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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 19.1903

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11. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.43187#0175
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1903

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 11




Berliner Kunstausstellung 1903.
Baderaum.

Architekt: William Müller
in Berlin.

Berliner Kunstausstellung 1903.
Baderaum. — Detail.

Architekt: William Müller
in Berlin.

Architekt: Albert Oessner in Berlin.

Berliner Kunstausstellung 1903.
Architekturabteilung.

sion trat ein; zur Richtung und Neigung
der Strassen kam die Rücksicht auf deren
Breite. Die Wissenschaft, die Technik
der Stadterweiterung hatten ihre Lehrzeit
rasch absolviert, aber die Kunst war bis
dahin recht schlecht weggekommen.
Länge, Breite und Neigung einer Strasse
liefern immer noch keine Raumbegren¬
zung, solange nicht die daran stehen-
den Gebäude mit ins Auge gefasst wer-
den; Strassen und Plätze kommen aber
künstlerisch erst zur Erscheinung und
Geltung, wenn sie ein Raumgebilde dar-
stellen. Die bisher geschaffenen schnur-
geraden, endlos langen Strassen zeigten
zwar zwei Seitenwände, aber wenn es
nicht ein glücklicher Zufall fügte, keine
den Raum abschliessenden Endigungen;
die Plätze dienten zwar dazu, um kreuz
und quer darüber weg zu fahren, aber
raumartig wirkende, individuelle Gestal-
tungen im Stadtkörper waren sie nicht.
DieVertreter der künstlerischen Richtung
erhoben nun endlich auch ihre Stimme
und bezeichneten insbesondere die auf
Symmetrie der Strassenanordnung oder
auf Kreisform der Plätze beruhende angebliche Schönheit eines
Planes als eine solche, die nur auf dem Papier oder allenfalls
von einem Luftballon aus zu geniessen ist. Dass die Ingenieure
im hügeligen Terrain mitunter gezwungen waren, an Stelle
rechteckiger Kreuzungen schnurgerader Strassen schräg an-
steigende kurze Verbindungen zu schaffen, geschah nur unter
dem Druck der Niveauverhältnisse und konnte als ein be-
wusstes Zugeständnis an die Aesthetik nicht anerkannt werden.
Da die Künstler des Städtebaus danach streben, den
Strassen, Plätzen und Stadtteilen ein charakteristisches Gepräge
und selbständige, individuelle Gestaltung zu verleihen, da sie,
vielleicht durch Einbeziehung geschichtlicher Anklänge oder

landschaftlicher Reize Stimmung zu schaffen sich bemühen,
da sie vielfach mit Imponderabilien arbeiten, die sich nicht
mit Schiene und Winkel erzeugen lassen, so kann man, wenn
man will, ihre Periode die der vierten Dimension nennen.
Jedenfalls ist durch diese Spiritisten der Städtebau auf ein
geistiges, künstlerisches Niveau gehoben worden, das den
Stadtplänen in Zukunft einen Platz unter den Entwürfen der
bildenden Kunst sichern wird.
Die Deutsche Städteausstellung in Dresden bietet
Gelegenheit zu Vergleichen und Studien der Stadterweiterungen
aus diesem Gesichtspunkte. Alle grösseren Unternehmungen
der letzten dreissig Jahre auf diesem Gebiet sind nicht nur in
den üblichen Karten und Reliefplänen, sondern auch in Modellen
der Bebauung, in photographischen Aufnahmen der Strassen-
prospekte und in meistens vortrefflichen Gesamtansichten der
ausstellenden Städte vorgeführt. Bei ihrem Studium muss man
freilich, da die Gegenstände nach andern Gesichtspunkten
zusammengeordnet sind, die kleine Mühe mit in Kauf nehmen,
dieselbe Stadt bald in Abteilung 1, Gruppe A (Verkehrsanlagen),
bald in Abteilung II, Gruppe A (Stadterweiterungen) oder in
Abteilung III, Gruppe A (Oeffentliche Kunst, Architektur) auf-
zusuchen. Aus¬
serdem muss

man, um ganz
gerecht zu sein,
sich mit den
Bauvorschriften
der Städte be-
kannt machen,
weil die besten
Absichten des
Stadtplanent-
werfers durch
ungeeignete
baupolizeiliche
Massnahmen
verdorben wer-
den können.
Berücksichtigt
man nun end-
lich noch die
enormenWider-
stände, die sei-
tens derGrund-
besitzer fast
jedem Bebau-

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