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Instytut Historii Sztuki <Posen> [Hrsg.]
Artium Quaestiones — 32.2021

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Ochs, Amelie: Vom Paradigma der guten Form: Deutsch-deutsche Geschmackserziehung und Kontinuitätskonstruktion(en)
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https://doi.org/10.11588/diglit.73044#0070

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Amelie Ochs

deutschen Designgeschichte zwischen 1949 und 1989 durch. Die Ausstellung
Deutsches Design 1949-1989. Zwei Länder, eine Geschichte (20. März bis 5.
September 2021 in Weil am Rhein, 10. Oktober 2021 bis 20. Februar 2022 in
Dresden) „untersucht", so das Selbstverständnis der Ausstellung, „mehr als 30
Jahre nach der Wiedervereinigung erstmals die deutsche Designgeschichte der
Nachkriegszeit in einer großen Gesamtschau".4 In dieser Einschätzung zeigt
sich symptomatisch die gesamtdeutsche Perspektive der Designhistoriografie
auf die Formgestaltung der vergangenen Dekade. Diese entspricht dem aktuel-
len Forschungstrend, der die vormals zweigeteilte - oder vielmehr: einseitige,
das westdeutsche Design fokussierende - Sicht auf das deutsche Design des
20. Jahrhunderts zu überwinden sucht. Darauf bezugnehmend hinterfragt mein
Beitrag die deutsch-deutsche Designgeschichte und -geschichtsschreibung.
Dabei verfolge ich die These, dass in den 1950er Jahren die diskursiven
und institutionellen Fundamente gelegt wurden, die die deutsch-deutsche
Designgeschichtsschreibung nachhaltig prägten und neuerdings eine ge-
samtdeutsche Perspektive ermöglichen.5 Um am Ende auf die aktuelle Kon-
tinuitätskonstruktion einer gesamtdeutschen Designgeschichte zurück-
zukommen, soll es in einem Überblick zunächst um den Kalten Krieg als
normativen Rahmen der Perspektivierung der Designgeschichtsschreibung
in Ost und West gehen. Daran anschließend wird mit Fokus auf Institutiona-
lisierungsprozesse aufgezeigt, welche Rolle der Deutsche Werkbund im Rah-
men der Konsolidierung der beiden Teilstaaten als designpolitischer Akteur
spielte. Dabei deutet sich die Strukturierung der beiden Design-Diskurse in
der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen
Republik (DDR) an, die anschließend in Bezug auf den Konzeptbegriff „Gute
Form" in gebotener Kürze analysiert werden soll.
DER KALTE KRIEG DER DESIGNGESCHICHTSSCHREIBUNG
Nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten sich die beiden deutschen Teil-
staaten in den Worten des Soziologen Karl-Siegbert Rehberg auf der Grund-
lage eines „doppelte[n] Ausstieg[s] aus der Geschichte".6 Diese seien mit

4 Vgl. die Ausstellungsankündigung auf der Internetseite der Staatlichen Kunst-
sammlungen Dresden: <https://lipsiusbau.skd.museum/ausstellungen/deutsches-de-
sign-1949-1989/> [letzter Zugriff: 31.03.2021].

5 Vgl. zum Zusammenhang von Diskursen und Institutionen in der Transformati-
onsforschung R. Kollmorgen, „Diskursanalyse", in: R. Kollmorgen et al. (Hg.), Handbuch
Transformationsforschung, Wiesbaden 2015, S. 265-277, insbes. S. 269.

6 K.-S. Rehberg, „Der doppelte Ausstieg aus der Geschichte. Thesen zu den /Eigenge-
schichten' der beiden deutschen Nachkriegsstaaten", in: H. Vorländer (Hg.), Symbolische
 
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