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TROISCHER KREIS
einer grossen Phorminx; vor ihm steht eine Lykomedes-
tochter, bekleidet mit gegürtetem Aermelchiton, Mantel
und Schuhen, das Haar in einer Haube. Das rechte Bein
über das linke schlagend, die Linke in die Seite gestützt
fasst sie mit der Rechten das eine Horn der Phorminx,
vielleicht um das Instrument, das doch nur an einem
freilich nicht angegebenen Tragband hängend gedacht
werden kann, halten zu helfen. Hinter Achilleus eine
zweite Lykomedestochter in ähnlicher Gewandung, die
Linke auf seinen Rücken legend. Wenn eins der beiden
Mädchen Deidameia sein soll, kann es wohl nur das zur
Linken sein (vgl. 22 b). Uebereinstimmung in Gewandung
und Haartracht mit den entsprechenden Gestalten der Vor-
derseite ist nicht angestrebt. Achilleus im Kreise der Lyko-
medestochter die Leier spielend erscheint auch bei Statius
Achilleis I V. 572 ff., wo jedoch die Situation weit lüsterner
ausgemalt wird. Derselbe Typus liegt, wie O. Jahn er-
kannt hat, der Darstellung auf dem Xantener Elfenbein-
kästchen zu Grunde (abgeb. Jahrbücher des Vereins von
Alterthumsfreunden im Rheinlande V. VI 1844 Taf. 7. 8.)
Die Darstellung der rechten Schmalseite Fig. 20 b,
Achilleus in der Palaestra von Chiron unterwiesen,
vgl. 21 b. 22 a. 23 b. 24 d veranschaulicht im pointirten Gegen-
satz zu der eben besprochenen Scene eine frühere Periode
aus dem Leben des Achilleus. Chiron hat sich auf die
Hinterfüsse niedergelassen; er trägt ein auf der Brust zu-
sammengeknüpftes Pantherfell, welches hinter seinem
Rücken, in gänzlich unmotivirter Weise, lediglich um den
Raum zu füllen, flattert. In der linken Hand hält er einen
dürren gebogenen Baumast; der rechte Arm ist erhoben;
die abgebrochene Hand machte wohl wie auf 22 a
die Geberde der Unterweisung. Achilleus mit langem
durch eine Binde zusammengehaltenem Haar, steht den
Oberkörper weit nach hinten zurückgelegt in Ausfall-
stellung da; die ganze Last des Körpers ruht auf dem
leicht gebogenen linken Bein, das rechte ist vorgestreckt
und berührt nur mit dem Ballen leicht die Erde. Der
linke Arm ist mit auswärts gedrehter Hand parirend vor-
gestreckt, der rechte holt weit auf den Rücken zurückge-
bogen zum Schlage aus. Vollkommen treffend hat Michaelis
Archäologischer Anzeiger 1862 S. 341* in seiner Besprechung
von 23 b in dieser Stellung die des Faustkämpfers, in der
ganzen Darstellung die Vorübung zum Faustkampf, die
GKiaßaxia., erkannt, an die auch Overbeck Bildwerke zum
diebischen und troischen Heldenkreis S. 285 bereits erinnert
hatte. Dabei ist zu beachten, dass in der Verfertigungszeit
des Sarkophags der Faustkämpfer nicht mehr Riemen, wie
in hellenischer und hellenistischer Zeit, sondern den Caestus
trug (vgl. Antike Denkmäler herausgegeben vom kaiserlich
deutschen archäologischen Institut I Taf. IV), der eine
etwas andere, wenig oder gar nicht gebogene Fingerstellung
bedingte, und dass diese Fingerstellung natürlich auch bei
der ohne Caestus geübten Skiamachia beobachtet wurde.
Heyne wollte in der Scene den Unterricht im Bogen-
schiessen erkennen, „denn Achill ist eben in der Stellung,
als spanne er einen Bogen und ziehe über der Schulter
einen Pfeil aus dem Köcher" a. a. O. S. 33, ähnlich Muralt
Achilles S. 30 A. 3, während er in seiner späteren Bespre-
chung, Der Strogonow'sche Sarkophag S. 1, gleichfalls den
Unterricht in gymnastischen Künsten erkennt. Preller a.
a. O., wollte mit Berufung auf Eratosthenes fr. 18 Bernh.
(Schol. Od. # 190) den Diskoswurf erkennen. Vgl. Choricius
MsXsryj herausgeg. von Förster Hermes XVII S. 230 (vgl.
Polar Hermes XVIII S. 285): Kai rü> vratbayosyQ h^yrjaocaBou
Xs/puvi rdg Trpörspov apiSTslag, ha jui] /udryjv hr avrü TTSTrovyjKsvai
ho/qj, s-/jß TroXX'fjv svtypoavvrp, Kai rd rrjg vsag yjXiKi'ag yv/uvdcia
{■/ßv ydp) sig ßv^ßyjv XaßsTv ivravda iraig &v iöypevov, evravöx Trpog
rovg -/jXiKiccrag yjpiL,ov.
Auf der Rückseite Fig. 20 c Kentauren im Kampfe
mit wilden Thieren. Ein Löwe und ein Panther fallen,
in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbeirennend,
zwei Kentauren an, die mit hochgeschwungenen Baum-
stämmen auf sie losgehen. In der Mitte, wo die Thier-
leiber sich überschneiden, eine Platane. — Streng symme-
trische, beinahe ornamental wirkende Composition.
Kentaurenkämpfe sind auf der Rückseite griechischer
Sarkophage nicht ungewöhnlich, Matz, Archäologische Zei-
tung XXX 1872 S. 15. Eine Beziehung zu der rechten
Schmalseite braucht darum nicht angenommen zu werden.
Arbeit des dritten Jahrhunderts.
Tafel VIIL IX
21) S. St. Petersburg, Kaiserliche Ermitage.
L. 2,68. H. 2,00 (H. des Deckels 0,70). T. 1,15. Reliefer-
hebung der Vorder- und linken Schmalseite 0,06, der Rück-
seite 0,04. Parischer Marmor. Die Vorderseite Fig. 21
Heliogravüre nach einer im Jahre 1884 mit freundlicher
Unterstützung des Herrn G. Kieseritzky aufgenommenen
Photographie; Schmalseiten Fig. 21a. Fig. 21b und Rück-
seite Fig. 21 c nach Skizzen eines Petersburger Zeichners.
Fig. 21 b ist irrtümlich zu stark verkleinert.
Gefunden 1834 in der Nähe von Kertsch an der Stelle des
alten Myrmekion; seit 1835 m St. Petersburg, lieber die Auf-
rindung berichtet der damalige Museumsdirektor von Kertsch Aschik
TROISCHER KREIS
einer grossen Phorminx; vor ihm steht eine Lykomedes-
tochter, bekleidet mit gegürtetem Aermelchiton, Mantel
und Schuhen, das Haar in einer Haube. Das rechte Bein
über das linke schlagend, die Linke in die Seite gestützt
fasst sie mit der Rechten das eine Horn der Phorminx,
vielleicht um das Instrument, das doch nur an einem
freilich nicht angegebenen Tragband hängend gedacht
werden kann, halten zu helfen. Hinter Achilleus eine
zweite Lykomedestochter in ähnlicher Gewandung, die
Linke auf seinen Rücken legend. Wenn eins der beiden
Mädchen Deidameia sein soll, kann es wohl nur das zur
Linken sein (vgl. 22 b). Uebereinstimmung in Gewandung
und Haartracht mit den entsprechenden Gestalten der Vor-
derseite ist nicht angestrebt. Achilleus im Kreise der Lyko-
medestochter die Leier spielend erscheint auch bei Statius
Achilleis I V. 572 ff., wo jedoch die Situation weit lüsterner
ausgemalt wird. Derselbe Typus liegt, wie O. Jahn er-
kannt hat, der Darstellung auf dem Xantener Elfenbein-
kästchen zu Grunde (abgeb. Jahrbücher des Vereins von
Alterthumsfreunden im Rheinlande V. VI 1844 Taf. 7. 8.)
Die Darstellung der rechten Schmalseite Fig. 20 b,
Achilleus in der Palaestra von Chiron unterwiesen,
vgl. 21 b. 22 a. 23 b. 24 d veranschaulicht im pointirten Gegen-
satz zu der eben besprochenen Scene eine frühere Periode
aus dem Leben des Achilleus. Chiron hat sich auf die
Hinterfüsse niedergelassen; er trägt ein auf der Brust zu-
sammengeknüpftes Pantherfell, welches hinter seinem
Rücken, in gänzlich unmotivirter Weise, lediglich um den
Raum zu füllen, flattert. In der linken Hand hält er einen
dürren gebogenen Baumast; der rechte Arm ist erhoben;
die abgebrochene Hand machte wohl wie auf 22 a
die Geberde der Unterweisung. Achilleus mit langem
durch eine Binde zusammengehaltenem Haar, steht den
Oberkörper weit nach hinten zurückgelegt in Ausfall-
stellung da; die ganze Last des Körpers ruht auf dem
leicht gebogenen linken Bein, das rechte ist vorgestreckt
und berührt nur mit dem Ballen leicht die Erde. Der
linke Arm ist mit auswärts gedrehter Hand parirend vor-
gestreckt, der rechte holt weit auf den Rücken zurückge-
bogen zum Schlage aus. Vollkommen treffend hat Michaelis
Archäologischer Anzeiger 1862 S. 341* in seiner Besprechung
von 23 b in dieser Stellung die des Faustkämpfers, in der
ganzen Darstellung die Vorübung zum Faustkampf, die
GKiaßaxia., erkannt, an die auch Overbeck Bildwerke zum
diebischen und troischen Heldenkreis S. 285 bereits erinnert
hatte. Dabei ist zu beachten, dass in der Verfertigungszeit
des Sarkophags der Faustkämpfer nicht mehr Riemen, wie
in hellenischer und hellenistischer Zeit, sondern den Caestus
trug (vgl. Antike Denkmäler herausgegeben vom kaiserlich
deutschen archäologischen Institut I Taf. IV), der eine
etwas andere, wenig oder gar nicht gebogene Fingerstellung
bedingte, und dass diese Fingerstellung natürlich auch bei
der ohne Caestus geübten Skiamachia beobachtet wurde.
Heyne wollte in der Scene den Unterricht im Bogen-
schiessen erkennen, „denn Achill ist eben in der Stellung,
als spanne er einen Bogen und ziehe über der Schulter
einen Pfeil aus dem Köcher" a. a. O. S. 33, ähnlich Muralt
Achilles S. 30 A. 3, während er in seiner späteren Bespre-
chung, Der Strogonow'sche Sarkophag S. 1, gleichfalls den
Unterricht in gymnastischen Künsten erkennt. Preller a.
a. O., wollte mit Berufung auf Eratosthenes fr. 18 Bernh.
(Schol. Od. # 190) den Diskoswurf erkennen. Vgl. Choricius
MsXsryj herausgeg. von Förster Hermes XVII S. 230 (vgl.
Polar Hermes XVIII S. 285): Kai rü> vratbayosyQ h^yrjaocaBou
Xs/puvi rdg Trpörspov apiSTslag, ha jui] /udryjv hr avrü TTSTrovyjKsvai
ho/qj, s-/jß TroXX'fjv svtypoavvrp, Kai rd rrjg vsag yjXiKi'ag yv/uvdcia
{■/ßv ydp) sig ßv^ßyjv XaßsTv ivravda iraig &v iöypevov, evravöx Trpog
rovg -/jXiKiccrag yjpiL,ov.
Auf der Rückseite Fig. 20 c Kentauren im Kampfe
mit wilden Thieren. Ein Löwe und ein Panther fallen,
in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbeirennend,
zwei Kentauren an, die mit hochgeschwungenen Baum-
stämmen auf sie losgehen. In der Mitte, wo die Thier-
leiber sich überschneiden, eine Platane. — Streng symme-
trische, beinahe ornamental wirkende Composition.
Kentaurenkämpfe sind auf der Rückseite griechischer
Sarkophage nicht ungewöhnlich, Matz, Archäologische Zei-
tung XXX 1872 S. 15. Eine Beziehung zu der rechten
Schmalseite braucht darum nicht angenommen zu werden.
Arbeit des dritten Jahrhunderts.
Tafel VIIL IX
21) S. St. Petersburg, Kaiserliche Ermitage.
L. 2,68. H. 2,00 (H. des Deckels 0,70). T. 1,15. Reliefer-
hebung der Vorder- und linken Schmalseite 0,06, der Rück-
seite 0,04. Parischer Marmor. Die Vorderseite Fig. 21
Heliogravüre nach einer im Jahre 1884 mit freundlicher
Unterstützung des Herrn G. Kieseritzky aufgenommenen
Photographie; Schmalseiten Fig. 21a. Fig. 21b und Rück-
seite Fig. 21 c nach Skizzen eines Petersburger Zeichners.
Fig. 21 b ist irrtümlich zu stark verkleinert.
Gefunden 1834 in der Nähe von Kertsch an der Stelle des
alten Myrmekion; seit 1835 m St. Petersburg, lieber die Auf-
rindung berichtet der damalige Museumsdirektor von Kertsch Aschik