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Renaissaiíceárchitektur in der Slowakei
Das ehemalige Ungarn, dessen nördlichen Teil die Slowakei
bildete, war das erste nördlich der Alpen liegende Land, wo in
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die durch die italie-
nische Renaissance beeinflusste Architektur in Erscheinung trat.1
Zum Mittelpunkt der Entwicklung der humanistischen Kultur
wurden vorallemder Hofdes Königs Matthias Hunyadi-Corvinus
(1458—1490) in Buda (Ofen), sein Sommersitz in Visegrád und
später auch die Residenzen der Kirchenwürdenträger.
In seinem Bestreben, ein starkes zentralisiertes Ungarn zu
schaffen, stützte sich Mathias Corvinus vor allem auf die Städte,
auf den mittleren und niederen Adel und gewann auch gewisse
Sympathien der Bauern. Die wirtschaftliche Bedeutung der
Bergstädte, hauptsächlich in der Mittelslowakei, sowie auch der
Handels- und Handwerkerstädtc in der Ostslowakei war von
ziemlicher Bedeutung und stieg teilweise auch durch die Ver-
schiebung der Handelswege aus den unruhigen hussitischen
Böhmen nach Osten in die Slowakei an. Auch als ein wichtiges
Hinterland der sich ausdehnender Türkenkriege spielte Ungarn
und in dessen Rahmen die Slowakei eine stets ernstere strate-
gische Rolle.
Der erste Antrieb des Humanismus und der Renaissance im
15. Jahrhundert kam in der Slowakei in der Entwicklung der
Kultur (z. B. Gründung der Universität Academia Istropolitana
in Bratislava 1467) und in der bildenden Künsten in einem
interessanten Übergangsstil (Epitaphe, Altarbilder und Plastiken)
zum Ausdruck. Mit dem Auftakt des Humanismus begann das
nationale Bewusstsein aller Völker Ungarns zu erwachen. Auch
die slowakische Nationalbewegung wurde stärker, es entwickelte
sich die nationale Sprache und die nationale Literatur und
Kultur begannen sich zu formen. Das slowakische Element
begann in den Städten an Wichtigkeit zu gewinnen und seit
dieser Zeit beginnt die allmähliche Slowakisierung vieler Kolo-
nisationsstädtc.
Die neuen Qualitäten entwickelten sich schneller und wurden
in der Slowakei im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts stärker
und markanter in der Malerei und in der Plastik als in der
Architektur. Diese künstlerische Entwicklung ist auch aus dem
Grunde interessant, weil sich darin ähnliche Eigenschaften
kristallisierten, wie dann nach und nach auch in der Architektur;
die verstärkte Tendenz zum Rationalismus und Realismus, zum
sachlichen und genauen Sehen und zur adäquater Weltanschau-
ung: Erweiterung des Sichtfeldes, Simultanität des Sehens, die
Fähigkeit den Raum und in dem Raum zu sehen (z. B. die Drei
edelmütigen armen Jungfrauen von dem Altarbild in Lúčky bei
Kremnica 1476, die Holzstatuc der Heiligen Katharina aus
Banská Štiavnica 1506, die Heimsuchung der Heiligen Jungfrau
und vor allem die Geburt Christi vom Meister MS 1506, die
Bergwerker-Madonna-Metercia aus Rožňava vom Meister L. A.
1513, und das Gipfelwerk der Epoche — der Hauptaltar in der
St. Jakobskirche in Levoča vom Meister Paul aus Levoča
1508—1517, sowie auch seine weiteren Arbeiten u. ä.). Die
Umwandlung ist auch an den stark durch die mittelalterliche
Tradition gebundenen Epitaphen zu sehen (Epitaph des Propstes
Schömberg im St. Martins Dom in Bratislava 1470, die Ge-
denkstafel von Juraj (Georg) Szakmáry in Košice 1492 mit typi-
scher Renaissanceornamentik, die Epitaphen der ZápoTskýs —
Imrich 1487 und Stephan 1499 in der Kathedrale zu Spišská
Kapitula usw.).
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts endete in der Slo-
wakei die Spätgotik und in ihren Rahmen und neben ihr zugleich
entwickelte sich die Renaissancearchitektur. Diese gegenseitig
beeinflusste Entwicklung bedingte die Eigenartigkeit der Ar-
chitektur der Übergangsperiode. Die Umwandlung spielte sich
in zwei Grenzformen und deren vielen Variantionen ab. Einer-
seits änderte sich die grosse Form des gotischen Raumes zur
Horizontalität, zum einheitlichen abgeschlossenen Raum. Bei
diesen Konzeptionsumwandlungen der Räume blieb oft die alte
Formsprache bestehen, doch ihre statische und tektonische Bin-
dung wurde lockerer und ihre dekorative Bedeutung z. B. der
geschwungenen Gewölberippen stieg an. Die zweite Umwand-
lungsform, bei welcher sich die grossen Raumformen und der
gesamte Bäukörper nicht ändern oder nur langsam ändern, aber
neue ausdrucksvolle Renaissancedetails, Portale, Arkadenem-
poren, Kanzeln, Pastophorien beigefügt werden, ist visuell
auffallender, leichter zu beschreiben und genauer zu datieren.
Doch sie führt zu keinem in sich abgeschlossenen Stil. Zu dieser
Umwandlungsform gehören die ersten Züge der Renaissance-
architektur in der Slowakei in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts.
Erst seit der Hälfte des 16. Jahrhunderts entstehen bei uns
im breiteren Strom Bauten in einem in sich geschlossenen Re-
naissancestil, in dem die gesamte Raum — und Baukörperkonzep-
tion mit seinen einzelnen Teilen und Details harmonisiert.
Das erste ausgeprägte und wertvollste Werk der Übergangs-
periode ist das Rathaus in Bardejov (Meister Alexander, Ján
aus Prešov, Alexius, 1505—1508). Die Verschmelzung des go-
tischen Charakters des gesamten Baukörpers mit den Renaissan-
cedetails (Portale, Fenster, Decken, Erker) bildet einen eige-
nartigen harmonischen Kontrast. Einen bei uns an der Schwel-
le des 16. Jahrhunderts vereinzelten, in sich geschlossenen
Renaissanceteil des Rathauses stellt der Erker mit der Kapelle
in der Mitte der Ostfront dar.
Das Bardejover Rathaus ist in dieser frühen Etappe auch in
der weiteren Umgebung ein vereinzelter ziviler Bürgerbau mit
ausgeprägten Renaissancedetails und Bauteilen. Fast zu gleicher
Zeit entstanden in den Nachbarländern die ersten bedeutenden
Renaissancewerke oder Bauteile, überall sind es jedoch kirch-
liche, eventuell königliche Bauten (die Eaköcz-Kapelle in Esz-
tergom (Gran) 1506—1507, das Grabmal von Ján Olbracht in
Krakau 1502—1505 und die Sigmund-Kapelle in der Wawel-
-Kathedrale 1519—1533, weiter der Umbau des Wawel-Schlosses
1502—1536, in Siebenbürgen das Portal der Kapelle St. Duh in
Oradea Mare (Grosswardein) 1506—1512, die Kapelle von Ján
Lazoi in Alba Julia 1514, in Prag wird um das Jahr 1500 der
Renaissaiíceárchitektur in der Slowakei
Das ehemalige Ungarn, dessen nördlichen Teil die Slowakei
bildete, war das erste nördlich der Alpen liegende Land, wo in
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die durch die italie-
nische Renaissance beeinflusste Architektur in Erscheinung trat.1
Zum Mittelpunkt der Entwicklung der humanistischen Kultur
wurden vorallemder Hofdes Königs Matthias Hunyadi-Corvinus
(1458—1490) in Buda (Ofen), sein Sommersitz in Visegrád und
später auch die Residenzen der Kirchenwürdenträger.
In seinem Bestreben, ein starkes zentralisiertes Ungarn zu
schaffen, stützte sich Mathias Corvinus vor allem auf die Städte,
auf den mittleren und niederen Adel und gewann auch gewisse
Sympathien der Bauern. Die wirtschaftliche Bedeutung der
Bergstädte, hauptsächlich in der Mittelslowakei, sowie auch der
Handels- und Handwerkerstädtc in der Ostslowakei war von
ziemlicher Bedeutung und stieg teilweise auch durch die Ver-
schiebung der Handelswege aus den unruhigen hussitischen
Böhmen nach Osten in die Slowakei an. Auch als ein wichtiges
Hinterland der sich ausdehnender Türkenkriege spielte Ungarn
und in dessen Rahmen die Slowakei eine stets ernstere strate-
gische Rolle.
Der erste Antrieb des Humanismus und der Renaissance im
15. Jahrhundert kam in der Slowakei in der Entwicklung der
Kultur (z. B. Gründung der Universität Academia Istropolitana
in Bratislava 1467) und in der bildenden Künsten in einem
interessanten Übergangsstil (Epitaphe, Altarbilder und Plastiken)
zum Ausdruck. Mit dem Auftakt des Humanismus begann das
nationale Bewusstsein aller Völker Ungarns zu erwachen. Auch
die slowakische Nationalbewegung wurde stärker, es entwickelte
sich die nationale Sprache und die nationale Literatur und
Kultur begannen sich zu formen. Das slowakische Element
begann in den Städten an Wichtigkeit zu gewinnen und seit
dieser Zeit beginnt die allmähliche Slowakisierung vieler Kolo-
nisationsstädtc.
Die neuen Qualitäten entwickelten sich schneller und wurden
in der Slowakei im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts stärker
und markanter in der Malerei und in der Plastik als in der
Architektur. Diese künstlerische Entwicklung ist auch aus dem
Grunde interessant, weil sich darin ähnliche Eigenschaften
kristallisierten, wie dann nach und nach auch in der Architektur;
die verstärkte Tendenz zum Rationalismus und Realismus, zum
sachlichen und genauen Sehen und zur adäquater Weltanschau-
ung: Erweiterung des Sichtfeldes, Simultanität des Sehens, die
Fähigkeit den Raum und in dem Raum zu sehen (z. B. die Drei
edelmütigen armen Jungfrauen von dem Altarbild in Lúčky bei
Kremnica 1476, die Holzstatuc der Heiligen Katharina aus
Banská Štiavnica 1506, die Heimsuchung der Heiligen Jungfrau
und vor allem die Geburt Christi vom Meister MS 1506, die
Bergwerker-Madonna-Metercia aus Rožňava vom Meister L. A.
1513, und das Gipfelwerk der Epoche — der Hauptaltar in der
St. Jakobskirche in Levoča vom Meister Paul aus Levoča
1508—1517, sowie auch seine weiteren Arbeiten u. ä.). Die
Umwandlung ist auch an den stark durch die mittelalterliche
Tradition gebundenen Epitaphen zu sehen (Epitaph des Propstes
Schömberg im St. Martins Dom in Bratislava 1470, die Ge-
denkstafel von Juraj (Georg) Szakmáry in Košice 1492 mit typi-
scher Renaissanceornamentik, die Epitaphen der ZápoTskýs —
Imrich 1487 und Stephan 1499 in der Kathedrale zu Spišská
Kapitula usw.).
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts endete in der Slo-
wakei die Spätgotik und in ihren Rahmen und neben ihr zugleich
entwickelte sich die Renaissancearchitektur. Diese gegenseitig
beeinflusste Entwicklung bedingte die Eigenartigkeit der Ar-
chitektur der Übergangsperiode. Die Umwandlung spielte sich
in zwei Grenzformen und deren vielen Variantionen ab. Einer-
seits änderte sich die grosse Form des gotischen Raumes zur
Horizontalität, zum einheitlichen abgeschlossenen Raum. Bei
diesen Konzeptionsumwandlungen der Räume blieb oft die alte
Formsprache bestehen, doch ihre statische und tektonische Bin-
dung wurde lockerer und ihre dekorative Bedeutung z. B. der
geschwungenen Gewölberippen stieg an. Die zweite Umwand-
lungsform, bei welcher sich die grossen Raumformen und der
gesamte Bäukörper nicht ändern oder nur langsam ändern, aber
neue ausdrucksvolle Renaissancedetails, Portale, Arkadenem-
poren, Kanzeln, Pastophorien beigefügt werden, ist visuell
auffallender, leichter zu beschreiben und genauer zu datieren.
Doch sie führt zu keinem in sich abgeschlossenen Stil. Zu dieser
Umwandlungsform gehören die ersten Züge der Renaissance-
architektur in der Slowakei in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts.
Erst seit der Hälfte des 16. Jahrhunderts entstehen bei uns
im breiteren Strom Bauten in einem in sich geschlossenen Re-
naissancestil, in dem die gesamte Raum — und Baukörperkonzep-
tion mit seinen einzelnen Teilen und Details harmonisiert.
Das erste ausgeprägte und wertvollste Werk der Übergangs-
periode ist das Rathaus in Bardejov (Meister Alexander, Ján
aus Prešov, Alexius, 1505—1508). Die Verschmelzung des go-
tischen Charakters des gesamten Baukörpers mit den Renaissan-
cedetails (Portale, Fenster, Decken, Erker) bildet einen eige-
nartigen harmonischen Kontrast. Einen bei uns an der Schwel-
le des 16. Jahrhunderts vereinzelten, in sich geschlossenen
Renaissanceteil des Rathauses stellt der Erker mit der Kapelle
in der Mitte der Ostfront dar.
Das Bardejover Rathaus ist in dieser frühen Etappe auch in
der weiteren Umgebung ein vereinzelter ziviler Bürgerbau mit
ausgeprägten Renaissancedetails und Bauteilen. Fast zu gleicher
Zeit entstanden in den Nachbarländern die ersten bedeutenden
Renaissancewerke oder Bauteile, überall sind es jedoch kirch-
liche, eventuell königliche Bauten (die Eaköcz-Kapelle in Esz-
tergom (Gran) 1506—1507, das Grabmal von Ján Olbracht in
Krakau 1502—1505 und die Sigmund-Kapelle in der Wawel-
-Kathedrale 1519—1533, weiter der Umbau des Wawel-Schlosses
1502—1536, in Siebenbürgen das Portal der Kapelle St. Duh in
Oradea Mare (Grosswardein) 1506—1512, die Kapelle von Ján
Lazoi in Alba Julia 1514, in Prag wird um das Jahr 1500 der