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Ars: časopis Ústavu Dejín Umenia Slovenskej Akadémie Vied — 5.1971

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Saučin, Ladislav: Die slowakische Kunst der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.51699#0055
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dende Kunst in Prešov, dem Zentrum von Šariš,
einen Aufschwung. Hier begann die Laufbahn des
hervorragenden Künstlers Teodor Zemplényi,
ursprünglich Zempliner24 (1864—1917). Auch er
übersiedelte nach Budapest, wo er zum Professor
an der Hochschule für bildende Künste ernannt
wurde, doch er blieb auch weiterhin gebunden an
der Erinnerung seiner Geburtsstätte und ihrer be-
dauernswerten sozialen Not.
Das eigenste Kunstfach Zemplényi’s war der
Genre, der jedoch zum Unterschied von vielen
anderen nicht von Humor und Unterhaltung,
sondern von Ernsthaftigkeit und Verinnerlichung
getragen wurde. Zu seinem Programm-Werk ge-
hörte das slowakische Motiv Das Heim einer armen
Frau (1894). Von der Zeit an kann man oft in
Zemplényi’s Oelgemälden weibliche Volkstypen
mit sorgvollen Gesichtern, mit von Arbeit gekenn-
zeichneten Händen, oder mit traurigen, gebroche-
nen Herzen in Stunden der Einsamkeit begegnen
(Beim Kartoffelschälen, Brief aus Amerika, Die
Elenden). Die Trauer verwandelt sich oft bis zu
einem Grad von zornerfüllten kritischen Realismus,
besonders wenn er Trinkergesichter ostslowaki-
scher Bauern malte (Dorfheld).
Zemplényi’s Altersgenosse und Landsmann Ján
Tahy (1865—1928) erhielt ebenfalls eine figura-
listische Ausbildung in München. In der Hälfte der
90- Jahren wanderte er endgültig nach Amerika
aus, doch es gelang ihm noch vor der Abreise eine
Ausstellung in Prešov zu veranstalten — es war die
erste individuelle Ausstellung eines Künstlers in
der Ostslowakei.
Beim Start ins Leben und in die Kunst hatte
Max Kurth (1869—1962) keine Beziehungen zur
Slowakei. Ein Maler deutscher Abstammung, an
der Berliner Akademie geschult, kam durch Zufall,
als Prämiant des Menzel-Malerpreises nach Prešov
und blieb hier sein Leben lang. Die ältesten Werke
Kurth’s (Bei der Kranken) zeugen von einer Fort-
setzung antiromantischer, fast kritischer Reak-
tionen, wie sie von Adolph Menzel angeregt wurden.
Der für die Slowakei etwas schwere Kunststil
Kurth’s änderte sich bald, besonders, nachdem
er sich dem Studium der Šarischer und Zipser
Dorftypen hingab, die er oft in schärften Licht-
kontrasten erfasste. Die Arbeiten: Kniender Junge
(1894), Kopfstudie einer Frau aus Šariš mit Haube,
Bauer aus Šariš mit kurzer Pfeife, Zipser Bauern
(1902) sind Zeugen realistischen Sehens, beweisen

Scharfsinn und genaue Wahrnehmungen von
hinreissenden, doch nicht überschwenglichen Sinn
für das Detail. Kurth widmete seine Aufmerksam-
keit auch dem Arbeitsmilieu (Schmiede, 1898; An
der Esse; Beim Flachsbrechen).
Die angeführte Aktivität Kurth’s versiegte um
die Zeit des ersten Weltkrieges, nachdem sein
Schaffen — auf das Porträtieren und die Kirchen-
malerei konzentriert — eher an den Malerprofes-
sionalismus des vergangen Jahrhunderts anknüpfte,
als sich mit der aktuellen und offenen Kultur-
problematik der bildenden Kunst zu befassen.
Mit dem Milieu von Šariš hängt in besonders
widerspruchsvoller Form auch das Schaffen von
Pavol Szinyei Merse (1845—1920) zusammen.
Den Grossteil seines Lebens verbrachte er als
gräflicher Grundbesitzer in seinem heimatlichen
Schloss in Jarovnice, in einer fast dicht abgeschlos-
senen Isolation von der plebeischen Gesellschaft,
wodurch er sich aus dem Kontext des slowakischen
Lebens ausschloss. Die Malerei studierte er, ge-
stützt auf Piloty und Böcklin, in München. Hier
hatte er auch die Möglichkeit einige Werke von
Courbet und Manet kennenzulernen, unter deren
Einfluss er sich auf die neue Richtung der franzö-
sischen Malerei einstellte. Auf diesem Hintergrund
erhebt sich die Krone seines Werkes, die pleinai-
ristische, figurale Komposition Majales (1873). Das
Sujet ist in die Gegend von Šariš situiert, welche
Szinyei aus dem Gedächtnis und den Erinnerungen
an seinen Geburtsort malte. Es gelang ihm eine
liebliche und wohlduftende Vorstellung von der
Heimat hervorzurufen, erfüllt von überzeugender
Begeisterung für die Atmosphäre und ihre durch-
sichtigen farbigen Schatten. Das Bild stiess auf
Unverständnis und Ablehnung. Dies bewirkte in
Szinyei’s Schaffen eine langjährige Depression, aus
der er sich erst am Ende des Jahrhunderts erholte,
als ihm die junge ungarische Künstlergeneration
laut zu loben begann. Doch Szinyei erlangte
niemals mehr ein solches Ausmass an Poesie und
Freiheit wie in seinem Jugendwerk Majales.
Von Bedeutung war auch weiterhin die künst-
lerische Aktivität in Košice. Natürlich schöpfte
Budapest auch aus dem hiesigen Künstlerkreis
ausgiebiger als früher. In entgegengesetzter Rich-
tung begann jedoch die Bahnverbindung zwischen
Košice un den anderen Teilen der Slowakei zu
wirken. Bemerkenswert war auch das Anwachsen
der Stadtbevölkerung (von 22 Tausend im Jahre

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