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Matz, Friedrich [Editor]; Andreae, Bernard [Editor]; Robert, Carl [Editor]
Die antiken Sarkophagreliefs (2): Mythologische Cyklen — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.12015#0043
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ACHILLEUS Tafel VI. VII

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allein erhaltenen rechten Schmalseite Fig. 20 a wieder mit
einem spiralförmigen Blattornament verziert. Das eigent-
liche Dach ist mit schuppenförmigen Blattziegeln gedeckt
und an den Ecken mit Akroterien geschmückt. Das allein
erhaltene rechte Giebelfeld Fig. 20 a ist durch einen Schild
ausgefüllt.

Die Darstellung der Vorderseite Fig. 20, die Ent-
deckung des Achilleus, gliedert sich in drei Gruppen.
In der Mittelgruppe der als Mädchen verkleidete Achilleus,
der beim Ton der Trompete aufgesprungen ist und nach
links eilt; sein Haar ist nach Frauenart kunstvoll geordnet;
sein Frauengewand, ein Peplos mit gegürtetem Ueb erschlag,
hat sich ihm in Folge der Hebung des linken Armes von
der Schulter gelöst und lässt herabgleitend die männliche
Brust sichtbar werden, während aus dem Schlitz an der
rechten Seite das muskulöse Bein im heftigen Vorwärts-
schreiten hervortritt. Der linke Fuss steckt noch im
Frauenschuh, der rechte ist nackt, ohne dass der in der
Eile abgestreifte Schuh, wie auf 27, am Boden liegend dar-
gestellt wäre. Am linken Arm, über welchem der Zipfel
des Obergewands flattert, schwingt Achilleus den Schild; in
der gesenkten und vorgestreckten Rechten hält er einen
kurzen runden Stab, schwerlich, Avie auf 22 u. ö., einen
Speer, der an seinen Enden Bruchflächen aufweisen und
mi Reliefgrund und auf dem Gewand der Amme Ansatz-
spuren zurückgelassen haben müsste, auch wohl etwas
anders, nämlich nicht mit seitlich angelegtem Daumen, ge-
halten werden würde. Möglich, dass eine von Wolle ent-
blösste Spindel gemeint ist, welche Achilleus entweder
gerade in der Hand hielt oder wahrscheinlicher der Dei-
dameia entreissen will. Sie soll ihm vermuthlich als Stoss-
waffe dienen, avozu sie sich Avegen ihres spitzen unteren
Endes besonders eignet; vgl. Hevdemann Mittheilungen
aus den Antikensammlungen in Ober- und Mittelitalien
S. 68. Diesen Gegenstand hält die vor Achilleus knieende
^eidameia mit der linken Hand krampfhaft umfasst, wäh-
rend die abgebrochene Rechte, nach der Stellung des
Armes zu schliessen, wohl nach oben gewandt Avar und
die Geberde des Bittens machte. Bekleidet ist Deidameia
mit gegürtetem, von Schulter und Rücken tief herabgleiten-
dem Chiton und einem um den Unterkörper geschlungenen,
über den linken Arm geworfenen Mantel; an den Füssen
trägt sie Schuhe; das Haar fällt gelöst über den Nacken.
Hinter ihr steht die alte Amme (Statius Achill eis I V. 670)
lrn Chiton, Mantel und Haube; die rechte Hand erhebt
Sle vor die Brust und legt die linke beschwichtigend auf
die Schulter des Achilleus.

In der linken Seitengruppe erscheint zunächst eine
auf niedrigem polsterbelegtem Stuhle sitzende Schwester
der Deidameia; sie ist bekleidet mit gegürtetem Chiton
Und Mantel und hält in der Linken den Rocken; das Haar
Scheint hinten aufgebunden zu sein. Sie sitzt von der Mittel-

gruppe abgeAvandt, dreht aber den Kopf zu ihr zurück
und drückt ihr Erstaunen über das Gebahren des
Achilleus durch Erheben der rechten Hand aus. Links
von ihr die achaeische Gesandtschaft; in der Mitte
Odysseus mit Pilos, gegürtetem Aermelchiton und Mantel;
mit der Linken umfasst er den Schwertgriff und zwar mit
der auf Sarkophagen typischen Handhaltung, so dass der
Knopf ZAvischen Zeige- und Mittelfinger zu stehen kommt.
Die Rechte erhebend prallt er zurück, zugleich überrascht
und erfreut über das Gelingen seiner List. Links neben
ihm Diomedes, nur mit der Chlamys bekleidet, in ruhiger
Haltung, beide Arme, von denen der linke hinter Odysseus'
Rücken verscliAvindet, gesenkt. Rechts neben Odysseus,
nur bis zur Brust sichtbar, der Trompeter (Agyrtes
bei Statius Achilleis II V. 145. V. 201) mit Exomis, Schwert-
gurt und Helm. Die Rechte mit dem typischem Gestus
des Bläsers an den Hinterkopf legend stösst er mit Macht
in die Trompete.

In der rechten Seitengruppe ist die Hauptfigur eine
mit gegürtetem ärmellosem Peplos, Mantel und Schuhen
bekleidete, sitzende Frau, die in der Linken den Rocken
hält und drei Finger der rechten die Sessellehne berühren-
den Hand ausstreckt, ein Gestus, mit Avelchem gewöhnlich
die Rede begleitet zu Averden pflegt. Sie sitzt auf einem
mit Rückenlehne versehenen Sessel, dessen Armlehne von
einer Sphinx getragen AA'ird und dessen Vorderbein oben
als Greif gestaltet ist und unten in eine LöAventatze aus-
läuft. Die vornehme Ruhe der Haltung und der aus-
gezeichnete Sitz berechtigen, in dieser Frauengestalt die
Königin, die Mutter der Deidameia zu erkennen. Vor
ihr steht eine ihrer Töchter in gegürtetem Peplos, Mantel
und Schuhen, in der linken Hand den Rocken mit seitlich
angelegtem Daumen haltend, die Rechte erstaunt erhebend
und auf Achilleus blickend. Endlich kommt von links
noch eine Lykomedestochter heran; sie dreht dem
Beschauer den Rücken zu und erhebt die Rechte, als
ob sie ihrer Mutter und Schwester das überraschende
Ereigniss berichte. Bekleidet ist sie mit gegürtetem, von
der rechten Schulter herabgleitendem Peplos und Mantel;
das Haar ist hinten in einen Knoten zusammengebunden.

Die Composition der beiden Seitengruppen ist streng
symmetrisch, jedesmal ZAvei stehende, eine sitzende und
eine nur bis zur Brust sichtbare Figur, links der Bläser,
rechts die Silensherme.

Die Darstellung der linken Schmalseite Fig. 20 a,
Achilleus unter den Töchtern des Lykomedes,
hängt eng mit dem Vorgang auf der Vorderseite zusammen.
Achilleus, solutis crinibus ambiguoque voltu, im gegürteten
Peplos, zu dem der muskulöse Arm einen beabsichtigten
Contrast bildet, Mantel und Frauenschuhen, sitzt auf einem
Stuhl, die Füsse auf einen Schemel stützend, und spielt auf

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