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Instytut Historii Sztuki <Posen> [Hrsg.]
Artium Quaestiones — 32.2021

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Ochs, Amelie: Vom Paradigma der guten Form: Deutsch-deutsche Geschmackserziehung und Kontinuitätskonstruktion(en)
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https://doi.org/10.11588/diglit.73044#0071

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Vom Paradigma der Guten Form. Deutsch-deutsche Geschmackserziehung 69
„institutionellen Konstruktionen geltungserhöhender ,Eigengeschichten'"
einhergegangen, die sich wiederum in „führenden Intellektuellen-Diskur-
sen" zeigen.7 „[V]iele Zuspitzungen der je eigenen Position in BRD und DDR
[sind] rückblickend nur durch die Gegensatzspannung der beiden /Front-
staaten' des ,Kalten Krieges' zu verstehen."8 In seinem Aufsatz ,Westkunst"
versus „Ostkunst" zeigt Rehberg auf, dass die Künste eine zentrale Rolle bei
der Materialisierung dieser gegensätzlich gedachten Eigengeschichten ein-
nahmen bzw. dass ihnen diese Rolle von wortmächtigen Diskursführern
zugeschrieben wurde. So wie die Abstraktion im Westen machte der Rea-
lismus im Osten die „Geltungskunst" aus.9 Diese Konstellation beschreibt
der Kunsthistoriker Eckhart Gillen wie folgt: „Wie feindliche Brüder waren
die Künste im geteilten Deutschland Jahrzehnte lang negativ aufeinander
fixiert."10 Dieses Paradigma des Kalten Krieges herrscht weitestgehend bis
heute in der deutsch-deutschen Kunstgeschichtsschreibung bzw. -kritik
vor, sodass künstlerische Positionen, die nicht diesem normativen Schema
entsprechen, nach wie vor zu überraschen scheinen.11 Vergleichbar damit
ist die designhistorische Situation, wenn aufbauend auf den während des
Zweiten Weltkriegs „international" gewordenen „Bauhausstil" in der Nach-
kriegszeit ein freiheitlich-demokratischer Weststil behauptet wurde. Diese
Perspektivierung ist wohl kaum ohne die Zusammenarbeit des New Yorker
Museum of Modern Art (MoMA) mit dem Hohen Kommissariat der ame-
rikanischen Besatzungszone zu denken. Die vom MoMA-Kurator Edgar
Kaufmann Jr. konzipierten Ausstellungen zum „Good Design" tourten in
der ersten Hälfte der 1950er Jahre durch Westeuropa und reimportierten
damit den sogenannten Bauhausstil.12 1955 wurde zudem der von den emi-

Ordnungen: Beiträge zu einer soziologischen Theorie der Institutionen, Baden-Baden

2014, S. 325-356.

7 K.-S. Rehberg, „,Westkunst' versus ,Ostkunst'. Geltungskünste und die Flucht aus
der geschichtlichen Kontinuität im geteilten Deutschland", in: G. Panzer et al. (Hg.), Bezie-
hungsanalysen. Bildende Künste in Westdeutschland nach 1945: Akteure, Institutionen,
Ausstellungen und Kontexte (Kunst und Gesellschaft), Wiesbaden 2015, S. 15-41, S. 19.

8 Ibidem.

9 Ibidem, insbes. S. 27-37.

10 E. Gillen, Feindliche Brüder? Der Kalte Krieg und die deutsche Kunst, 1945-1990,
Berlin 2009, S. 10.

11 Vgl. bspw. die Retrospektive zu A.R. Penck im Albertinum, Staatliche Kunstsamm-
lungen Dresden: A.R. Penck. „Ich aber komme aus Dresden (check it out man, check it
out).", 5. Oktober 2019 bis 12. Januar 2020.

12 Vgl. hierzu insbes. G. Castillo, „Domesticating the Cold War. Household consump-
tion as propaganda in Marshall Plan Germany", in: Journal of Contemporary History 2005,
40/2, S. 261-288; und jüngst J. Hartmann, Richtig wohnen im Wiederaufbau! Ausstellun-
 
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