grundstücks ist in wesentlich ein-
facheren Formen und Verhältnissen der Neubau der General-


Das neue Staatsministerium in Berlin.
Sitzungssaal des Staatsministeriums.

Architekt: Geheimer Baurat
Paul Kiesclike in Berlin.

lotteriedirektion errichtet, die ursprünglich ihr Heim am
Gendarmenmarkt in dem palastartigen Hause an der Ecke der
Jägerstrasse aufgeschlagen hatte. — Hier ist nur die Einrich-
tung desjenigen Raumes von Interesse, in welchem die grossen
Ziehungen der Preussischen Lotterie unter Heranziehung von
Waisenknaben öffentlich vor sich gehen.
Die Baukosten für das Staatsministerium haben nur
630000 Mk. betragen.
tV -AN

Von den Ausstellungen des Jahres 1903.

Grosse Berliner Kunstausstellung.
en anderwärts gegebenen Anregungen folgend hat man diesmal
versucht, die öde Langweiligkeit einer endlosen Reihe gleich
grosser quadratischer Räume, die das alte Ausstellungsgebäude
kennzeichnet, zu brechen durch die Anlage eines das übrige
beherrschenden Repräsentationsraumes und durch die Neugestaltung der
Architekturabteilung.
Der Repräsentationsraum (blauer Saal) ist durch Zusammenziehung
dreier Quadrate von je 19 m Seitenlänge geschaffen und liegt quer zur
Hauptachse unmittelbar hinter dem kleinen, an die Kuppelhalle anschliessen-
den Ehrensaal, der seine alte Ausstattung behalten hat. Er ist von Architekt
Alfred J. Balcke, dem Sieger in dem vorausgegangenen Wettbewerb,
mit einer kräftigen Architektur in den prunkvollen Formen der spätrömischen
Antike wirkungsvoll ausgestattet. Die ungünstigen Abmessungen des
Raumes, 19 auf 57 m, und das Verlangen der Ausstellungskommission, die
Wandflächen möglichst für Bilder nutzbar zu machen, haben zur Dreiteilung
des Raumes durch zwei kräftige Gurtbögen geführt, die aber leider durch
ihre unreine Linie noch schwerer erscheinen und das Fehlen einer der übrigen
Ausstattung entsprechenden reich gegliederten Decke empfinden lassen.
Eine einheitliche architektonische Gliederung der Wandfläche konnte
aus dem schon erwähnten Grunde nur im mittleren Teile durchgeführt
werden, wo sich an das reiche, in eine Wandnische gestellte Mittelportal
kräftige Wandbekleidungen anschliessen. In den Seitenräumen sind nur
die Durchgänge nach den anschliessenden Sälen durch entsprechende Portale
geschmückt. Figurenreiche Reliefs über den Portalen stellen den Triumph
der Kunst und des Kunstgewerbes, Architektur und Plastik und Malerei
und Natur dar. Gut abgestimmt ist die farbige Behandlung des Raumes,
der, durch einen durchgehenden Teppichbelag in tiefem Blau zusammen-
gefasst, mit dem warmen, gelbroten Tone der Architekturteile und dem
matten Graublau der oberen Wandflächen und der massvollen Vergoldung
würdevolle Ruhe und Feststimmung atmet. Die glatten graublauen Wand-
flächen sind im Mittelraum und an den Stirnflächen der Gurtbögen nach
den Seitenräumen zu mit feinem mattgoldenen Rankenwerk überzogen,
in das unter der Deckenschräge von Lorbeerkränzen umrahmte Porträt-
medaillons berühmter Künstler und Künstlerwappen eingefügt sind, und
das in seiner vornehmen Wirkung an die guten alten mattblauen Cloisonne-
arbeiten gemahnt. Die Leibung der Gurtbögen ist mit kräftigem Ornament
geschmückt. Die oberen Wandflächen der Seitenräume sind nur mit einem
Lorbeerfries gegen die Decke abgeschlossen. Die verständnisvolle Aus-
führung der Plastik und Malerei ist das Werk der Bildhauer Robert
Schirmer und Markert und des Malers M. T. Boden stein.
Im lebhaften Widerspruch zu der grossen festlichen Wirkung des Raumes
als solcher steht die anscheinend ohne Zuziehung des Architekten erfolgte


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