Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (2): Mythologische Cyklen — Berlin, 1890

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.12015#0168
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IJO TROISCH

der mit dem Bogen sich entfernende Jüngling Diomedes
zu benennen sein, und es ist sehr möglich, dass uns hier
der Typus jenes Bildes in den Propyläen, das sicher
nicht von Polygnot, sondern von einem jüngeren Meister
aus der Blütezeit der Tafelmalerei herrührte, ziemlich ge-
treu erhalten ist.

Die Scene links stellt einen späteren Moment nach
erfolgter Aussöhnung dar, die Ueberführung des Phi-
loctet nach Troia. Philoctet, dessen wirres ungepfleg-
tes Haupt- und Barthaar hier erhalten ist, sitzt auf einem
als bequemer Sessel gestalteten Krankenwagen, der von
zwei Maulthieren, die ein vorausschreitender, mit tiefge-
gürtetem Aermelchiton bekleideter Dienen vorsichtig am
Zügel führt, gezogen wird. Philoctet, der denselben Mantel

trägt, wie in der ersten Scene, legt die rechte Hand auf
das rechte Bein, dessen Fuss noch den Verband trägt, zieht
das linke etwas empor und stützt die linke Hand auf einen
Stab; den Kopf dreht er nach Diomedes hin, der, wie in
der ersten Scene, nur mit der Chlamys bekleidet, neben
den Pferden herschreitet und mit dem Oberkörper sich
nach Philoctet zurückwendend lebhaft zu ihm spricht, in-
dem er seine Worte mit der erhobenen Rechten begleitet.
Hinter dem Wagen her schreitet Ulixes in Pileus und
Chlamys, in der linken Hand den Köcher des Philoctet
tragend, neben dem auf Fig. 13g" auch das eine Ende des
Bogens sichtbar ist.

Auf der nur in Ferretti's Zeichnung bei Gori er-
haltenen linken Schmalseite Fig. 139a ist der Raub des
Palladiums dargestellt. Von einem niedrigen Altar lässt
sich Diomedes, der in der vorgestreckten Linken das
geraubte Palladium trägt, zur Erde gleiten; mit dem rech-
ten Fuss berührt er bereits den Boden, das linke Bein
ruht noch eingeschlagen auf dem Altar. Die Chlamys ist
um den linken Arm gewickelt, der rechte Arm stützt sich
in Ferretti's Zeichnung auf eine mit einem Gewandstück
belegte Terrainerhöhung; doch lässt es die Vergleichung
mit den gleich zu besprechenden Repliken kaum als zwei-
felhaft erscheinen, dass Ferretti hier wie überhaupt unzu-
verlässig ist und dass das scheinbar isolirte Gewandstück
in Wahrheit das auf den. Altar fallende Ende der Chlamys

ER KREIS

ist, die rechte Hand aber nicht aufgestützt war, sondern
das gezückte Schwert hielt. Von dem Palladium lässt sich
nur erkennen, dass es mit einem langen Chiton bekleidet
war und am linken Arm den Schild trug. Rechts steht
Ulixes mit gebeugten Knieen und steif gesenktem rechtem
Arm in einer Stellung, als ob er entweder den herabgleiten-
den Diomedes oder das von ihm gehaltene Palladium
auffangen wollte. Die Binde, die er um das Haupt
trägt, ist wohl der von Ferretti missverstandene Pileus.
Die Chlamys ist über den linken Arm geworfen; in der
linken Hand hält er das in der Scheide steckende Schwert.
Rechts neben dem Altar steht eine gewundene ionische
Säule.

Die Darstellung geht auf dasselbe Original zurück, das
auch einer von Felix geschnittenen Gemme zu Grunde
liegt (abgeb. Jahrbuch des Kaiserlich Deutschen archäologi-
schen Instituts III 1888 Taf. 10 Nr. 7; vgl. Furtwängler

gemme des felix

ebenda S. 312; s. die beistehende Abbildung nach neuer
mit Zugrundelegung eines Abdrucks im Berliner Antiqua-
rium in doppelter Grösse angefertigter Zeichnung von
C. L. Becker) und von dem die linke Hälfte mit der Figur
des Diomedes auch auf Gemmen des Dioskurides, Poly-
kleitos und Gnaios wiederkehrt (s. Jahrbuch des Kaiserlich
Deutschen archäologischen Instituts III 1888 Taf. 8 Nr. 26.
Nr. 27. Nr. 28. mit der Abhandlung von Furtwängler
ebenda S. 220. S. 314. S. 315). Eine weitere Replik war
das nur aus der Abbildung bei Steinbüchel Grosser
antiquarischer Atlas Taf. VIII D Nr. 2 bekannte, sehr
zerstörte Bild in der Porticus des Apollotempels in
Pompeii. Die Figur des Diomedes allein, nur nach der
anderen Seite gewandt, findet sich auch auf einer Erzmünze
von Argos (abgeb. Journal of Hellenic studies 1885 pl. 54 K
nr. 45, vgl. Furtwängler a. a. O. IV 1889 S. 90). Zum
Orestes umgebildet begegnet der Diomedes auch auf einem
Relief des Neapler Museums (abgeb. Jahrbuch des Kaiser-
lich Deutschen archäologischen Instituts IV 1889 Taf. 2
Nr. 7; vgl. Conze ebenda S. 87).')

J) Dem ausdrücklichen Zeugniss von Conze und Loewy gegenüber
wage ich nicht an der Aechtheit der rechten unteren Ecke und der In-
taktheit der linken Hand des Jünglings zu zweifeln, so sehr auch der
Stil, die sachlichen Unrichtigkeiten und die von Loewy bemerkte Be-
schaffenheit des unteren Randes diese Theile verdächtig machen. Immer-
 
Annotationen